Hamburg. Ein Hamburger Experte beobachtet zum Start der Pilzsaison eine gefährliche Entwicklung. Er warnt vor bestimmten Risikofaktoren.
Die Bäume färben sich allmählich herbstlich, und immer mehr Hamburger zieht es in die Wälder, wo jetzt die Pilze sprießen. Mit einer üblen Folge: Die Zahl der Pilzvergiftungen nimmt zu.
Das zeigen Statistiken des Giftinformationszentrums-Nord in Göttingen, das für solche Fälle Ansprechpartner ist, und auch die Erfahrungen von Sebastian Lauer, Pilzcoach aus Hamburg. Er nennt Gründe für die Risiken beim Pilzesammeln.
Pilzexperte aus Hamburg: Die Zahl der Sammler ist seit Corona gestiegen
„Die Zahl der Sammler ist gestiegen“, sagt der Experte. In der Corona-Pandemie habe es viele Leute in die Natur gezogen. Und etliche Menschen hätten diese Freizeitbeschäftigung bis heute beibehalten. Auch Social Media trage zu dem Trend bei. Denn einige Nutzer posteten volle Pilzkörbe – etwa auf Instagram – und animierten dadurch unbewusst auch Unerfahrene zum Suchen.
Zwar ist die Zahl der Vergiftungen etwa durch Knollenblätterpilze, Frühjahrslorcheln oder Pantherpilze nach den Berechnungen des Giftinformationszentrums Nord nach einem Höhepunkt im Jahr 2022 wieder zurückgegangen. Aber es werden momentan mehr Fälle als vor Corona gemeldet.
Pilze sicher sammeln: Apps reichen für eine genaue Bestimmung nicht aus
Lauer nennt einen weiteren Risikofaktor für mögliche Vergiftungen: die Pilz-Apps. „Die Menschen denken, sie seien mit der Technik sicher“, sagt der Familienvater. Doch mit dem Smartphone in der Hand Pilze zu bestimmen sei keine gute Idee. Die Technologie gebe keine wirkliche Sicherheit, ein Bild eines Fundes reiche für die Analyse einfach nicht aus.
Sebastian Lauer rät: Für eine Bestimmung sollten Sammler zunächst den Pilz nicht abschneiden, sondern aus dem Boden drehen. Das Herausdrehen helfe, den ganzen, unversehrten Fruchtkörper untersuchen zu können. Welche Form hat er, wie sieht der Hut aus, gibt es Lamellen oder Röhren, hat er unten eine Knolle?
Pilze sammeln und bestimmen: Ein Kriterienkatalog aus aktuellen Büchern hilft
Nach und nach checkt Lauer bei seinen Pilzkursen, die er in Hamburg gibt, alle möglichen Kriterien, die helfen, einen Fund zu bestimmen. „Das ist wichtig“, sagt er. Denn die Pilze einer Gattung oder Art unterschieden sich oft stärker als Pflanzen wie etwa Bäume voneinander. „Die Blätter eines Baumes sehen immer ähnlich aus“, erklärt der 41-Jährige. „Aber bei Pilzen können Farbe und Form der Fruchtkörper stark variieren. Das kann zu Verwechslungen führen.“
Bei einer Tour im Volkspark zeigt Lauer auf Goldröhrlinge, die sehr blass bis golden in seinem Korb leuchten. „Der Goldröhrling wächst immer nur bei Lärchen“, sagt Lauer über den Speisepilz. Das Vorkommen kann bei Pilzen auch einen Hinweis darauf geben, welche Pilzsorte man gefunden hat.
Wegen all dieser komplexen Zusammenhänge können Apps beim Pilzesammeln immer nur eine zusätzliche Hilfestellung geben und nicht ein Exemplar sicher identifizieren, so der Experte. Wichtig sei Fachliteratur. Denn in dieser finden Sammler einen sogenannten Pilzschlüssel, den sie abarbeiten können, bis sie den Fund bestimmt haben.
Pilzcoach: Keine alten Bücher für die Bestimmung verwenden
„Aber man sollte keinen alten Pilzbüchern vertrauen“, sagt Lauer. So sei die Wissenschaft inzwischen weiter als noch vor Jahrzehnten. Denn gewisse von den Großeltern zum Sammeln empfohlene Pilze wie der Kahle Krempling oder der Grünling gelten heute als Giftpilze. Und das nicht, weil sie unmittelbar nach dem Verzehr zu Beschwerden führen können. Sondern, weil sich das Gift etwa des Kahlen Kremplings im Körper ablagert und anreichert. Grünlinge hingegen wirken beim Verzehr in größeren Mengen gesundheitsgefährdend.
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Die meisten Pilzvergiftungen, sagt Lauer, ließen sich derweil nicht auf giftige Exemplare zurückführen, sondern auf vergammelte Speisepilze. „Mehr als 90 Prozent der Beschwerden sind die Folge des Verzehrs alter Pilze“, sagt Lauer. Weiche, vielleicht sogar schimmelige Funde sollten Sammler unbedingt meiden und nicht mitnehmen. Der Verzehr könne zur Lebensmittelvergiftung führen.
Pilze sammeln in Hamburg – Tipps für mehr Sicherheit beim Bestimmen:
- Nur sichere Arten sammeln: Sammeln und konsumieren Sie nur Pilze, über deren Identität und Unbedenklichkeit Sie zu 100 Prozent sicher sind.
- Fachkundige Beratung einholen: Lassen Sie bei Unsicherheiten die gesammelten Pilze von einem erfahrenen Mykologen (Pilzsachverständigen) überprüfen. Eine Übersicht über die in Hamburg zuständigen Experten gibt es im Internet, bei der DGFM.
- Verzehr von Wildpilzen rationieren: Auch bei essbaren Pilzen ist in manchen Fällen Vorsicht geboten, da der Verzehr großer Mengen gesundheitsschädlich sein kann. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät deshalb, nicht mehr als 250 Gramm Wildpilze pro Woche zu essen.
- Keine falschen Zeichen nutzen: Selbst Fraßspuren von Tieren bedeuten nicht, dass der Pilz auch wirklich essbar ist. So wird der für Menschen tödlich giftige Grüne Knollenblätterpilz etwa von Schnecken oder Käfern durchaus vertragen.