Hamburg. Ministerpräsident Dietmar Woidke gelingt es, die AfD zu besiegen. Das gibt Scholz etwas Rückenwind. Aber Grüne und Liberale werden nun noch nervöser.

Es war die letzte Wahl vor der Bürgerschaftswahl am 2. März in Hamburg und ein wichtiger politischer Stimmungsmesser für Deutschland. Verfügt die ungeliebte Ampel in Berlin noch über einen Rest Rückhalt? Verleiht die Entscheidung für Friedrich Merz als Kanzlerkandidat der CDU Rückenwind? Und lässt sich der Aufstieg der Populisten stoppen?

Nun sollte man die Wahl in Brandenburg nicht überbewerten, zumal mit rund 2,1 Millionen Wahlberechtigten nur jeder 30. Bundesbürger abstimmen durfte. Und doch sind die Ergebnisse aus dem Osten der Republik ein wichtiger Fingerzeig. Im Vorfeld war bei der SPD sogar von einer „Schicksalswahl“ die Rede.

Nun kann Bundeskanzler Olaf Scholz wieder etwas entspannter in die Zukunft blicken. Denn der SPD gelang es mit dem beliebten Ministerpräsidenten Dietmar Woidke sogar, viele Stimmen hinzuzugewinnen und die AfD hinter sich zu lassen. Man sollte die Sozialdemokraten also nie abschreiben.

Brandenburg-Wahl: FDP und Grüne verloren mehr als die Hälfte ihrer Prozente

Für die kleineren Partner der Ampel ist die Brandenburger Wahl das erwartete Desaster: Sie halbierten sich; die Grünen müssen zittern, die FDP ist draußen. Mit jeder Woche wird dieses Schicksal auch für die Liberalen im Bundestag wahrscheinlicher. Erstmals seit der Bundestagswahl taxieren sämtliche Meinungsforschungsinstitute die FDP bei unter fünf Prozent. Kontinuierlich abwärts geht es auch für die Grünen, die inzwischen fürchten müssen, in den einstelligen Bereich zu rutschen.

Klar ist: Die Brandenburger Wähler haben die Fliehkräfte im ungleichen Berliner Bündnis weiter verstärkt. Auf der einen Seite werden die „Partner“ nun noch stärker versucht sein, ihre eigene Programmatik kompromisslos durchzudrücken. Auf der anderen Seite aber zeigen die jüngsten Wahlergebnisse: Jede Neuwahl würde die Reihen von SPD, Grünen und FDP lichten. Ein Ausstieg aus der Koalition wäre für viele Bundestagsabgeordnete gleichbedeutend mit Jobverlust.

Für die Liberalen könnte die Rettung per Schleudersitz nun eine Option sein

Nur bei der FDP gilt das nicht mehr: Wenn sich bei den Liberalen der Eindruck verfestigt, dass sie mit der Ampel untergehen, käme der Ausstieg aus dem Bündnis einer Art Schleudersitz gleich – nur so könnte die Partei den Absturz politisch überleben. Das Regieren wird in den kommenden Monaten noch ungemütlicher.

Auch für Friedrich Merz ist die Wahl kein Erfolgserlebnis: Die CDU, in Brandenburg schon seit der Wende notorisch schwach, hat ihr Rekordtief von 2019 noch einmal deutlich unterboten. Das mag damit zu tun haben, dass sich die Wähler der Mitte hinter Amtsinhaber Dietmar Woidke versammelt haben – schließlich machte sogar der christdemokratische Ministerpräsidentenkollege Michael Kretschmer Werbung für den Sozialdemokraten. Zugleich zeigt das Ergebnis: Der Union gelingt es zu wenig, von der Unzufriedenheit über die Ampel zu profitieren.

Brandenburg-Wahl: Sahra Wagenknecht und die AfD verbuchen hohe Zugewinne

Die großen Nutznießer sind das Bündnis Sahra Wagenknecht und die AfD. Eine inzwischen ein Jahrzehnt währende dysfunktionale Migrationspolitik hat beide Volksparteien erschüttert: Angela Merkel ist die Mutter der AfD. Die frühere Splitterpartei ist zu einer Chaosgröße im deutschen System gewachsen. Sahra Wagenknecht sammelt die wachsende Schar der Unzufrieden links der Mitte ein. Die Flüchtlingspolitik der Großen Koalition ab 2015 hat sich als Sprengsatz für die alten Volksparteien entpuppt.

Nun steuert die Bundesregierung zwar endlich um: Aber es wird viele Monate, eher Jahre, dauern, das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Und so lange werden das BSW und die AfD den Unmut der Menschen in Wählerstimmen ummünzen.

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Nun kommt der Bürgerschaftswahl in Hamburg eine besondere Wichtigkeit zu: Sie wird der einzige und letzte Stimmungstest und möglicher Mutmacher vor der Bundestagswahl. Der rot-grüne Senat hat gute Chancen, seine Mehrheit zu verteidigen und damit dem Bundestrend zu trotzen. Die Christdemokraten wiederum werden deutlich zulegen und sich als Sieger fühlen. Möglicherweise gelingt den Hamburger Wählern auch, bei BSW und AfD auf die Europhoriebremse zu treten. So wird die Bürgerschaftswahl wie die Brandenburger Wahl über die Grenzen ausstrahlen.