Hamburg. Unternehmer wollten Hotel vor Ort kaufen. Nun sind sie Mieter im Restaurant. Über das ungewöhnliche Modegeschäft zweier Hamburger.
Wer zuletzt das Restaurant auf dem Süllberg in Blankenese besucht hat, dem dürften die neuen Schilder aufgefallen sein. „Henry Christ“ steht da plötzlich am Fahrstuhl und am Treppenhaus. Doch wer oder was ist das? Das fragen sich einige Besucher. Hinter Henry Christ verbergen sich Henning Kunstreich und Christian Holst. Zusammen haben sie 2009 das Mode-Unternehmen gegründet.
Was mit einer kuriosen Idee und Tüchern aus Kaschmir begann, hat sich zu einem Luxuslabel gemausert, das offenbar so gut floriert, dass man sich eine Immobilie in Bestlage in den Elbvororten leisten kann. Allerdings hatten es die beiden Unternehmer eigentlich auf das zum Verkauf stehende Süllberg-Hotel abgesehen. Doch dann kam alles anders.
Hamburg-Blankenese: Luxusmarke Henry Christ residiert jetzt auf dem Süllberg
„Wir wollten es unbedingt kaufen“, berichtet Christian Holst. Die beiden Unternehmer hatten die Verkaufsanzeige gesehen, allerdings nicht die kürzlich bekannt gewordene, sondern die Offerte vor zwei Jahren. Nach der Übernahme der Süllberg-Immobilie durch die Peter Rothe GmbH wurde das Hotel relativ schnell für 2,5 Millionen Euro angeboten, erinnern sich die beiden. Zum Vergleich: Zwei Jahre später stand die Immobilie erneut zum Verkauf, für mehr als vier Millionen Euro.
Allerdings waren die Hamburger zu dem Zeitpunkt, als das Hotel auf den Markt kam, gerade in der Schweiz, um mit Kunden über Bestellungen für ihre neue Kollektion zu sprechen. „Wir waren einfach zu langsam“, sagt Holst. Der Notartermin war bereits gesetzt, der Verkauf mit den neuen Eigentümern per Handschlag besiegelt. Aber so kamen die Mode-Experten ins Gespräch mit dem neuen Süllberg-Chef. Und der hatte eine andere Idee für die Unternehmer.
Mode-Unternehmen zieht in Restaurant-Trakt auf dem Süllberg
So zog das Unternehmen Henry Christ in einen Trakt des Restaurants ein und ist hier jetzt Mieter. Früher wurde der Teil vor allem für kleinere Veranstaltungen genutzt, woran noch die kleine Profiküche erinnert. „Wir haben drei Monate lang alles renoviert“, sagt Holst. Nun gibt es hier Büros für die beiden Chefs und ihre Mitarbeiter (insgesamt 16), dringend benötigte Lagerflächen und einen Showroom im Obergeschoss neben der Dachterrasse, die sie unter anderem für Kundenevents nutzen. Rund 500 Quadratmeter haben sie angemietet.
Daneben betreiben Kunstreich und Holst einen Henry-Christ-Laden in Blankenese, Elbchaussee 590, sowie in Eppendorf, Hegestraße 15. Dort hatten sie zuletzt ihre Büros und Lagerflächen. Aber mit zunehmenden Wachstum gerieten sie an ihre Grenzen. „Wir sind aus allen Nähten geplatzt“, berichtet Kunstreich. Dabei geht es vor allem um die Hochzeiten, wenn die neuen Kollektionen kommen und für die jeweiligen Kunden weiterverschickt werden.
Hamburger Modelabel Henry Christ wird von Händlern weltweit verkauft
Denn der Direktvertrieb ist für das Modelabel nur eine Hamburger Besonderheit und Nebengeschäft. Ihre Ware wird über Händler verkauft, die in Deutschland, Europa und vor allem den USA sitzen. „Mehr als 400 Händler weltweit verkaufen Kleidung von Henry Christ“, sagt Holst. Das ist vor allem beachtlich, wenn man von den Anfängen ihrer Idee hört.
Die beiden Freunde wollten nach ihrem Studium der internationalen BWL beziehungsweise des Wirtschaftsingenieurwesens ein Unternehmen aufbauen. Ihre Idee war es, Kaschmirschals in Blumenläden zu verkaufen. Die Quereinsteiger fanden Produzenten in der Mongolei und entwarfen die Muster selbst, was sie bis heute tun. Auf Anraten ihrer Eltern fragten sie zum Glück erst einmal in einer Boutique nach, wie man denn die Tücher überhaupt beurteilen würde.
Mode-Unternehmen Henry Christ aus Hamburg auf Wachstumskurs
„Man hat uns gleich 40 Stück abgenommen“, sagt Holst. „Damit hätten wir nie gerechnet.“ In die Blumenläden ging es nicht. Dafür durch die USA und Europa auf der Suche nach Händlern. „Wir haben in den ersten Jahren viel Lehrgeld bezahlt und auch einige Fettnäpfe mitgenommen“, berichtet Kunstreich. Aber die Zahlen stimmten am Ende.
Laut Angaben der beiden Unternehmer hat Henry Christ bislang nie rote Zahlen geschrieben und Traum-Wachstumsraten von durchschnittlich bis zu 27 Prozent. Während andere in der Branche untergehen oder derzeit stark zu kämpfen haben, sprechen sie von einem ihrer erfolgreichsten Jahre überhaupt.
Unternehmer aus Hamburg schliefen im Lager bei ihrer Ware
Was ihr Geheimnis ist? „Wir haben keine Investoren an Board. Zahlen alles selbst ohne Kredite“, erklärt Holst, der aber nicht über Umsätze sprechen will. Das hätte ein gesundes Wachstum möglich gemacht. In den Anfangsjahren sparten sie daher, wohnten in einer WG, in der sich die Ware stapelte. Während der Auslieferung schliefen sie sogar im Lager, um auf die Ware aufzupassen, bis ein Sicherungssystem kam. Auch die Logistik machen sie bis heute selbst. „Gleichzeitig ist uns eine echte Partnerschaft mit unseren Händlern wichtig“, so Kunstreich. Man spreche miteinander und vor allem über Kundenwünsche und Möglichkeiten.
Zudem haben die Unternehmer gelernt, wie irre die Modebranche tickt. Ein Beispiel: Hamburger, die es sich leisten können, sind im Winterurlaub in ihrem jeweiligen Urlaubsort in Kauflaune, wollen dort die aktuelle Sommermode sehen, bevor sie in die Läden nach Hamburg kommt. Und so müssen sie mit ihren Kollektionen der Zeit weit voraus sein, gerade geht es im Büro bei 30 Grad Celsius natürlich nur um Wintermode.
Männer und Mode: „Das ist keine große Liebesgeschichte“ aus Unternehmersicht
Eine weitere Erkenntnis: Ab einer gewissen Preisklasse spielt Geld keine Rolle mehr. „Der finanzielle Aspekt rückt in den Hintergrund, wenn das Produkt besonders ist“, formulieren es die beiden. Die Kaschmir-Mode von Henry Christ muss man sich leisten können und wollen. Ein Pullover aus der hochwertigsten Wollart kostet 350 Euro aufwärts. Der größte Verkaufsrenner: ein dicker Pullover mit Zopfstrickmuster für 999 Euro.
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Was sie sich allerdings nicht leisten werden: Mode für den Mann herzustellen. Das hätten sie probiert. Aber das mache keinen Spaß. Kunstreich erklärt: „Männer und Mode – das ist keine große Liebesgeschichte. Sie gehen selten einkaufen und zeigen vor allem Begeisterung, wenn es im Sale attraktive Angebote gibt.“ Deshalb sorgt Kunstreich immer dafür, dass manches Kleidungsstück in Frauengröße auch Männern passt – damit er seine eigene Mode tragen kann.