Hamburg. Badesaison in der Elbe in Hamburg startet wieder: Bis zum Frühjahr geht es mit den Eisbademeisters ins Wasser – jeder kann mitmachen.

Erst ist es schrecklich, und dann wird es schön. Eisbaden ist nichts für Zweifler und Zögerliche, denn am besten klappt es, in die nur 4,3 Grad kalte Elbe in Hamburg zu gehen, wenn man nicht lange darüber nachdenkt, sondern einfach macht. Den Verstand auszuschalten, kann helfen. Das ist meine Taktik, aber jeder Mensch ist da individuell.

Manche gehen nur bis zum Bauch hinein, langsam, Schritt für Schritt. Andere laufen drauflos und stürzen sich regelrecht ins Wasser. 175 Wagemutige kamen an diesem kalten Sonnabend im vergangenen Dezember an den Elbstrand in Oevelgönne in Höhe der Strandperle, um in die Elbe einzutauchen. Für den guten Zweck. Abendblatt-Redakteurin Geneviève Wood hatte es auch ausprobiert.

Eisbaden in der Elbe in Hamburg: Nach dem bissigen Schmerz kicken die Glückshormone

Egal, ob vier Grad oder elf Grad: Schrecklich ist es im eiskalten Wasser. Es tut weh. Doch wenn der Schmerz nachlässt, wenn man später dick eingemummelt am Elbstrand mit einer Tasse Tee steht und das Leben zurückkehrt in den Körper, ist das wunderschön, weil Körper und Geist hellwach sind und die Glückshormone kicken.

Beim Eintauchen in das kalte Nass schüttet der Körper Stresshormone aus. Winterschwimmer oder Eisbader sehen das als positive Stressreaktion und berichten über ein euphorisches Gefühl nach dem Bad. 

So hat es auch Sönke Padeken bei seiner Eisbade-Premiere erlebt. „Beim ersten Mal hatte ich Angst“, erzählte der 35-Jährige aus Eppendorf. Er hatte seine Angst schließlich überwunden und war gleich fünf Minuten im Wasser geblieben. Respekt!

„Wie der Körper auf die Kälte reagiert, war überwältigend“, sagte der Vermögensverwalter. Erst sei ihm schwindelig geworden, schwarz vor Augen sogar. „Dann macht sich ein Kribbeln über den ganzen Körper breit, und es wird einem wieder warm.“ Den Rest des Tages, erzählte er noch, habe er sich gefühlt wie ein 20-Jähriger.

Eisbademeisters Hamburg rufen zwischen November und Ende Februar zum Eisbad auf

Jetzt startet die Eisbadesaison wieder: gleicher Ort, ähnlich niedrige Temperaturen. Derzeit beträgt die Wassertemperatur der Elbe um die elf Grad. Am Sonnabend, 9. November, laden die Eisbademeisters Hamburg wieder alle Wagemutigen ein, sich für den guten Zweck in die kalte Elbe zu stürzen.

Organisiert wird das Eisbaden an der Elbe, das längst zur Massenbewegung geworden ist, von Katharina Lohse und ihren Mitstreitern von „Eisbademeisters Hamburg“. Seit Ende Januar 2021 rufen sie zwischen November und März regelmäßig dazu auf, in der Elbe zu schwimmen und damit Spenden für verschiedene Institutionen zu generieren.

Meist sind es Hilfen für Obdachlose, aber nicht ausschließlich. „Die großen Spendensummen kommen von Paten, die die einzelnen Organisationen unterstützen“, so Lohse.

Hamburg-Altona: Eisbademeisters sammeln Spenden für Obdachlose

Vor Ort steht außerdem immer eine Spendendose. Gemeinsam möchten Katharina Lohse und ihre Mitstreiter auf die schwierige Situation von Bedürftigen in der kalten Jahreszeit aufmerksam machen. Dafür geht auch die 48-Jährige jedes Mal mit ins kalte Wasser.

Eisbaden.
Eisbaden. Für den guten Zweck springen die Eisbademeisters in Hamburg in die kalte Elbe, jeder kann mitmachen. Und das alles für den guten Zweck, für verschiedene soziale Projekte. © Funke Foto Services | Marcelo Hernandez

Obwohl sie nach eigener Aussage eher Typ Frostbeule ist, mag sie Eisbaden. „Auch wenn man es schon länger macht, stellen sich danach immer noch Glücksgefühle ein“, sagt sie. „Gerade nach einer Arbeitswoche wird man so wieder resettet und auf Null gebracht.“

Ursprünglich kommen die Eisbademeisters – das s am Ende gehört so, auch wenn es grammatikalisch nicht richtig erscheint – aus Rostock. Katharina Lohse hat das Event nach Hamburg geholt und lädt jede Woche freitags oder sonnabends zum Massen-Eisbaden für den guten Zweck ein.

Eisbaden in Hamburg ist ein soziales Event: Gemeinsam fällt es leichter, sich zu überwinden

Eisbaden als soziales Event, das ist nicht nur hier am Elbstrand so. Auf Föhr hat Uwe Stammer das tägliche Bad in der Nordsee etabliert und geht gemeinsam mit jedem, der möchte, ins Wasser.

Mindestens ein Arzt ist auch vor Ort. Manche Mediziner sagen, alles unter sechs Grad sei risikofreudiges Eisbaden und nicht immer zu empfehlen. Wer krank ist, sollte das natürlich nicht machen. Und man sollte nicht zu abrupt rein und nicht zu lange im Wasser bleiben.

Eisbaden in Hamburg: Es ist doch einfach nur kaltes Wasser

Wenn die Meute Badewilliger sich beim Eisbaden Richtung Elbe begibt, hat das jedes Mal etwas von Kindergeburtstag, Klassenfahrt und einer ausgelassenen Party gleichzeitig: Jauchzend und johlend, schreiend und völlig überdreht gehen sie für gewöhnlich ins Wasser. Mitreißend ist das jedes Mal. „Ich habe schon oft erlebt, dass jemand spontan in Unterhose mit ins Wasser kommt“, sagt Katharina Lohse. Für solche Fälle leiht sie gern ihr Handtuch aus.

Wer hier noch schlechte Laune hat, ist selber schuld. Die Masse trägt einen, macht es leichter, sich zu überwinden. Und ganz ehrlich: Was ist denn schon dabei? Es ist doch einfach nur kaltes Wasser.

Oder wie es Kerstin Graumann formulierte: Sterben ist schlimmer. Und das ist nicht nur so ein Spruch. Denn die 54-Jährige war Krebspatientin. „Ich nutze das Eisbaden seit drei Jahren, um wieder auf die Füße zu kommen und für alle, die mich begleitet haben, die inzwischen an Krebs verstorben sind. Für die mache ich das, jedes Mal. Die anderen sind tot, ich nicht. Dann macht mir die Kälte nichts.“

Elbe: Eisbaden in Hamburg – im kalten Wasser frieren und dabei Gutes tun

Die Menschen sind beim Eisbaden jedes Mal bunt gemischt. Von jung bis alt, Männer, Frauen. Im vergangenen Jahr mit am Start war Merve Cukurova aus Istanbul, die gerade nach Hamburg gezogen war und sich freute, in die kalte Elbe zu gehen. „Ich mache das immer am Bosporus zu jeder Jahreszeit.“ Aha, eine Profi-Kaltbaderin also. Obwohl: „Das Kälteste am Bosporus waren zehn bis 15 Grad“, sagte sie noch. Na ja, da geht noch mehr. Willkommen in Norddeutschland!

Jörg Maier aus Hoheluft-Ost war im Dezember zum dritten Mal dabei. Der 47-Jährige hatte sich sogar vorbereitet: „Ich habe angefangen, kalt zu duschen. Da ist das hier nur die logische Konsequenz. Wenn ich ohnehin ins Wasser gehe, kann ich dabei auch noch Gutes tun.“ Hier, umgeben von netten Menschen, sei das besonders schön. „Das ist ein toller Teil von jedem Wochenende.“

Seine Taktik: „Ich habe die Badehose schon drunter, ziehe meine Klamotten aus und dann rein.“ Profitipp: Damit die Füße beim Aus- und wieder Anziehen nicht auskühlen, ein kleines Fußhandtuch nicht vergessen.

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Eine halbe Stunde dauert die Badesession an der Elbe jedes Mal. Nur einige Hartgesottene bekommen nicht genug und wiederholen das Bad. Was sie nach dem kalten Bad vereint: Alle sind glücklich, man sieht sonnabends an der Elbe nur strahlende Gesichter.

Diesen Sonnabend, 9. November, geht es wieder los: Dann wird wieder bei niedrigen Temperaturen in der Elbe gebadet und Spenden für einen guten Zweck gesammelt. Pro Eisbademeisters gibt es 15 Euro.