Sylt. 13 Grad Wassertemperatur – trotzdem hat man das Meer vor Sylt jetzt fast für sich allein. Bis zu welcher Temperatur Baden gesund ist.

„Dann zieht sie sich schnell aus und läuft zum Wasser, schreckt alle Sanderlinge auf und wirft sich in die See. Ein Überfall, sie macht es immer so.“ Im großartigen Roman „Zur See“ von Dörte Hansen wagt sich die Protagonisten Eske Sander jeden Tag in die Nordsee.

In diesen warmen Oktobertagen sehe ich niemanden am langen Strand von Sylt, der es ihr gleich tut. Das höchste der Gefühle sind Wanderer, die sich die Schuhe ausziehen und Kinder, die am Wasser herumtollen und von der Brandung nass gemacht werden.

Warum badet kaum jemand auf Sylt?

Die Deutschen reden viel über den Klimawandel, aber ziehen sich im Oktober an, wie sie es in ihrer Kindheit gelernt haben – dicke Jacke, gerne auch mit Mütze. Wer da ins Wasser geht, muss ein Sonderling sein.

Dabei ist es nicht einmal besonders kalt – Ende Oktober kommt die Nordsee noch immer auf 13 Grad Temperatur – das Wasser war früher oft im Juni nicht wärmer. Ohnehin kühlt die See erst im Winter herunter, am kältesten wird sie mit einer Durchschnittstemperatur von drei Grad Celsius im Februar, während sie im August inzwischen Rekordwerte von 22 bis 23 Grad erreichen kann.

Die Brandung auf Sylt erleichtert den Einstieg

Und noch etwas macht mir das Baden leicht: die Brandung. Denn anders als in einem See muss man sich nicht ins Wasser vorkämpfen, das Meer erledigt die Sache spielerisch, die Wellen fordern meine gesamte Aufmerksamkeit, da kann ich mich nicht auf die Kälte konzentrieren. Zudem wirkt das Wasser angesichts einer ähnlich warmen Lufttemperatur nicht sonderlich kühl.

Arzt auf Sylt: Kaltes Wasser ist gesund

Und gesund ist es auch – wenn man es denn richtig macht. „Im Sinne eines Wohlfühlbades reichen 13 Grad sicher nicht mehr aus. Aber es entspricht durchaus der Methode der alten englischen Seebäder“, sagt Dr. Norbert Buhles, Ärztlicher Direktor Rehabilitation an der Asklepios Nordseeklinik. Die Engländer empfahlen gesunden Menschen dort drei kurze Sprünge ins Wasser – „Three dips and out“. Kältereize sind gesund.

Buhles rät, nackt zu baden und sich danach warmzulaufen. „Nasse Textilien könnten eine Grippe verursachen“, warnt der Hautarzt, Allergologe und Umweltmediziner. „Im Sinne der Stärkung des Immunsystems kann man in der Brandung noch bei bis zu sechs Grad baden – eine typische Wintertemperatur.“ Alles darunter sei risikofreudiges Eisbaden, was Mediziner nicht empfehlen.

Manche Sylter baden das ganze Jahr

Buhles selbst kennt Sylter, die auch noch mit mehr als 80 Jahren täglich in die Nordsee springen. Insgesamt soll es auf der Insel zwischen zehn und 20 Winterbader geben. Wer wie Eske Sander täglich in die Fluten springt, hat seinen Körper ohnehin daran gewöhnt.