Hamburg. In Ottensen haben die bisherigen Mieter ihr Gründerzeithaus übernommen. Ein bislang einmaliger Fall – und verdammt kompliziert.

Fragen Sie sich auch manchmal, wenn Sie durch eines der Hamburger Altbauviertel laufen, wem die imposanten Gründerzeithäuser gehören? Ob es Eigentumswohnungen sind oder ob Mieter darin wohnen, und wenn Letzteres der Fall ist, ob es mehrere Vermieter gibt oder ob ein ganzes Gebäude nur einer Person gehört? Und ob das nicht der Jackpot wäre?

Nun ja. Vermieter, das muss man bei allem Mitgefühl für die mietende Spezies attestieren, können sich nicht auf ihrem Betongold ausruhen. Schwierige Bewohner, kostspielige Reparaturen, drohende Investitionen in Sachen Klimaschutz, unvorhersehbare Hürden.

Immobilien Hamburg: So einen Hauskauf wie in Ottensen gab es noch nie

Und loswerden, um das fest verbaute Gold flüssig zu machen, kann man so ein Objekt ja auch nicht. Wer möchte schon ein vermietetes Haus, wenn die Rendite im Schnitt bei 2,7 Prozent liegt?

Also einfach alles in Eigentum umwandeln und jede Wohnung einzeln verkaufen? Das geht – ein Hoch auf diesen Schutz der Mieter – schon mal gar nicht. Also zumindest nicht einfach. Dass es aber klappen kann, und zwar so, dass am Ende alle zufrieden sind (ja, selbst die bisherigen Mieter!), zeigt ein in Hamburg bislang einzigartiger Fall.

In Hamburg sind Mietwohnungen ganz besonders vor einer Umwandlung geschützt

Aber fangen wir vorne an: In Hamburg sind Mietwohnungen ganz besonders vor einer Umwandlung in Eigentum geschützt. Seit November 2021 ist dies in allen Gebäuden mit mehr als fünf Wohneinheiten genehmigungspflichtig – in der gesamten Stadt.

Ein Umwandlungsvorhaben wird damit so kompliziert wie der Name verspricht: „Verordnung über die Einführung einer Genehmigungspflicht für die Bildung von Wohneigentum nach Paragraf 250 Absatz 1 Satz 3 BauGB“. Genehmigt wird zum Beispiel nur in bestimmten Erb- oder Eigenbedarfsfällen.

Hauskauf als Herkulesaufgabe: Der Prozess hat mehr als zehn Monate gedauert

Oder wenn man es schafft, mindestens zwei Drittel der Wohnungen an die aktuellen Mieter zu verkaufen. Wie unwahrscheinlich das ist, zeigt die Statistik: In Hamburg ist das bislang noch nie vorgekommen.

Bis jetzt in der Keplerstraße in Ottensen. Hier haben gerade tatsächlich die Mieter ihr Haus gekauft. Ein Prozess, der mehr als zehn Monate gedauert hat. Eine Herkulesaufgabe für alle Beteiligten. Neben sechs der acht bisherigen Mietparteien waren das die Firma Wullkopf & Eckelmann Immobilien aus den Elbvororten sowie der nur wenige Straßen neben dem Verkaufsobjekt ansässige Notar Jens Jeep.

Es gab einen endlosen Austausch mit Behörden, Steuerberatern, Notar

Das Problem: Man hat einen Kuchen, von dem sechs Käufer ein Stück möchten, doch der Eigentümer darf den Kuchen nicht einfach zerteilen, sondern braucht eine Genehmigung, für die er nachweisen muss, dass tatsächlich mindestens zwei Drittel der insgesamt acht Stücke an die oben genannten Käufer gehen.

Klingt kompliziert? War es auch. Die Lösung: Der Kuchen wurde am Stück verkauft – nachdem alle Käufer sich vorher über die Aufteilung in einzelne Stücke geeinigt hatten und dann selbst das Messer ansetzen konnten.

Weg von der Kulinarik hieß das: Es gab einen endlosen Austausch mit Behörden, Steuerberatern, Notar. Es mussten Käufer für die zwei frei gewordenen Wohnungen gefunden werden. Es wurde teilweise saniert, begutachtet, neu vermessen.

Ein Mietshaus wurde ver- und acht Eigentumswohnungen wurden gekauft

Und dann kam das Aufschlüsseln: Welcher der sechs Mieter kauft seine Wohnung in welchem Zustand zu welchem Preis? Wie viel zahlen die beiden weiteren Käufer, die bisher keine Mieter waren? Was ist mit den Gemeinschaftsflächen, wer trägt welche Kosten, was darf mit dem Dachgeschoss passieren, kann später ein Fahrstuhl eingebaut werden?

All das wurde detailliert in einem Teilungsvertrag festgehalten, der – vor dem eigentlichen Kauf des Hauses – beim Notar beurkundet wurde. So konnten Verkäufer und alle Käufer im Anschluss nur einen Kaufvertrag unterschreiben – weil die Aufteilung bereits geregelt war. Ein Mietshaus wurde ver- und acht Eigentumswohnungen mit eigenen Grundbüchern wurden gekauft.

Immobilien Hamburg: Die Kaufpreise für die Mieter lagen unter dem Marktwert

Das Beste: Die Kaufpreise für die bisherigen Mieter lagen unter dem Marktwert. Denn ein Haus aufzuteilen, kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld – und hier waren die Mieter ja bereits beteiligt.

Zum Abschluss gab es beim Notar Applaus. Auch das in Hamburg vermutlich eine ziemlich einmalige Angelegenheit.