Hamburg. Nach monatelangen Verhandlungen mit Initiativen gelingt, was keiner mehr glaubte: der Durchbruch mit einem „Zukunftskonzept“.

Das hätte kaum einer für möglich gehalten: Der Streit um die Zukunft des Wildgeheges Klövensteen in Rissen ist beigelegt. Die verschiedenen Bürgerinitiativen haben sich zusammen mit Politik und Verwaltung auf einen Plan geeinigt, den alle mittragen. Fast ein kleines Wunder, aber es war auch etwas göttliche Hilfe im Spiel.

Das 13-seitige Einigungspapier mit dem Titel „Zukunftskonzept“, auf das sich die vielen Akteure in monatelangen Verhandlungen verständigt haben, umfasst 18 Punkte. Am 25. Mai soll die Bezirksversammlung Altona es absegnen beziehungsweise ihm formal beitreten. Damit wäre dann der Bürgerentscheid vom Tisch, nötige Entscheidungen und auf Eis liegende Arbeiten am Wildgehege können somit in Angriff genommen werden.

Wildgehege Klövensteen in Altona: Streit überraschend beigelegt

Laut Abendblatt-Informationen sieht die Einigung vor, dass am Charakter des Wildgeheges Klövensteen nicht viel verändert wird. Es bleibt beim kostenlosen Eintritt, der Gastronomie in Form der Kleinen Pony-Waldschänke und kostenfreien Parkplätzen in gleichbleibendem Umfang.

Auch der Tierbestand soll in etwa bleiben. In einem 2018 veröffentlichten sehr umstrittenen Masterplan war einst von deutlich mehr Tierarten, mehr Parkplätzen (befestigt und kostenpflichtig) sowie neuen Bereichen beispielsweise für Wölfe die Rede. Drei Bürgerbegehren, jahrelanger Streit, viel Ärger und am Ende gar keine Veränderung? Nicht ganz.

Der beliebte Spielplatz vor dem Wildgehege Klövensteen, der sich bislang vor dem Eingang befindet, wird verlagert.
Der beliebte Spielplatz vor dem Wildgehege Klövensteen, der sich bislang vor dem Eingang befindet, wird verlagert. © picture alliance/dpa | Jonas Walzberg

Denn es muss und soll sich auch etwas ändern: Das Gehege ist nicht mehr zeitgemäß und sanierungsbedürftig. Im Sinne des Artenschutzes soll es umgestaltet werden. Die Haltung der Uhus wird beispielsweise beendet. Die jetzigen Tiere dürfen ihren Lebensabend hier aber noch verbringen.

Neue Greifvögel werden nicht aufgenommen. Auch für Frettchen und Dachse stehen große Veränderungen an: Sie ziehen zusammen in ein neues großes Freigehege.

Aus dem „Hühnerstall“ soll zudem ein Bereich für Amphibien und Eidechsen werden. Das ist Teil des geplanten neu aufzulegenden Artenschutzprogramms für heimische Arten. Außerdem ist ein Infozentrum im Eingangsbereich sowie eine Dauerausstellung in einem Neu- beziehungsweise Anbau geplant.

Der Spielplatz vorm Eingang wird außerdem in das Gehege verlagert und vergrößert. Das soll noch in diesem Jahr geschehen. Das Wildgehege soll außerdem zukünftig wieder über alle vier Eingänge zugänglich sein, und die Öffnungszeiten werden deutlich ausgeweitet.

Wildgehege Klövensteen: mehr Waldpädagogik und 100 Veranstaltungen pro Jahr

Ein weiterer zentraler Punkt, der sich zukünftig ändern soll: Im Wildgehege Klövensteen der Zukunft – und das ist letztlich ein Grundgedanke aus dem Masterplan – soll es deutlich mehr Angebote aktiver Waldpädagogik geben. Im Einigungspapier ist die Rede von 100 möglichst kostenlosen Veranstaltungen pro Jahr.

Zudem soll ein Wald- und Fühlpfad angelegt werden und eine intensive Bildungszusammenarbeit mit Schulen und Kitas erfolgen. Dafür sind auch neue Stellen geplant. Zudem ist eine intensivere Zusammenarbeit mit Umweltverbänden und dem Regionalpark Wedeler Au vorgesehen.

Das Frettchen-Gehege im Wildgehege Klövensteen hat ausgedient. Die Tiere sollen mit den Dachsen in ein neues Freigehege umziehen.
Das Frettchen-Gehege im Wildgehege Klövensteen hat ausgedient. Die Tiere sollen mit den Dachsen in ein neues Freigehege umziehen. © picture alliance/dpa | Jonas Walzberg

Unterm Strich stehen als Kosten für die Veränderungen aber keine 33 Millionen Euro mehr, wie einst im Masterplan mit all seinen sehr ambitionierten Projekten zusammengezählt, sondern laut Abendblatt-Informationen drei Millionen Euro. Ein Teil soll von der Stadt kommen, ein Teil über Stiftungen und Spenden eingeworben werden.

Propst Bräsen bei Friedensgespräch zum Wildgehege Klövensteen dabei

Wie kam es nun zu diesem überraschenden Rissener Frieden? Der Einigung gingen monatelange Verhandlungen mit Vertretern der beiden erfolgreichen Bürgerbegehren „Mehr NaturErleben im Wildgehege Klövensteen – raus aus der Zoofalle!“ und „Rettet das Wildgehege im Klövensteen“ voraus.

Mit Fingerspitzengefühl geleitet wurde das Moderationsverfahren von Propst Frie Bräsen vom Kirchenkreis Blankenese. Mit am Tisch saßen außerdem Vertreter des Altonaer Bezirksamts, als Träger des Wildtiergeheges, sowie der Leiter des deutschen Wildgehege-Verbandes, Eckhard Wiesenthal, als sachverständiger Berater. Auch das half.

Bürgerinitiative NaturErleben Klövensteen: „Wir sind erleichtert“

„Wir sind erleichtert, dass wir uns im Moderationsprozess auf ein gemeinsames Zukunftskonzept für das Wildgehege einigen konnten, von dem beide Initiativen überzeugt sind“, sagt Thure Timmermann für die Bürgerinitiative NaturErleben Klövensteen.

„Nicht alle Maßnahmen werden morgen umgesetzt sein, das wird sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Daher freuen wir uns, dass vereinbart ist, den Prozess der Umsetzung gemeinsam mit der Politik und dem Bezirksamt zu gestalten“, betont Claus W. Scheide von der anderen Initiative „Rettet das Wildgehege“.

Altona: Bürgerentscheid zum Wildgehege Klövensteen ist damit vom Tisch

Auch in der Bezirkspolitik Altona ist man erleichtert, das Dauerstreit-Thema vom Tisch zu bekommen. Stefanie Wolpert (Grüne) und Vorsitzende der Bezirksversammlung: „Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, gemeinsam mit den Initiativen ein politisch breit getragenes Zukunftskonzept für das Wildgehege zu entwickeln und damit einen Bürgerentscheid zu vermeiden.“

CDU-Fraktionschef Sven Hielscher erklärt: „Wir sind heilfroh, dass es geglückt ist, trotz des haushälterischen Ausblutens des Wildgeheges durch den Senat, das kostenlose Wildgehege in seiner Form erhalten zu können.“

Wildgehege Klövensteen – die Eckpunkte der Einigung:

  • Ausweitung kostenloser Bildungsangebote: schulisch und außerschulisch
  • Ausbau Naturbeobachtung (Futterstellen, Nistmöglichkeiten, Stege, Unterwasserlupe)
  • Wald-Lehrpfad/neue Gehege-Informationstafeln
  • Biotope revitalisieren und neue schaffen (Teiche, Feldhecken, Insektenwiese)
  • Ausstellung Lebensräume im Klövensteen (Anbau Greve-Haus beziehungsweise separater Neubau)
  • Artenschutzhaus (in Abstimmung mit der Umweltbehörde)
  • Zusammenarbeit mit Naturschutzverbänden und dem Regionalpark Wedeler Au
  • Prüfauftrag: Anbindung der Waldschule an das Zentrum für Schulbiologie und Umweltbildung – analog zur Zooschule Hagenbeck
  • Naturnahe, unaufdringliche Einfriedungen
  • Gehege und Parkplatz bleiben kostenlos
  • Öffnungszeiten: 8 bis 18 Uhr im Winter, 8 bis 21 Uhr im Sommer
  • Alle vier Ein- und Ausgänge geöffnet
  • Vorhandene Wegeführung bleibt erhalten und ein neuer Weg zum Artenschutzhaus
  • Einrichtung von Ruhepunkten, Sitzgelegenheiten und Aussichtspunkten
  • Möglichkeiten näherer Tierbegegnungen: bessere Platzierung der Futterplätze, gegebenenfalls Fütterungsmöglichkeiten unter tierpflegerischer Aufsicht
  • 2000 Quadratmeter großer neuer Natur-Erlebnis-Spielplatz (durchgängig zugänglich)
  • Keine Kommerzialisierung: Veranstaltungen nur im Sinne des Einigungskonzepts
  • Öffentliches WC für den Klövensteen
  • 100 Fahrradstellplätze
  • Prüfauftrag: ÖPNV-Anbindung
  • Genehmigung als Zoo
  • Haltung in großen, naturnahen Freigehegen folgender Arten: Rotwild, Damwild, Sikawild, Mufflons, Wildschweine, Rehwild, Waschbären
  • Neubau Gemeinschaftsgehege für Waschbären und Frettchen
  • Sanierung der Voliere: Uhus verbleiben, Greifvogelhaltung läuft allerdings mit Tod der beiden Uhus aus (danach Abbau der Voliere)
  • Neues Artenschutzprogramm/Artenschutzhaus mit Amphibien und Waldeidechsen
  • Geflügel (Gänse und Hühner): Haltung läuft aus und Tiere werden vermittelt