Hamburg. „Gefahr im Verzug“: Massiver Sanierungsstau lässt Gehege verrotten. Doch eine Einigung über die Zukunft ist bisher nicht in Sicht.

Angesichts der ungewissen Zukunft des Wildgeheges Klövensteen mahnt der Co-Vorstand des zugehörigen Fördervereins, Jens-Joachim Sturzenbecher, eine zügige Entscheidung über die dringend erforderliche Sanierung an. Wegen des maroden Zustands einiger Außenanlagen sieht Sturzenbecher „Gefahr im Verzug“. Aus seiner Sicht sei sogar der Bestand des Wildgeheges gefährdet – „wenn nicht bald etwas geschieht“.

Beim Rundgang durch das Gehege zeigt Sturzenbecher die vielen Schäden vor Ort. Bei der rund 20 Jahre alten riesigen Uhu-Voliere gammeln alle Stützpfeiler, sodass langfristig die Gefahr bestehen könnte, dass dieses Gehege einstürzt. „Diese Anlage ist vorübergehend nicht besetzt“, seht an den Resten des schon seit 2019 geschlossenen Waschbär-Geheges, dessen Bewohner ausgelagert sind.

Wildgehege Klövensteen: Holzbänke marode

Einen tristen Anblick bietet auch das kleine Waldforum, wo regelmäßig Vogelflüge präsentiert wurden. Alle Holzbänke sind marode und zum Teil gesplittert, viele hängen auch deutlich. „Wenn hier nicht bald etwas geschieht, kann der Betrieb nicht weiter fortgeführt werden“, sagt Sturzenbecher, „das verbietet sich dann schon aufgrund der Unfallverhütung.“

Rückblick: Wie berichtet, waren vor rund vier Jahren Pläne für eine aufwendige („zukunftssichernde“) Umgestaltung des Geheges vorgestellt worden, die damals von Förderverein und Bezirksamt Altona unterstützt wurden. Dieser „Masterplan“ sah unter anderem den Umbau des Geheges zu einem Naturwildpark mit Wolfswald, Sinnesgarten, zahlreichen Beobachtungszonen und Erlebniswelten vor, auch ein „Waldcampus“ war angedacht.

Kritik vom Hamburger Tierschutzverein

Die Anlage sollte dabei weiterhin kostenlos für die Besucherinnen und Besucher geöffnet sein, weitere benötigte Einnahmen sollten durch die Einführung von Parkgebühren sowie kostenpflichtige Zusatzangebote und den Verkauf von Forstprodukten wie Wildfleisch und Bäumen erwirtschaftet werden.

Die Initiative „Klövensteen soll leben – stoppt den Masterplan für einen Wildtierzoo“ wandte sich gegen die Pläne, die aus ihrer Sicht zu überdimensioniert waren. Der Hamburger Tierschutzverein sekundierte und kritisierte unter anderem die angedachte starke Erhöhung der Tierartenzahl vor Ort. Schließlich trat auch die Bezirksversammlung Altona dem Bürgerbegehren bei, und der Masterplan wurde gekippt. Seitdem ist vor Ort nicht mehr viel geschehen.

Gutachten bringt drei Zukunfts-Varianten ins Spiel

Ein beauftragtes Gutachten, dessen Ergebnisse, wie berichtet, Anfang Dezember öffentlich vorgestellt wurden, brachte bislang auch keine Klarheit über den richtigen Weg in die Zukunft. Die Wiener Biologin Monika Fiby präsentierte drei mögliche Szenarien zur Zukunft des Wildgeheges: Variante eins sieht das Gehege als ein reines Wildgatter mit einer deutlich reduzierten Zahl (fünf) von Tierarten, in dem Wildfleisch produziert wird. Variante zwei stellt den Artenschutz in den Mittelpunkt.

Heimische Tierarten wie Luchs und Schwarzstorch würden gezüchtet, das Rothirschgehege verlegt, die zum Gehege führende Straße Sandmoorweg umgeleitet werden. Variante drei legt den Schwerpunkt auf Naturpädagogik. Tierpflegerinnen und -pfleger würden Besucherinnen und Besuchern aller Altersgruppen Haltung, Fütterung und das Training der Tiere zeigen, außerdem könnt es Waldführungen geben.

Finanzierung stellt Problem dar

Problematisch ist aber die Finanzierung. Für die Varianten zwei und drei seien Startinvestitionen von gut einer Million Euro und jährliche Kosten von rund 1,4 Millionen Euro einzuplanen – Geld , das der Bezirk Altona dafür nicht aufwenden kann. Und: Die Initiative „Klövensteen soll leben“ lehnt die Vorschläge ab. Unter anderem bemängelt sie, dass die darin vorgebrachte Kritik an dem offenen (kostenlosen) Zugang und die Forderung einer neuen Zaunanlage mit Kontrollen nicht nachvollziehbar seien. Und die Nabu-Gruppe West kritisiert, dass in dem Gutachten „personalintensive Entwicklungsszenarien“ entworfen würden, die letztlich auf Expansion statt auf Verbesserung im Bestand setzten.

Der Knackpunkt bei Variante eins: Wenn das Gehege auf fünf Tierarten reduziert und ohne Besucherverkehr als reines Wildgatter mit Fleischproduktion fortgeführt würde, wäre sein jetziger Zoo-Status weg. Das bestätigt der Sprecher des Bezirksamts, Mike Schlink. „Das Wildgehege in seiner bestehenden Form würde dann schließen und als Gatter fortgeführt“, sagt Schlink. „Allerdings würde diese Variante bedeuten, dass aufgrund der geltenden Tierhaltungsvorgaben und Unfallverhütungsvorschriften auch weiterhin Tierpflegerinnen und -pfleger beschäftigt werden müssten.“

Förderverein schlägt Alarm

Wie also soll es weitergehen? Nach den jahrelangen Streitigkeiten um die Zukunft des Geheges müht sich Jens Sturzenbecher jetzt um versöhnliche Töne. „Grundlegend und wichtig sind nun konstruktive Gespräche der beteiligten Gruppen mit den Vertreterinnen und Vertretern von Politik und Verwaltung“, sagt er. Auch eine nachfolgende öffentliche Erörterung begrüße der Förderverein ausdrücklich. „Es ist vollkommen klar, dass solche politischen Prozesse Zeit benötigen und sich an bestimmte Verfahrensarten halten müssen.“

Dennoch mahnt der Förderverein zur Eile. „Der Sanierungsstau, der durch die langen Diskussionen mittlerweile immens ist, muss zeitnah beseitigt werden“, so Sturzenbecher. „Notmaßnahmen zur Verkehrssicherung müssen jetzt erfolgen und nicht erst im Laufe des nächsten Jahres. Sonst kann das Gehege nicht mehr für die Besucherinnen und Besucher geöffnet bleiben. Das wäre ein schwerer Schlag für Groß und Klein.“

Wildgehege Klövensteen: Bezirksamt am Zug

Der Förderverein erwarte jetzt ein „klares Bekenntnis“ des Bezirksamts zum Wildgehege. „Es ist im Interesse des Bezirksamtes und auch ausdrücklicher Wunsch, das Wildgehege in irgendeiner Form zu erhalten“, sagt Sprecher Mike Schlink. „Das Bezirksamt ist dabei aber auf die Unterstützung Dritter beziehungsweise des Senats angewiesen, da ein nachhaltiger Betrieb allein durch das Bezirksamt mit den aktuell verfügbaren Mitteln nicht gewährleistet werden kann.“