Hamburg. Im Altonaer Kinderkrankenhaus haben Mädchen sogar Neunjährigen mit Tod bedroht. Was eine Zeugin berichtet – und was nun passiert.
- Mädchen verwüsten Notaufnahme vom Kinderkrankenhaus in Altona
- Zeugen beschreibt, wie sie und ihr neunjähriger Sohn angegriffen wurden
- Klinikleitung erklärt, dass der Fall jetzt grundlegend aufgearbeitet werde
Erschreckende Szenen haben sich in der Nacht zum Dienstag im Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK) abgespielt. Sehr aggressiv randalierten dort zwei Mädchen, griffen mindestens eine Mutter und ihren neun Jahre alten Sohn an und verfolgten sie bis nach draußen. Nach Abendblatt-Informationen ging die Gewalt vor allem von zwei Kindern im Alter von zwölf und 13 Jahren aus. Eine 13-Jährige soll versucht haben, ihre Freundinnen zu besänftigen und zurückzuhalten.
Alarmiert wurden die Einsatzkräfte gegen 0.22 Uhr, erklärte Polizeisprecher Holger Vehren. Um 0.30 Uhr soll dann der erste von am Ende vier Streifenwagen eingetroffen sein.
Kinderkrankenhaus Altona stellt Strafanzeige wegen Sachbeschädigung und Belästigung
Nach Abendblatt-Informationen sollen die Mädchen wartende Eltern und ihre Kinder beleidigt und attackiert haben. Auch Sachbeschädigung wird ihnen vorgeworfen. So soll der Empfangsbereich der Klinik in Ottensen ziemlich verwüstet worden sein, dort habe sich das Ganze zugetragen.
Den Vorfall und die Verwüstung bestätigt die Pressesprecherin vom Altonaer Kinderkrankenhaus auf Abendblatt-Anfrage am Dienstagmittag. Demnach wird das Krankenhaus auch Strafanzeige wegen Sachbeschädigung und Belästigung der Patienten und deren Eltern stellen.
Kinderkrankenhaus Altona: „Wir sind dabei, Sache grundlegend aufzuarbeiten“
Auch Tage danach beschäftigt der Fall Behörden, Polizei und die Klinik. Aber auch viele Eltern in Altona fragen sich, wie das passieren konnte? Genau das versucht auch die Klinikleitung nun genau zu ermitteln.
Bis dahin will man sich aber zu der Vorfall nicht mehr äußern: „Da wir uns derzeit in Klärung mit der Polizei, Feuerwehr und Sozialbehörde befinden und dabei sind, die Sache grundlegend aufzuarbeiten, können wir zum derzeitigen Zeitpunkt keine weiteren Aussagen tätigen“, heißt es auf Abendblatt-Anfrage.
Kinderkrankenhaus Altona: Mädchen belästigen kleine Patienten und Eltern
Das ist bekannt: Wie Sprecherin Svenja Ebert am Dienstag mitteilte, wurde in der Nacht von Pfingstmontag auf Dienstag eine jugendliche Person in Begleitung von zwei weiteren Jugendlichen, die alle mutmaßlich unter Drogen- und Alkoholeinfluss standen, mit einem Rettungswagen in die Zentrale Notaufnahme gebracht. „Nach kurzer Zeit haben sie vor Ort begonnen, zu randalieren. Dabei haben sie unser Personal sowie wartende Patienten und deren Eltern beschimpft und belästigt“, berichtet Ebert.
Eine Plexiglaswand und eine Lampe im Eingangsbereich wurden zerstört sowie eine Außentür beschädigt. Die Höhe des Schadens werde derzeit geprüft. Patienten seien nicht zu Schaden gekommen, betont Ebert.
Kinderkrankenhaus Altona: Mädchen sollen laut Zeugin Mutter und Sohn verfolgt haben
Eine Zeugin schilderte dem Abendblatt eindrücklich, wie die Attacke abgelaufen sein soll. „Sie haben meinen Sohn und mich angegriffen und bis auf die Straße verfolgt“, erzählt die Frau. Ihre Brille sei zertreten und der Kleine mit dem Tode bedroht worden. „Ich habe selten so eine Angst gehabt“, sagt sie. „Vor allem um meinen kleinen Sohn.“
Wie ein Sprecher der Feuerwehr Hamburg erklärt, werden Minderjährige grundsätzlich in Kinderkrankenhäuser eingeliefert. Dort angekommen, werden Patienten in solchen Fällen grundsätzlich an das Klinikpersonal übergeben, heißt es vonseiten der Feuerwehr. In der Einrichtung würden dann alle weiteren Schritte in die Wege geleitet.
Laut der Sprecherin des Kinderkrankenhauses wurden in diesem Fall allerdings drei Personen eingeliefert, obwohl lediglich eine Patientin betroffen war, was eher ungewöhnlich ist. Üblicherweise wird in Ausnahmefällen höchstens eine Begleitperson zugelassen. „Zu einer ärztlichen Beurteilung kam es bei diesen Patienten nicht, da sie im Wartebereich begonnen haben zu randalieren“, erläutert Ebert dann weiter.
Zeugin kritisiert fehlende Hilfe: „Niemand hat etwas gemacht“
Das beschreibt auch die Zeugin dem Abendblatt so: Als die Mädchen im AKK angekommen waren, sollen sie auf eine dort wartende Mutter zugesprungen sein, die mit ihrem Kind neben der Zeugin saß. Erst sei diese Frau bedroht worden, und „dann kamen sie zu uns“, so die Frau.
Als diese nach eigenen Angaben die Mädchen aufforderte, ihren Sohn in Ruhe zu lassen, sei die Situation eskaliert. „Da sind sie ausgerastet“, erinnert sie sich, „und niemand hat etwas gemacht.“ Vom Klinikpersonal soll jede Spur gefehlt haben, auch von den übrigen Eltern sei niemand eingeschritten.
Attacke in Altonaer Kinderkrankenhaus: Frau flüchtet mit Sohn in ihr Auto – Schock sitzt tief
Für die Zeugin begann derweil der blanke Horror. Sie und ihr neunjähriger Sohn seien bespuckt und beide getreten worden. Die Jugendlichen hätten ihr an den Haaren gezogen, die Brille vom Kopf gerissen und die Gläser zertreten. Angsterfüllt sei der Kleine durch die Notaufnahme geflüchtet.
Die Mädchen sollen nach Abendblatt-Informationen lautstark „Lauf nur, hier hilft dir keiner“ sowie „Jetzt schnappen wir uns dein Kind“ gerufen haben. Sie seien bis nach draußen verfolgt worden, hätten sich in ihr Auto retten müssen, weil keiner ihnen geholfen habe. Kurz vor dem Auto sollen die Verfolgerinnen dann aufgegeben haben. Der Schock sitzt nun tief – besonders bei dem Kleinen.
Gegen 0.30 Uhr rückte dann die Polizei an. Polizeibeamte nahmen die Mädchen in Gewahrsam und brachten sie auf eine Dienststelle. Sie wurden dem Kinder- und Jugendnotdienst (KJND) übergeben. Nach Abendblatt-Informationen sollen sie zu einer Einrichtung an der Feuerbergstraße in Alsterdorf gehören und in der Nacht allein auf dem Kiez unterwegs gewesen sein.
Kinderkrankenhaus Altona verfügt über keinen Sicherheitsdienst so wie andere Kliniken
Warum das Trio im Eingangsbereich des Krankenhauses derart gewütet hat, ist bislang unklar. Klar ist dagegen, dass das Kinderkrankenhaus Altona im Unterschied zu vielen anderen Kliniken in Hamburg über kein Sicherheitspersonal im Bereich der Notaufnahme verfügt.
Auf die Frage, inwieweit es einen Sicherheitsdienst gibt, sagt die Sprecherin der Klinik: „Das Altonaer Kinderkrankenhaus pflegt einen intensiven Kontakt mit unserer bürgernahen Polizeidienststelle, das AKK ist als hochprioritär eingestuft. Zudem erhalten unsere Mitarbeiter ein Deeskalations-Training.“ Demnach komme es im Altonaer Kinderkrankenhaus sehr selten zu solchen Vorfällen.
Mädchen nachts auf dem Kiez unterwegs – das sagt die Behörde
Zu dem speziellen aktuellen Vorfall wollte sich die Hamburger Sozialbehörde auf Anfrage nicht äußern – mit Hinweis auf den Sozialdatenschutz. Sie antwortete auch nicht auf die Fragen, wie es sein kann, dass Kinder, die in der Einrichtung an der Feuerbergstraße untergebracht sind, nachts betrunken auf dem Kiez unterwegs sind und dort von der Polizei aufgegriffen wurden, oder ob den Betreuern bekannt war, dass die Mädchen auch nach 22 Uhr abends noch aushäusig unterwegs waren.
Eher allgemein erklärt die Sozialbehörde, die Einrichtung KJND habe die Aufsichtspflicht für die dort untergebrachten Kinder und Jugendlichen.
„Es handelt sich beim KJND allerdings nicht um eine geschlossene Einrichtung“, betont eine Behördensprecherin. „Die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken auf die Jugendlichen pädagogisch ein, um sie zur Einhaltung der Ausgehzeiten nach dem Jugendschutzgesetz anzuhalten. Demnach können sich Kinder und Jugendliche auch von dem Gelände entfernen. Wird seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter festgestellt, dass Kinder und Jugendliche sich nachts vom Gelände entfernt haben, wird von Seiten des KJND sofort eine Vermisstenanzeige gestellt und nach Auffindung der abgängigen Betreuten situativ die Rückführung in den KJND geregelt.“
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Pädagogische Gespräche, das Aufzeigen von Gefahren und die Vereinbarung möglicher ergänzender pädagogischer Maßnahmen erfolgten jeweils im Nachgang, so die Sozialbehörde.
Dieser Vorfall wird zumindest ein Nachspiel haben: Neben der Strafanzeige kündigt die Sprecherin der Altonaer Kinderklinik einen intensiven Austausch mit der Gesundheitsbehörde und der RTW-Leitzentrale zu diesem Thema an.