Hamburg. Die Sektion für Brandverletzungen im Altonaer Kinderkrankenhaus hat in der Weihnachtszeit Hochkonjunktur. Was im Notfall zu tun ist.
Die Vorweihnachtszeit ist die gefährlichste Zeit für kleine Kinder – zumindest was Verbrennungen betrifft. In den dunklen und kalten Monaten kommt es zu deutlich mehr Unfällen, als im Rest des Jahres.
„Die kalte Jahreszeit ist leider gewissermaßen Primetime für uns“, sagt PD Dr. Ingo Königs, Leitender Oberarzt der Kinderchirurgie und Sektionsleiter für Brandverletzungen, plastische und rekonstruktive Chirurgie im Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK) dem Abendblatt. Auch deshalb wurde vergangene Woche der „Tag des brandverletzten Kindes“ veranstaltet, um auf die Gefahren aufmerksam zu machen.
Weihnachtszeit in Hamburg: Die meisten Verletzungen durch Verbrühung
Doch anders als vermutet, verbrennen sich Kinder in erster Linie nicht an Kerzen, dem Weihnachtsbaum oder Kamin. „Drei Viertel der Verletzungen entstehen durch Verbrühungen“, so Königs. Auch diese Verletzungen gebe es in der Vorweihnachtszeit viel häufiger als in den anderen Monaten. „Weil schlicht mehr warme und heiße Getränke getrunken werden.“
Und wer jetzt denkt, eine Tasse Tee ist doch nicht so gefährlich, dem widerspricht Königs vehement: „Tee hat oftmals noch um die 90 Grad, wenn er in der Tasse landet – das ist unheimlich heiß und gefährlich.“ Bei einem Säugling könne eine Tasse Tee bis zu 30 Prozent der Körperfläche verbrühen, sagt der Experte. „Das wäre eine wirklich schwere Verletzung.“ Und auch mit 60 oder 70 Grad würden noch schwere Verbrühungen verursacht.
Verbrennungen: Besonders gefährdet sind Kinder bis zu vier Jahren
Entscheidend sei bei Verbrennungen oder Verbrühungen immer die sogenannte Einwirkdauer, so der Mediziner. „Also wie lange kommt das Kind mit der Hitze in Berührung.“ Je heißer etwas ist, desto schneller entstehen schwere Verbrennungen. „Aber auch 55 Grad lauwarmer Kaffee, der einige Sekunden auf der Haut verbleibt, verursacht noch Schäden.“
Besonders gefährdet für Verbrühungen und Verbrennungen sind laut Königs Kinder im Alter bis zu vier Jahren. „Mehr als die Hälfte unserer kleinen Patienten sind in dieser Altersgruppe.“ Das liege an der Experimentierfreudigkeit der Kleinen. „Sie entwickeln innerhalb der ersten Lebensjahre Fähigkeiten, mit denen sie motorisch an Dinge herankommen. Sie haben aber noch kein Verständnis für die damit verbundenen Gefahren.“
Altonaer Kinderkrankenhaus: Zahl der schweren Verbrennungen rückläufig
Die Kleinen ziehen sich an Tischen hoch und erwischen dabei die Tasse mit dem heißen Inhalt. Oder sie reißen eine Decke herunter, auf der ein heißes Getränk steht. „Zudem klettern sie überall hoch und kommen plötzlich an Dinge, an die sie lieber nicht kommen sollten“, so Königs. Diese Art der Verletzung ginge ab dem vierten Lebensjahr dann deutlich zurück. „Denn dann entwickeln die Jungen und Mädchen ganz langsam auch ein Gefühl für die Gefahren.“
Königs berichtet aber auch von einer erfreulichen Entwicklung in seinem Bereich: „Wir haben hier in der Klinik zwar in etwa die gleiche Anzahl an Verletzungen. Aber die Zahl der extrem schweren Verbrennungen geht glücklicherweise seit Jahren kontinuierlich zurück.“
Weihnachten Hamburg: Streichhölzer gehören nicht in Kinderhände
Laut des Mediziners liegt das unter anderem daran, dass elektrische Geräte immer sicherer werden. „Die Kabel eines Wasserkochers sind mittlerweile zumeist unter dem Aufsatz versteckt, sodass Kinder nicht an herunterhängenden Kabeln ziehen können“, sagt Königs. Ein Meilenstein sei zudem der verpflichtende Rauchmelder. „Wir haben in Deutschland viel weniger schwere Brandverletzungen als früher.“
Dennoch bittet er alle Erwachsenen, extrem vorsichtig zu sein – gerade mit kleinen Kindern. Sein Appell: „Lassen Sie die Kinder niemals mit Feuer, heißen Flüssigkeiten oder in der Küche unbeaufsichtigt. Haben Sie mögliche Gefahren immer im Kopf.“ Streichhölzer gehörten zudem nicht in Kinderhände. „Und sollte ein größeres Kind einmal die Kerze am Kranz anzünden dürfen, bitte nur unter genauer Aufsicht“, rät Königs.
Verbrennungen: Glätteisen für kleine Kinder besonders gefährlich
Königs warnt auch vor Heißwasser-Inhalation in der Erkältungszeit. Ein Kind solle niemals mit dampfendem Wasser inhalieren. „Es gibt längst sehr gute Alternativen.“ Ein weiterer Ratschlag: Vor einen Kamin sollten Eltern von Kleinkindern trotz einer schützenden Glasscheibe ein Laufgitter stellen.
Vorsicht ist ebenso bei Glätteisen für die Haare geboten. „Diese gehören absolut nicht in Kinderhände.“ Glätteisen seien anscheinend gerade im Trend – „und können böse Verletzungen verursachen“.
Sollte sich trotz all dieser Maßnahmen ein Kind verbrennen, hat Königs wichtige Tipps parat. „Kühlen Sie die Stelle sofort für maximal zehn Minuten – allerdings nicht mit eiskaltem Wasser.“ Handwarmes Wasser reiche aus. „So vermeiden Sie Unterkühlungen, gerade bei großflächigeren Verbrennungen.“
Brandwunden: Keine Cremes und schon gar nicht Urin verwenden
Zudem sollte nur der verletzte Teil des Körpers gekühlt werden, nicht mehr. „Gerade bei Kindern unter einem Jahr muss sehr vorsichtig gekühlt werden, damit die Körpertemperatur nicht zu niedrig wird“, so der Hamburger Arzt. „Das kann zu beträchtlichen Schädigungen führen.“
Eine große Bitte von Königs: „Bitte schmieren Sie nichts auf die Wunde drauf.“ Am besten sei es, die Verletzung gut zu verbinden und dann einen Arzt oder eine Klinik aufzusuchen. „Bitte auf keinen Fall Cremes verwenden – und schon gar kein Mehl, keine Zahnpasta oder Urin.“ Bei starken Schmerzen helfe den Kleinen zusätzlich ein Schmerzsaft.
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Silvester: Wunderkerzen und Böller für Kinder besonders gefährlich
Zum Schluss kommt Dr. Ingo Königs noch auf Silvester zu sprechen. Am letzten Tag des Jahres haben er und sein Team im Altonaer Kinderkrankenhaus meistens besonders viel zu tun. „Und interessanterweise auch noch Anfang Januar, weil dann häufig die restlichen Böller gezündet werden.“
Doch das sei extrem gefährlich – nicht nur für die Großen. „Wunderkerzen können eine unheimliche Hitze entwickeln und gehören nicht in Kleinkinderhände“, so Königs. Der Mediziner appelliert an alle Eltern: „Brennen Sie mit den Kleinen wirklich nur kindgerechte und vor allem legale Böller ab.“ Und alles mit einem ausreichenden Sicherheitsabstand. „Dann sollte einer schönen kleinen Silvesterparty nichts im Wege stehen.“