Hamburg. Die Luxusmarke hat ein Zentrum für Schreibkultur gebaut. Eröffnung ist im Mai. Das Abendblatt hat vorab exklusiv Einblick bekommen.
Eigentlich ist der Name schon vergeben: Wenn es in Hamburg um das Montblanc Haus geht, denken viele an den mächtigen Backsteinbau mitten im quirligen Schanzenviertel. Über Jahrzehnte prangte der Schriftzug in goldenen Lettern über dem Eingang der Firmenzentrale des bekannten Schreibgeräte-Herstellers. Inzwischen ist das schon seit mehr als 30 Jahren Geschichte.
1989 war das Unternehmen aus dem historischen Fabrikensemble ausgezogen und hatte sich in einem Gewerbegebiet in Lurup niedergelassen. Nur eine Nachbildung des alten Eingangsportals war als Reminiszenz von dem traditionsreichen Standort übrig geblieben. Nun hat sich die Luxusmarke mit Weltruf ein neues Montblanc Haus hingestellt. Das Abendblatt war bei einem exklusiven Besuch in dem spektakulären Gebäude.
Neues Montblanc Haus: Markenerlebnis, Museum und Bildungseinrichtung
Als Montblanc-Chef Nicolas Baretzki die Pläne für den Neubau vor fünf Jahren gemeinsam mit dem damaligen Hamburger Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vorstellte, war das ein Paukenschlag. Immerhin lag das Budget des Unternehmens, das zum Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont gehört, für das Projekt bei beachtlichen 20 Millionen Euro. Dazu der ungewöhnliche Standort nicht im Zentrum der Stadt, sondern in Lurup. „Unser Ziel war es, ein besonderes Zuhause für die Kunst des Schreibens zu schaffen. Einen Ort, an dem man die unglaubliche Kraft der Handschrift entdecken und seiner Emotion, Kreativität und Fantasie freien Lauf lassen kann“, sagt Baretzki, der seit April 2017 an der Spitze des Edelfüller-Herstellers steht.
Auf einer Fläche von 3600 Quadratmetern über drei Etagen ist eine Mischung aus Markenerlebnis, Museum und Bildungseinrichtung entstanden. „Hamburg ist die Stadt, in der Montblanc im Jahr 1906 gegründet wurde. Es war naheliegend, das Montblanc Haus hier, in unmittelbarer Nähe der Firmenzentrale, der Schreibgerätemanufaktur und all seiner Mitarbeiter zu errichten“, sagt der Firmenchef. Seit 1993 ist das Unternehmen Teil der Richemont-Gruppe. Das Sortiment wurde um Lederwaren, Armbanduhren und Schmuck erweitert. Mit 50 Prozent des Umsatzes sind Schreibgeräte weiterhin das wichtigstes Geschäftsfeld. Am Standort Hamburg arbeiten 950 Beschäftigte.
Das Gebäude erinnert an eine überdimensionierte Schachtel
Auf den ersten Blick erinnert das Gebäude an eine überdimensionierte Schachtel. Und genau das haben die Architekten des renommierten Madrider Büros Nieto Sobejano Arquitectos, Fuensanta Nieto und Enrique Sobejano, im Kopf gehabt, als sie sich vom Design einer Füllfederhalter-Verpackung für ihren Entwurf inspirieren ließen. Mit einer Länge von mehr als 100 Metern erstreckt sich der Komplex über die gesamte Breite des Grundstücks in Lurup und gibt dem Industriegelände mit den zweckdienlichen Werkshallen der Manufaktur eine neue Fassade – und neuen Glanz.
Ganz im Montblanc-Stil ist der Komplex im klassischen Schwarz des Meisterstückes und zudem mit einer Silhouette des Mont-Blanc-Massives gestaltet, die nachts mit Beleuchtungseffekten besonders betont wird.
Eine Ausstellung zeigt die Firmengeschichte
Im Kontrast dazu dominieren im Inneren unterschiedliche Weißtöne. Im Moment laufen die Vorbereitungen für die Eröffnung im Mai auf Hochtouren. In der acht Meter hohen Eingangshalle, genannt der Dom, steht ein hohes Gerüst. Hier soll ein Buchstaben-Mobile der französischen Künstlerin Marianne Guély installiert werden. An anderen Stellen sind noch Bauarbeiter am Werk. In der Dauerausstellung „Inspire Writing“ im ersten Stock steht Martin Herde vor einem Tisch. Auf einem weißen Tuch hat er acht Tintenfässchen aus den letzten Jahrzehnten platziert.
„Das älteste ist 100 Jahre alt. Damals wurde die Tinte noch in den Füllfederhalter gespritzt“, sagt der studierte Museologe, der in den vergangenen drei Jahren die Montblanc-Unternehmensgeschichte aufgearbeitet, Ausstellungsinhalte mitentwickelt und einzelne Exponate beschafft hat. Jetzt bestückt er eine der letzten Vitrinen. Darin steht schon eine historische Tintenflasche mit dem Fassungsvermögen von einem Liter – eins von vielen seltenen Originalen. Sorgsam befestigt Herde jetzt mit seinen behandschuhten Händen Draht an den Tintenfässern, um sie drumherum zu drapieren.
Original-Handschriften von 30 berühmten Persönlichkeiten
In dem Bereich geht es um Handwerkskunst und Innovation, die hinter der Produktion jedes Schreibgeräts stehen. Allein für die Herstellung einer einzelnen Feder vom Goldband bis zum Schreibtest sind 35 Arbeitsschritte erforderlich. Es werden Spezialmaschinen gezeigt, die bei Montblanc konzipiert und gebaut werden, und Qualitätstests demonstriert, die etwa die Belastbarkeit eines Stiftclips messen. Insgesamt umfasst die Exposition sechs Themenbereiche.
Es gibt Video-Installationen, Montblanc-Schreibgeräte besonderer Editionen und Sammlerstücke, Fotos von berühmten Vertragsunterzeichnungen der Zeitgeschichte mit einem Montblanc-Schreibgerät, etwa von Ex-US-Präsident John F. Kennedy oder dem ehemaligen Staatspräsidenten der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, werden präsentiert sowie Original-Handschriften von 30 berühmten Persönlichkeiten wie dem Schriftsteller Ernest Hemingway, der Kultband Beatles oder Nobelpreisträger Albert Einstein. Ganz am Ende der Reihe hat Giuseppe etwas geschrieben. Er ist kein Promi, sondern der siebenjährige Sohn eines Beschäftigten, der in steifen Großbuchstaben von seinem Berufswunsch Tunnelbauer erzählt, weil er einen Tunnel bis zum Mont-Blanc-Massiv graben will.
Das älteste Ausstellungsstück stammt aus dem 18. Jahrhundert
Ein wichtiger Teil der Ausstellung ist die Unternehmensgeschichte. Die Ursprünge reichen 116 Jahre zurück, als der umtriebige Geschäftsmann August Eberstein die Simplo Filler Pen Co. in Hamburg gründete. Für sein frühes Start-up, hinter dem die damals innovative Geschäftsidee eines Füllfederhalters ohne Auslauf- und Füllprobleme war, begeisterte er drei Hamburger Kaufleute. Eberlein verließ Montblanc nach einem Jahr, aber das Unternehmen entwickelte sich stetig.
Die Schritte von der ersten Kollektion über die Entstehung des Firmennamens – bei einer Kartenrunde – und des Firmenemblems – der stilisierte Gipfel des Montblanc mit sechs Gletscherzungen – bis zur Erfindung des ikonischen Meisterstücks, dem wichtigsten Füllfederhalter des Unternehmens mit Sammlerwerten bis in die Millionen, werden den Besuchern multimedial nahegebracht.
Dabei gibt es auch einige Überraschungen und Superlative: das älteste Ausstellungsstück – die Handschriftenprobe des Aufklärungsphilosophen Voltaire – stammt aus dem 18. Jahrhundert und ist nicht etwa eine bedeutende Erkenntnis über die Welt, sondern eine Quittung, wie Jana Oberländer erzählt, die im Montblanc-Haus-Team für Besucherführungen zuständig ist. Das kleinste Objekt ist mit 1,2 Millimetern eine Iridiumkugel an der Spitze einer Goldfeder, das größte eine 1,50 Meter große Nachbildung eines Füllfederhalters, der als Reklame in einem Schreibwarengeschäft diente. Und auch ein Eingangsschild des alten Montblanc Hauses auf der Schanze, an dem zwischen 1950 und 1989 jeden Tag Hunderte Beschäftige vorbeigingen, ist im Luruper Neubau gelandet.
Montblanc investiert 30 Millionen Euro
„Das Montblanc Haus hat es uns ermöglicht, einige Schätze aus unserem Archiv zu heben und nun der Welt zu präsentieren,“ sagt Montblanc-Marketingchef Vincent Montalescot. Die Idee für das Haus des Schreibens gibt es schon lange im Unternehmen. Zahlreiche internationale Experten und viele Mitarbeiter waren an der Umsetzung beteiligt. Immer mehr Firmen machen ihre Marke für Besucher und Kunden in eigenen Läden oder sogar ganzen Gebäuden erlebbar. In der Hamburger Altstadt bietet etwa der Schokoladenhersteller Hachez im Chocoversum Führungen rund um die Produktion der süßen Leckerei. Weitere Beispiele sind das Porsche Museum in Stuttgart, die BMW Welt in München oder die Autostadt des Herstellers Volkswagen in Wolfsburg.
„Ich bin sehr stolz, dieses unglaubliche Projekt zum Leben zu erwecken und den Besuchern eine Erlebniswelt rund ums Thema Schreiben zu ermöglichen“, sagt Montblanc-Chef Nicolas Baretzki auch in Hinblick darauf, dass mit zunehmender Digitalisierung immer weniger mit der Hand geschrieben wird. Letztlich lagen die Gesamtkosten bei 30 Millionen Euro. Dass das Montblanc Haus später als geplant fertig wird, erklärt er damit, dass die Eröffnung erst dann stattfinden sollte, wenn der Besuch für alle erlebbar sei. Das wäre wegen der Corona-Pandemie in den letzten beiden Jahren ausgeschlossen gewesen.
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Vom 16. Mai an ist das Montblanc Haus für Besucher geöffnet
Bis zum offiziellen Eröffnungstermin am 10. Mai ist noch einiges zu tun. Vom 16. Mai an ist das Montblanc Haus für Besucher geöffnet. Neben der Dauerausstellung sind wechselnde Schauen geplant. Es gibt ein Café, eine Boutique und Schreibateliers für Workshops und Schulklassen. Bis Ende des Jahres ist das neue Haus des Schreibens von Montag bis Freitag zwischen 9 und 18 Uhr geöffnet. 2023 sollen die Zeiten auf das Wochenende ausgeweitet werden.
Der reguläre Eintritt kostet 14 Euro. Es gibt Ermäßigungen. Erstmals wird es auch möglich sein, Führungen durch die Produktion der exklusiven Schreibgeräte zu buchen. „Wir hoffen, dass das Montblanc Haus in der Stadt Hamburg, die untrennbar mit der Geschichte und Identität von Montblanc verknüpft ist, zu einem bedeutenden Wahrzeichen wird, das sowohl Einheimische als auch Gäste aus aller Welt begeistert“, sagt Montblanc-Chef Nicolas Baretzki.