Hamburg. Kleine Gemeinschaft will dem Kapitalismus trotzen und hat dafür ein außergewöhnliches Projekt gestartet. Wie das funktioniert.
Lange Schlangen vor Luxus-Läden, Massenandrang in der Europa-Passage, verkaufsoffene Sonntage, die Scharen von Touristen anlocken: Die Lust der Hamburger und Hamburgerinnen auf Shopping und Einkaufsbummel scheint ungebrochen. Doch nicht für alle ist das Geld ausgeben eine unbeschwerte Wochenendbeschäftigung.
Spätestens seit der Inflationskrise müssen immer mehr Menschen auf ihre Ausgaben achten, auch wegen der Klimakrise hinterfragen mittlerweile viele ihr eigenes Einkaufsverhalten. So wie Ilka T.: Seit Jahren engagiert sich die 54-Jährige in Deutschlands ältestem Umsonstladen in Hamburg-Altona.
Altona: Umsonstladen in Hamburg liegt versteckt in ehemaliger Kaserne
Etwas versteckt in der ehemaligen Viktoria-Kaserne (Bodenstedtstraße 16) machen ein großes buntes Schild und eine funkelnde Lichterkette auf den besonderen Laden aufmerksam.
Hat man den Eingang erst einmal gefunden, fühlt sich das Betreten der Räumlichkeiten an wie bei „Alice im Wunderland“: Besucher und Besucherinnen fallen wie durch den Kaninchenbau in eine andere Welt. Eine Welt, in der Kapitalismus nur als Bösewicht in einem der zahlreichen Second-Hand-Romane existiert und in der maßloser Konsum keinen Platz hat.
Kleidung, Bücher und Deko: Kein Gegenstand kostet im Umsonstladen Geld
Das Konzept dahinter ist schnell erklärt: Jeder Gegenstand in dem kleinen Laden ist umsonst. „Es gibt eigentlich nur eine Regel: Die Dinge, die man mitnimmt, müssen für den eigenen Gebrauch sein und dürfen nicht weiterverkauft werden“, sagt Ilka T. beim Besuch des Abendblatts.
In hohen Regalen finden sich Hunderte Bücher, Lampen, Dekoartikel, Haushaltsgegenstände und Elektroartikel, auf Kleiderstangen hängen fein säuberlich sortiert Pullis, Jacken, Hosen und noch vieles mehr. „Kleidung ist bei den Nutzern und Nutzerinnen tatsächlich am beliebtesten“, erzählt die Hamburgerin.
Laden in Hamburg-Altona schon aus den sozialen Medien bekannt
„Nutzer“ – so bezeichnet Ilka T. alle Menschen, die vom Umsonst-Angebot Gebrauch machen. Den Begriff „Kunden“ will sie nicht verwenden, schließlich sei dieser aus der Marktwirtschaft – und eben genau diese wird in den kleinen Räumlichkeiten nicht praktiziert. „Wir wollen dem Kapitalismus ein Schnäppchen schlagen“, verrät die engagierte 54-Jährige.
Das Konzept nehmen offenbar viele Hamburger und Hamburgerinnen gerne an: Trotz der vergleichsweise kurzen Öffnungszeiten kommen jeden Abend rund 30 bis 40 Menschen, um zu stöbern. „Das sind vor allem Leute aus der Nachbarschaft oder Menschen, denen das Thema Nachhaltigkeit am Herzen liegt und die uns aus den sozialen Medien kennen“, so Ilka T.
„Junge Menschen finden es gut, nicht alles neu zu kaufen“
Schon seit einigen Jahren beobachte sie einen gesellschaftlichen Wandel – vor allem bei jungen Menschen: „Die finden es gut, nicht alles neu zu kaufen.“ Denn, und das betont die Hamburgerin ganz deutlich: Hier geht es nicht darum, wie arm oder reich jemand ist. Es ist der politische Gedanke, der im Mittelpunkt steht.
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Funktionieren kann der Umsonstladen in dieser Form nur dank der rund 25 Aktiven des Arbeitskreises Lokale Ökonomie e. V., darunter Ilka T., die sich für das Projekt ehrenamtlich engagieren.
Umsonstladen in Hamburg-Altona freut sich über Spenden
Nicht umsonst sind hingegen Miete, Strom und Gas, daher nimmt der Arbeitskreis auch monetäre Spenden der Besucher und Besucherinnen entgegen. Sachspenden sind ebenfalls gerne gesehen. Allerdings lautet hier die Regel: maximal eine Tasche voll und nichts, was kaputt oder dreckig ist.
Jeden Tag bis auf sonntags können Neugierige zum Stöbern vorbeikommen. Und anders als in den Läden der Hamburger Innenstadt ist hier kein stundenlanges Anstehen nötig. So wird nicht nur Geld, sondern auch Zeit gespart.
Umsonstladen, Bodenstedtstraße 16, Öffnungszeiten: Montag 16 bis 18 Uhr, Dienstag 18.30 bis 20.30 Uhr, Mittwoch 16 bis 19 Uhr, Donnerstag 17 bis 19 Uhr, Freitag 10.30 bis 16 Uhr, Sonnabend 10 bis 22.30 Uhr.