Hamburg. Nach dem tragischen Tod des jungen Radfahrers in Groß Flottbek stellen Polizei und Unfallforscher das Geschehen am Aldi-Parkplatz nach.

  • Am Dienstag ist in Hamburg-Groß Flottbek ein 15-Jähriger tragisch ums Leben gekommen
  • Ein Lkw hatten den Jugendlichen erfasst und überrollt
  • Experten der Dekra und der Polizei waren wenig später am Unfallort

Nach dem tragischen Tod eines 15 Jahre alten Radfahrers, der am Dienstag im Stadtteil Groß Flottbek auf der Zufahrt zu einem Parkplatz von einem Lastwagen erfasst und überrollt wurde, waren am Tag nach der Tragödie noch einmal Experten der Prüfgesellschaft Dekra und der Polizei am Unfallort. Sie stellten die Unfallsituation nach, die am Dienstagnachmittag zum Tod des Jugendlichen geführt hatte. Der 15-Jährige ist der siebte Radfahrer, der in diesem Jahr auf Hamburgs Straßen ums Leben kam.

Es geht um Erkenntnisse und Daten für die Unfallforschung und die Frage, ob der Lastwagenfahrer den Jugendlichen aus seiner Position überhaupt hätte sehen können. Dafür wurde die kurze Strecke am Mittwochnachmittag noch einmal mit dem Lkw abgefahren. Mit dabei waren auch Polizisten der Verkehrsdirektion, insbesondere Beamte, die sich speziell mit Schwerlastverkehr beschäftigen.

Tödlicher Unfall: Experten stellen Geschehen an der Osdorfer Landstraße nach

Gegen 15.30 Uhr hatten die Vorbereitungen begonnen. An die Fahrbahn wurden Markierungen aufgebracht. Gegen 17 Uhr begann man damit, mit dem Unfalllaster, der über Nacht auf dem Parkplatz gestanden hatte, noch einmal die letzten Meter vor der Kollision abzufahren. Vor Ort war auch das beschädigte Fahrrad, auf dem der 15-Jährige gefahren war, als er von dem schweren Fahrzeug erfasst wurde.

Stück für Stück fuhr der Laster die Strecke ab und blieb immer wieder stehen. Gleichzeitig wurde das Fahrrad in verschiedene Positionen gebracht und geschaut, ob man dieses von der Position des Fahrers aus dem Führerhaus heraus hätte sehen können. Für diesen Teil der Rekonstruktion wurde die Osdorfer Landstraße noch einmal stadteinwärts für den Verkehr gesperrt.

Für die Rekonstruktion wurde die Osdorfer Landstraße am Mittwochnachmittag stadteinwärts für den Verkehr gesperrt.
Für die Rekonstruktion wurde die Osdorfer Landstraße am Mittwochnachmittag stadteinwärts für den Verkehr gesperrt. © Michael Arning | Michael Arning

Bereits bei der Unfallaufnahme am Dienstag wurden der Hergang und die verkehrliche Situation – im Bereich der Einfahrt befindet sich auf der Osdorfer Landstraße eine Baustelle – mithilfe eines Sachverständigen und Kriminaltechnikern sowie durch Lasertechnik genaustens rekonstruiert. Dabei kam auch ein 3D-Scanner zum Einsatz, der die Unfallstelle und die Stellung der Fahrzeuge zum Unfallzeitpunkt exakt abbildete. Die Technik erfasst kleinste Details im Bereich des Messortes. Im Rahmen der Unfallaufnahme hatte auch der Polizeihubschrauber „Libelle“ aus der Luft Fotos gemacht.

Unklar war am Mittwochnachmittag allerdings noch, ob das Fahrzeug einen Abbiegeassistenten hatte oder nicht.

Der 67 Jahre alte Fahrer durfte nicht auf den Parkplatz abbiegen

Als sicher gilt jedoch, dass der aus dem Bereich Rostock stammende, 67 Jahre alte Lkw-Fahrer mit dem Sattelzug nicht auf den Parkplatz hätte einbiegen dürfen. Ein Schild untersagt die Zufahrt schwerer Fahrzeuge. Lediglich kleinere Transporter mit einem Gesamtgewicht von maximal 3,5 Tonnen dürfen auf den Parkplatz des dortigen Discounters fahren, neben dem mehrmals in der Woche der Groß Flottbeker Wochenmarkt stattfindet.

Ein Sachverständiger der Dekra guckt sich den Unfallhergang vor dem Parkplatz des Discounters an der Osdorfer Landstraße gemeinsam mit weiteren Experten noch einmal genau an.
Ein Sachverständiger der Dekra guckt sich den Unfallhergang vor dem Parkplatz des Discounters an der Osdorfer Landstraße gemeinsam mit weiteren Experten noch einmal genau an. © Michael Arning | Michael Arning

Warum der Lastwagenfahrer dort einbiegen wollte, blieb zunächst ebenfalls unbekannt. Der Hänger des Fahrzeugs war weitgehend leer. Ansonsten hatte er eine Metalltreppe transportiert.

Bruder sah Unfall mit an, Mutter psychologisch betreut

Der Unfall hatte nicht nur Zeugen, sondern auch Polizisten geschockt. Es hatte mehrere Stunden gedauert, bis der tote Radfahrer geborgen werden konnte. Mehrere Beamte und Zeugen wurden psychologisch betreut. So auch die Mutter des getöteten 15-Jährigen, die zum Unfallort gekommen war. Nach Abendblatt-Informationen musste der zehn Jahre alte Bruder des Opfers den Unfall mitansehen.

Die Tragödie nahm aber auch viele Menschen mit, die nur von dem Unfall gehört hatte. Bis zum Mittwochnachmittag hatten bereits viele Trauernde Blumen an der Unfallstelle abgelegt oder Kerzen aufgestellt.

Trauernde legen am Unfallort Blumen ab und stellen Kerzen auf.
Trauernde legen am Unfallort Blumen ab und stellen Kerzen auf. © Michael Arning | Michael Arning

Es ist der dritte Verkehrsunfall in diesem Jahr in Hamburg, bei dem ein Radfahrer von einem abbiegenden Lastwagen erfasst und getötet wurde. Ende Januar wurde an der Überseeallee eine Radfahrerin (33), die auf dem Weg zu einem Kindergarten war, von einem Laster überfahren. Beide hatten dieselbe Fahrtrichtung. Die junge Mutter wurde erfasst, als der Muldenkipper in die Osakaallee abbog.

Bereits der dritte Lkw-Unfall in diesem Jahr, bei dem ein Radfahrer getötet wurde

Anfang Juni starb ein 62 Jahre alter Radfahrer, als er am Veddeler Bogen Ecke Georgswerder Ring von einem nach rechts abbiegenden Laster erfasst wurde. Lkw und Fahrradfahrer waren auch in dem Fall in dieselbe Richtung unterwegs gewesen.

Vier andere Radfahrer kamen bei Eigenunfällen ums Leben. In einem Fall erlitt ein 40-Jähriger tödliche Kopfverletzungen, als er an der Schnackenburgallee in angetrunkenem Zustand mit seinem Fahrrad Kunststücke machen wollte. Die drei anderen Radfahrer, alles ältere Männer, starben im Zusammenhang mit Stürzen.

Tödliche Unfälle in Hamburg – auffallend oft sind Lastwagen beteiligt

Auffallend oft, bei sieben der 18 Verkehrsunfälle, bei denen in diesem Jahr unmittelbar oder kurz danach Menschen auf Hamburgs Straßen starben, waren jedoch große Fahrzeuge wie Lastwagen, aber auch ein Linienbus beteiligt.

Für Aufsehen sorgte der Tod eines sieben Jahre alten Jungen Anfang April in der HafenCity. Er war im Bereich der Kreuzung Brooktorkai Ecke Osakaallee vor den Augen von Familienangehörigen von einem Linienbus erfasst worden. Das Kind war mit seiner Mutter, seiner Oma und seinem größeren Bruder als Tourist in Hamburg gewesen. Der Junge ist einer von vier Fußgängern, die dieses Jahr in Hamburg unmittelbar bei einem Verkehrsunfall getötet wurden.