Hamburg. Die kleinen Leckerbissen haben in diesem Jahr gute Bedingungen. Sogar in der City wird man fündig. Das rät ein Experte.
Das Wetter ist nichts für echte Sommerfans, dafür freut sich vielerorts die Natur über den vielen Regen. Wie die Hamburger Wälder, die sich nach den trockenen Jahren nun wieder erholen. Auch Pilze profitieren von der feuchten Witterung.
Viele Steinpilze und einzelne Maronen sprießen bereits. Und selbst in der Großstadt lassen sich die Leckerbissen entdecken.
Tipps vom PilzCoach: Nach dem Regen sprießen Pilze – wo man sie in Hamburg findet
Beim Treffen mit Sebastian Lauer im Volkspark wird schnell deutlich, wie viele der Erdbewohner bereits in diesen Tagen auf dem Waldboden zu finden sind. Der Hamburger ist PilzCoach der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGFM).
So darf sich nennen, wer eine entsprechende Ausbildung der DGFM absolviert hat und über das Zertifikat verfügt – das ist eine Stufe unter dem Pilzsachverständigen, der ein größeres Wissen hat und die Giftnotzentrale unterstützt.
Schon mit seinem Großvater war Sebastian Lauer in der Natur unterwegs – und beide kamen oft mit gut gefülltem Korb nach Hause.
Pilze finden in Hamburg: Nach dem Regen sprießen sie
„Etwa eine Woche nach dem Regen ist ein guter Zeitpunkt, um Pilze zu finden“, weiß der Experte. Die Lebewesen, die ein eigenes Reich zwischen Pflanzen und Tieren bilden, brauchen fünf bis sieben Tage, um auf eine Größe zu kommen, bei der sich das Sammeln lohnt.
Bei Facebook meldeten sich oft Leute, die im Harz erste Pilze finden, sagt Lauer über den Anfang der Saison im Sommer, dann gehe es mit etwas Verzug auch hier im Norden los: so etwa zwei bis drei Wochen später sei dann in und um Hamburg das Suchen angesagt.
Derzeit finde er besonders viele Sommersteinpilze, freut sich Lauer. „Seit ich sieben bin, gehe ich sammeln, doch so viele dieser Pilze habe ich noch nie in einer Saison gefunden“.
Pilze mit Schwamm: Mit Röhrlingen auf der sicheren Seite
Steinpilze gehören wie die Maronen zu den Pilzen mit einem Schwamm unter der Kappe, also zu den Röhrlingen. „Die perfekten Anfängerpilze, denn bei dieser Gattung gibt es zwar giftige, aber keine tödlich giftigen Arten“, sagt Lauer zu dieser Gruppe - anders als bei den Lamellenpilzen.
Grundsätzlich gilt: „Niemals Pilze mitnehmen, die man nicht kennt“, betont der PilzCoach. Auch wichtig: „Alte Pilze nicht sammeln, wenn man die Kappe leicht eindrücken kann – und sich dort eine Delle bildet“, sagt Lauer, denn dann habe der Zersetzungsprozess schon begonnen. „90 Prozent der Pilzvergiftungen gehen auf den Verzehr von alten Pilzen zurück, danach folgen die Giftpilze“, weiß der Familienvater, der mit seiner Frau und zwei Kindern in Stellingen wohnt.
Seit Corona haben die Menschen die Natur wiederentdeckt
Bis zu seinem neunten Lebensjahr ist Lauer in Polen aufgewachsen, dort ist das Sammeln von Pilzen „Hobby Nummer eins“, sagt der 39-Jährige lachend, aber auch hier komme das Interesse zurück. „Vor allem, seitdem während der Corona-Pandemie die Leute wieder mehr in der Natur unterwegs sind“.
Lauer gibt sein Wissen besonders gerne an Kinder und Jugendliche weiter und ist als Pilzcoach bisher auf Kindergärten und Schulen spezialisiert, hier betreibt er Aufklärung bei den Kleinsten. Schon mit sieben Jahren ist ein Kurs zum Junior-Coach möglich, eine Tochter Lauers gehört bereits zu diesen kleinen Pilzkennern.
Pilzsachverständige geben Rat zu „giftig“ und „ungiftig“
Im Herbst steuert Lauer dann auf die Prüfung zum Pilzsachverständigen zu. Mit diesem Titel darf er selbst alle Exemplare bestimmen und sie für interessierte Sammler, die sich unsicher sind, in „giftig“ und „ungiftig“ einteilen. Rat finden Hamburger derzeit bei den DGFM-Experten in der Region.
Und wo finden sich die meisten Pilze?
„Steinpilze häufig an Lichtungen, am Waldrand, wo eben auch etwas Licht auf den Boden fällt“, sagt Lauer. Besonders Moos sei ein guter Grund, denn es binde die Feuchtigkeit, die Pilze zum Wachstum benötigten. Arten wie Steinpilze bildeten eine Symbiose mit einem Baum, über die Wurzeln und das Myzel tauschten die Partner Nährstoffe aus.
Häufige Partner von Steinpilzen seien Buchen und Eichen. Es gibt auch ganz besondere Spezialisierungen: So finde man Goldröhrlinge nur unter Lerchen.
Mischwälder bieten große Vielfalt an Pilzen
In Mischwäldern gebe es zudem die größte Vielfalt an Pilzen, „häufig tut es aber auch der Vorgarten“, sagt Lauer, der gefundene Pilze meist herausdreht und das Loch wieder schließt, damit das Myzel nicht austrocknet. Nicht sammeln darf man indes in Naturschutzgebieten und nur ein bis zwei Kilo pro Kopf und Tag.
Aufbewahren sollte man Pilze im Kühlschrank, dann halten sie zwei bis drei Tage. In 0,5 Zentimeter dicke Scheiben geschnitten, kann man Pilze aber auch trocknen, bei 50 Grad im Backofen. Aus dem Wald mitzunehmen erlaubt sind in Deutschland 1,5 bis zwei Kilo pro Kopf.
Sammeln im Volkspark: Auch mal die großen Wege verlassen
Beim Gang durch den Volkspark mit seinen kleinen und großen Sichtachsen rät Lauer, die kleinen Pfade einzuschlagen und ein paar Meter von den Wegen entfernt zu suchen. Auf diese Weise habe er im Totholz im vergangenen Jahr etliche Exemplare der Krausen Glucke gefunden, einen schmackhaften, etwas ungewöhnlich aussehenden Pilz, der wegen seiner Verästelungen beim Putzen aber etwas Geduld erfordert.
Neben Röhrlingen sammeln viele Pilzfans auch den Parasolpilz, einen großen Pilz, der einem Sonnenschirm ähnelt, daher sein Name. Der Stiel ist immer genattert und an der Basis verdickt, knollenartig. Zusätzlich hat der Parasolpilz immer einen doppelten, verschiebbaren Ring. Den auch Riesenschirmling genannten Pilz könne man auch jung sammeln und in ein Glas Wasser stellen, sagt Lauer, dann entfalte sich in wenigen Tagen zu Hause der Schirm. Aber Vorsicht: Es gibt kleine giftige Schirmlinge, die mit dem Parasol verwechselt werden könnten.
Hallimasch und Champignons lieber stehen lassen
Von Hallimasch und Champignons rät Lauer dagegen ab. Der Hallimasch gehöre zu den Nachkriegspilzen, viele bekommen Magenbeschwerden davon. Heute sei es nicht mehr nötig, dieses Risiko einzugehen.
Bei Champignons bestehe nicht nur die Gefahr der Verwechslung, etwa mit dem giftigen Knollenblätterpilz, warnt Lauer, „außerdem saugen sie die Schwermetalle an wie ein Staubsauger“.
Man sollte die Funde grundsätzlich immer 15 Minuten lang erhitzen, denn viele essbare Pilze sind roh giftig – und nebenbei wird auch der eventuell vorkommende Bandwurm getötet. Sammler sollten Exemplare, die sie nicht kennen, komplett aus dem Boden mitnehmen und nicht abschneiden, im Korb oder Stoffbeutel separieren, in einer Dose etwa, und damit zum Pilzsachverständigen gehen. „Nicht in Plastiktüten sammeln“, rät Lauer, „da staut sich die Wärme.“
Wissen um Pilze wächst immer weiter
Im Volkspark bückt sich Lauer neben dem Weg zu einem kleinen Zunderschwamm, „den hat schon Ötzi mitgehabt“, sagt der Coach über einen hellen Baumpilz, der nicht essbar ist, aber zum Feuermachen dient.
Das Wissen, das bereits seit Tausenden Jahren existiert, und das auch immer weiter anwächst, ist Lauers größte Motivation für sein Hobby. „Und wir sind eben Sammler und Jäger, das ist so ein Urding“. Allerdings rät er, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben.
Eher nicht mit Apps, die könnten nur eine zusätzliche Hilfestellung geben – sondern mit Fachliteratur. „Aber man sollte keinen alten Pilzbüchern vertrauen“, sagt Lauer.
Pilzsammler sollten den Kahlen Krempling und den Grünling meiden
Früher habe man manche Dinge nicht gewusst, und bestimmte von den Großeltern zum Sammeln empfohlene Pilze wie der Kahle Krempling oder der Grünling gelten heute als Giftpilze. Und zwar nicht, weil sie unmittelbar nach dem Verzehr zu Beschwerden führen, sondern weil sich das Gift im Körper ablagert.
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Lauer gibt sein Wissen gerne weiter, auf zahlreichen Führungen, außerdem ist der Kaufmann für Groß- und Außenhandel liebend gerne in der Natur unterwegs. Ob im Klövensteen, im Volkspark oder im Niendorfer Gehege, selbst im Hamburger Stadtgebiet könne man Pilze finden, sagt Lauer, der zudem das ganze Jahr über lohnende Funde macht. „Nicht nur im Herbst, auch im Frühjahr, wenn Morcheln Saison haben, oder im Winter, wenn es Austernpilze und Judasohren gibt.“