Wedel. Obstanbau an zweiter Stelle: Als „Wiesenralle“ möchte der Pächter die Wedeler Wiese zum Erlebnis wandeln. Das sind seine Pläne.

Der Wachtelkönig ist ein Vogel, der auch Wiesenralle genannt wird. Ralph Dieckmann nennt sich ebenfalls Wiesenralle. Allerdings ist er ein Mensch, der als Pächter der Streuobstwiese in Wedel auf dem circa einen Hektar großen Grundstück am Deich nahe der Elbe am Marinedamm 1 neuen Schwung auf das Areal bringen möchte.

Oft seien klassische Streuobstwiesen allein dem Obstanbau vorenthalten – Besucher zahlen Geld oder dürfen sogar kostenfrei Obst für den Eigenbedarf einsammeln. Die Streuobstwiese Wedel soll mehr als das sein. „Wir wollen die Streuobstwiese zu einer Wohlfühl-Oase machen und Themen angehen, die zusätzlich einen positiven gesellschaftlichen Aspekt haben“, sagt er.

Wedel: Komischer Vogel will Streuobstwiese zur Wohlfühl-Oase machen

Etwa die Integration. „Mit Migranten haben wir direkt vor Ort Saft gepresst“, so Dieckmann. Die anwesenden Syrer hätten von Obst und Anbau mehr Ahnung gehabt, als er selbst. „In meiner Vorstellung war Syrien eher von Wüstenlandschaften geprägt. Da habe ich echt gestaunt“, sagt Dieckmann. Es sei schön, wenn solche festgefahrenen, falschen Bilder im eigenen Kopf korrigiert würden.

Parallel ist Dieckmann Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Streuobstwiese Apfelsortenvielfalt Wedel, der seinen Teil zur Förderung und zum Erhalt von Streuobstwiesen in Schleswig-Holstein beitragen möchte.

Streuobstwiese in Wedel: Verein hat mittlerweile 50 Mitglieder

Mittlerweile gibt es 50 Mitglieder. Trotz Corona-Pandemie stiegen die Mitgliederzahlen deutlich an. Menschen sollen sich auf der Streuobstwiese im Einklang mit der Natur in entspannter Atmosphäre untereinander besser kennenlernen. Das Motto ist: „Natürlicher Genuss für alle Sinne.“

Streuobstwiese Wedel: Der Vorsitzende Ralph Dieckmann möchte im Einklang mit der Natur eine „Wohlfühl-Oase“ schaffen.
Streuobstwiese Wedel: Der Vorsitzende Ralph Dieckmann möchte im Einklang mit der Natur eine „Wohlfühl-Oase“ schaffen. © Frederik Büll

Das Image der „klassischen Streuobstwiese“ soll endgültig abgelegt werden. „In erster Linie ist das hier einfach eine wunderschöne Naturlandschaft“, sagt der gebürtige Wattenscheider, der 2011 – der Liebe wegen – in den Norden gezogen ist.

Wedel: „Wiesenralle“ sucht Helfer auf der Streuobstwiese

Die unkomplizierte, anpackende Art, gepaart mit mitreißendem, kumpelhaftem Charme hat der 54 Jahre alte „Wiesenralle“ sich auch in Wedel bewahrt. Regelmäßig, je nach Wetterlage, ist er auf dem Areal, um zu arbeiten. Wer ihn dabei unterstützen möchte, ist herzlich eingeladen: „Helfende Hände werden immer gebraucht.“

Streuobstwiese Wedel: Eine Hängematte lädt zum Verweilen in der Natur ein.
Streuobstwiese Wedel: Eine Hängematte lädt zum Verweilen in der Natur ein. © Privat

In Wedel soll, seitdem Dieckmann 2019 das Vorstandsruder übernommen hat, die Natur im Vordergrund stehen und nicht nur das Obst der gut 200 Bäume – größtenteils sind es Äpfel und Birnen, die angebaut werden, aber auch Quitten, Mirabellen, Renekloden wachsen dort.

Feierabendbierchen mit Ausblick: Auf der Streuobstwiese Wedel steht auch der Genuss hoch im Kurs.
Feierabendbierchen mit Ausblick: Auf der Streuobstwiese Wedel steht auch der Genuss hoch im Kurs. © Privat

Auch Walnuss- oder Haselnuss-Bäume haben eine Heimat. Die Wiese wird oft besucht von Rehen, Eichhörnchen und anderen Nagetieren. Kürzlich sei im Wassergraben sogar ein Fisch gesehen worden, berichtet Dieckmann.

Streuobstwiese Wedel: „Wir lassen alles weitgehend unberührt stehen“

„Auf unserer Streuobstwiese lassen wir weitgehend alles unberührt stehen oder wachsen. Bei anderen Wiesen geht es eher um den Ertrag. Und der ist deutlich höher, wenn etwa der Rasen großflächig gemäht ist. Dann ist die Luftzirkulation für die Obstbäume besser“, erklärt er.

Es gehe um die Schönheit der Natur – also um den Arten- und Klimaschutz, der unter anderem Kita-Kindern aus der Region bei Vorträgen nähergebracht werden soll.

Wedeler Streuobstwiese soll auch Bienen eine Heimat bieten

„Die Kinder sollen ja lernen, dass die Äpfel nicht bei Aldi wachsen. Für Erwachsene werden fachkundige Wildkräuterkurse oder auch Vorträge in der Blütenbiologie angeboten“, erzählt der Wedeler.

Auch Bienen fühlen sich in Wedel wohl. Es gibt einige Bienenvölker, die die Blüten bestäuben. Auch der Blütenhonig der Hetlinger Honig-Manufaktur entsteht auf der Streuobstwiese. Der Einsatz von Fungiziden und Pestiziden ist selbstverständlich streng verboten.

Kulturveranstaltungen in Wedel inmitten der Natur

Durch Kulturveranstaltungen wird die Streuobstwiese auch anders erlebbar gemacht. Das Angebot soll stetig wachsen. Am Sonntag, 6. August, tritt beispielsweise das Folk-Pop-Duo Tüdelband mit handgemachter Musik und plattdeutschen Texten auf der Wedeler Streuobstwiese auf (15 Uhr, 15 Euro Eintritt).

Schon in der jüngeren Vergangenheit hatte es – trotz Corona – an der frischen Luft Veranstaltungen wie kleinere Konzerte oder auch Lesungen gegeben.

Mire Buthmann und Malte Müller sind „Die Tüdelband“. Plattdeutsche Texte gibt es bald auch auf der Streuobstwiese auf die Ohren.
Mire Buthmann und Malte Müller sind „Die Tüdelband“. Plattdeutsche Texte gibt es bald auch auf der Streuobstwiese auf die Ohren. © Angelika Hillmer

Im September steigt das zweite Wedeler Streuobstwiesenfest

Es gibt auch Angebote anderer Art, etwa den Sensen-Kursus „Das Revival der Sense“ mit Lehrer Gunther Rodel, der den zuvor angemeldeten Teilnehmern am Freitag, 11. August, alles über das Dengeln, Schärfen und Mähen erklärt. Am 16. und 17. September gibt es das Wochenende über beim zweiten Wedeler Streuobstwiesenfest ein buntes Programm mit Führungen und gemeinsamem Singen am Lagerfeuer.

Das Tidenorchester Hamburg unterhielt auch schon das Publikum auf der Wedeler Streuobstwiese.
Das Tidenorchester Hamburg unterhielt auch schon das Publikum auf der Wedeler Streuobstwiese. © Privat

Ralph Dieckmann hat früh selbst einen Draht zur Natur gefunden. „Wir haben quasi direkt am Waldrand gewohnt und ich habe in meiner Kindheit viel Zeit im Wald verbracht. Da ist meine Naturverbundenheit entstanden. Noch heute finde ich es faszinierend, einfach in der Natur zu sitzen und alles zu beobachten“, sagt er.

Gerade erst hat er persönlich seine Faszination für Pilze entdeckt. Möglicherweise soll es auch über das Thema bald Vorträge gebe.

Wedeler Streuobstwiese: Dieckmann wollte aus „Hamsterrad“ ausbrechen

Dieckmann war einst als Berater für Firmen in den Bereichen betriebliche Altersvorsorge und betriebliches Gesundheitsmanagement tätig. Er wollte 2018 einfach raus aus diesem „Hamsterrad“ und eigene Projekte starten.

Es gibt auch eine Feuerstelle auf der Streuobstwiese Wedel. Auch das Grillen ist erlaubt. Das ist selten auf klassischen Streuobstwiesen.
Es gibt auch eine Feuerstelle auf der Streuobstwiese Wedel. Auch das Grillen ist erlaubt. Das ist selten auf klassischen Streuobstwiesen. © Privat

Unter anderem entstand eine E-Learning-Plattform für kindgerechte Natur-Themen, etwa für die Kita Hanna Lucas in Wedel. Hauptberuflich ist er in Teilzeit bei der AWO Tagespflege in Wedel angestellt und pflegt dort die Parkanlage.

Wedeler Streuobstwiese als Alternative zum Büro-Alltag

So ganz festgelegt scheint der Streuobstwiesen-Pächter in seinem Tätigkeitsfeld nicht zu sein. Und weitere Ideen gibt es einige: „Ich möchte auf der Streuobstwiese Relax-Tage für Firmen anbieten. Da wird dann zum Beispiel auch eigener Obstsaft gepresst“, so der Wiesen-Chef. Das Grillen sei, im Gegensatz zu anderen Streuobstwiesen, erlaubt.

Verzettelt er sich manchmal bei all den Ideen und Vorhaben? „Nein, mach’ ich nicht“, sagt Dieckmann und lacht. Weil er sich so gern engagiert, ist er auch im Förderverein Reepschlägerhaus in Wedel Beisitzer für Literatur und Musik.

Wedeler „Wohlfühl-Oase“ – Streuobstwiese ist im Wandel

Auf seine Initiative hin gibt es ebenfalls die Internetseite www.streuobstwiesennetzwerk.de, perspektivisch sollen dort möglichst viele Standorte bundesweit aufgeführt werden. Angestrebt wird eine Vernetzung und somit ein Austausch untereinander.

Finanzielle Förderung für die Streuobstwiese Wedel gibt es keine. Und das, obwohl solch ein schützenswertes Habitat einen wirkungsvollen Beitrag für die Natur bietet. „Da hinkt Schleswig-Holstein Niedersachsen noch hinterher“, sagt Dieckmann.

Weitere Informationen: www.streuobstwiese-wedel.de