Hamburg. Mehr als 130 Jahre altes Gebäude in Iserbrook könnte der Magistralen-Bebauung zum Opfer fallen. Dramatischer Appell.
In Blankenese und Iserbrook wächst der Unmut gegen die vom Senat forcierte sogenannte Magistralen-Bebauung – also die Nachverdichtung der vergleichsweise spärlich bebauten Grundstücke, die unmittelbar neben den großen Hauptverkehrsachsen liegen. Aktueller Anlass ist die Sorge um das einstige Waldhotel in Iserbrook, das unmittelbar an der Kreuzung Schenefelder Landstraße/Osdorfer Landstraße liegt.
Der Blankeneser Bürgerverein sieht dieses aus seiner Sicht historisch bedeutsame Haus massiv in seinem Bestand gefährdet und kämpft – mittlerweile gemeinsam mit dem Bürgerverein von Iserbrook – um dessen Erhalt.
Immobilien Hamburg: Drohender Abriss in Iserbrook – Bürgervereine kämpfen für Erhalt
Eine Gruppe um die Blankeneser Architektin Jutta von Tagen hat bereits eine entsprechende Eingabe beim Planungsausschuss der Bezirksversammlung Altona vorgelegt. Energisch unterstützt wird sie vom Vorsitzenden des Blankeneser Bürgervereins, Stefan Bick, der die Eingabe mitunterzeichnet hat.
Schon länger wird kritisiert, dass im Zuge der Magistralen-Bebauung im Hamburger Westen auch historische Bausubstanz zerstört werde. „Die Mitglieder des Blankeneser Bürgervereins und die Bewohner der Stadtteile Iserbrook, Sülldorf und Osdorf machen sich große Sorgen um die städtebauliche Entwicklung an der Sülldorfer und Osdorfer Landstraße in Bezug auf die undifferenzierte Entwicklung der ,Magistralen‘“, heißt es entsprechend in dem Antrag.
„Es ist fünf vor zwölf“, so Jutta von Tagen zum Abendblatt, „eines der letzten Zeugnisse aus der Vergangenheit Iserbrooks darf nicht zerstört werden.“
Waldhotel Iserbrook: Aktuell gibt es dort eine Pizzeria und eine Bäckerei
Aktuell befinden sich in dem Gebäude eine Pizzeria, die Filiale einer Bäckereikette und mehrere Wohnungen. Nach Abendblatt-Informationen soll für das Gelände ein Bebauungsplan-Verfahren eingeleitet werden, um dort eine deutlich verdichtete Bebauung zu ermöglichen.
Dabei werden für den Standort aktuell zwei gegensätzliche Möglichkeiten durchgespielt: Zum einen die Festsetzung eines Erhaltungsgebots, um die „städtebauliche Eigenart“ des Bereichs – also auch das alte Haus – zu erhalten. Zum anderen die Vorbereitung der rechtlichen Möglichkeit, dort eine eher hohe und dichte Bebauung zu errichten.
Hamburg-Iserbrook: Ehemaliges Waldhotel steht nicht unter Denkmalschutz
Nach Angaben von Jutta von Tagen und ihren Mitstreitern sei bei der jüngsten Sitzung des Planungsausschusses in der ersten Juliwoche eine Mehrheit für die zweite Lösung erkennbar gewesen. Festgelegt haben sich die Politikerinnen und Politiker aber noch nicht. Auch der Vorschlag, das Haupthaus zu erhalten und lediglich einen Anbau an der Nordseite abzureißen, wird aktuell erwogen.
Nach Mitteilung des Bezirksamts komme die Unterschutzstellung des Gebäudes als Denkmal nicht infrage, weil es in der Vergangenheit mehrmals umgestaltet wurde.
Bedrohtes Waldhotel wurde schon 1892 erbaut und wirkt äußerlich kaum verändert
„Muss aber ein Bauwerk denkmalschutzwürdig sein, um erhalten zu werden?“, fragt Jutta von Tagen rhetorisch. „Man sollte doch auch erkennen, dass Geschichte nicht nur etwas Vergangenes ist, sondern ein dauerhaftes Ereignis, das die Orte und die Menschen prägt, ihnen Identität und Bedeutung gibt.“
Das Waldhotel (mit Tanzsaal, Café-Restaurant und „Pensionat“) wurde 1892 in der damals noch kaum bebauten, baumreichen Gegend erbaut und ist von der Anmutung – abgesehen von einigen Modernisierungen – im Wesentlichen unverändert.
Entsprechend wendet sich der Bürgerverein auch gegen den Abriss des Anbaus, der ebenfalls sehr alt ist.
Initiative appelliert: Es geht auch um das Ortszentrum von Iserbrook
„Mit den Gebäuden der gegenüberliegenden Apotheke, der denkmalgeschützten Villa Traun und dem Gelände des Buchenhofwaldes bilde das Hotel ein wichtiges historisches Ensemble für die Menschen vor Ort und für Hamburg“, heißt es in der Eingabe des Blankeneser Bürgervereins.
Das Ortszentrum von Iserbrook mit Supermarkt und kleinen Einzelhandelsgeschäften sei von den Bewohnern sehr gut angenommen worden, und das müsse auch so bleiben. Die Eingabe gipfelt in dem Appell: „Wir fordern die Verantwortlichen auf, die gewachsenen Strukturen zu erhalten, zu schützen und in die zukünftige Planung zu integrieren.“ Es bestehe die Möglichkeit, „diesem Haus viele weitere Jahre der Existenz zu ermöglichen und einen Mittelpunkt Iserbrooks zu erhalten“.
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Altona: Bezirksamt mahnt zur Geduld – noch ist nichts entschieden
Der Sprecher des Altonaer Bezirksamts, Mike Schlink, mahnt zur Geduld. „Der Planungsausschuss hat in seiner Sitzung im Juli einvernehmlich beschlossen, dass erst nach Abschluss des gutachterlichen Verfahrens für diesen Abschnitt der Magistrale über den Bebauungsplan-Entwurf und den Umgang mit dem Gebäude Schenefelder Landstraße 190 weiter beraten wird“, sagt Schlink.
Aktuell gebe es also keine Entscheidung und noch nicht einmal eine Beratung.
Immobilien Hamburg: Einstiges Waldhotel wird bereits zum Kauf angeboten
Allerdings wird der Gebäudekomplex im Internet bereits zum Kauf angeboten. „Die großzügigen Park- und Außenflächen erlauben eine kundenfreundliche Nutzung der gesamten Einheit, die sich zu einem Fachmarktzentrum mit dem benachbarten Lidl-Markt ergänzt“, heißt es dort.
Und weiter: „Das Objekt unterliegt der Magistralen-Stadtplanung mit einem erheblichen Potenzial für einen umfangreicheren Bebauungsplan.“ Bewertet wird das Ensemble laut Exposé mit sieben Millionen Euro.