Hamburg. Thomas Dippel arbeitete in Sterneküchen und auf Luxusyachten für Superreiche. Heute kocht er für mehr Menschen denn je.
Thomas Dippel verköstigt von seinem Studio im Bezirk Hamburg-Altona aus mehrmals wöchentlich fast eine halbe Million Menschen. Dafür benötigt er weder Lkw-Ladungen mit Zutaten noch überdimensionierte Töpfe. Nein, Thomas Dippel kocht und backt eher in kleinen als rauen Mengen. Jedoch filmt er sich dabei und erfreut, inspiriert oder begeistert derzeit rund 460.000 Abonnenten seines YouTube-Kanals „Thomas kocht“.
Seit mehr als sieben Jahren schnippelt und brät, knetet und blanchiert der gebürtige Marburger online. Was als Werbevideo für seine Tätigkeit als Privatkoch begann, verselbstständigte und professionalisierte sich, bis Dippel im vergangenen Jahr letztlich sein privates „Küchenstudio“ verließ und seine Videos seitdem in angemieteten Räumlichkeiten im Stadtteil Bahrenfeld dreht.
YouTube: „Thomas kocht“ in Hamburg von aufwendig bis kinderleicht
Seit wenigen Monaten beschäftigt der nunmehr Vollzeit-YouTube-Koch sogar eine Angestellte, die ihm bei Schnitt und Aufbereitung der etwa zwei neuen Kochvideos pro Woche hilft.
Fündig werden bei „Thomas kocht“ alle – egal ob es die schnelle Feierabendküche, die perfekte Hollandaise, der Lamm- wie auch vegane Braten oder das Sauerteigbrot sein soll. Dippel kocht sich durch die Küchen der Welt, von aufwendig bis kinderleicht, von 14 Stunden Gehzeit bis Fünfminuten-Zucchinipfanne.
„Wer es lauter mag, der ist bei mir wahrscheinlich nicht richtig“, sagt der gelernte Koch. Er erklärt mit fachmännischer Ruhe „und auch immer sehr ausführlich.“ Obwohl Netznutzer tendenziell immer kürzere Formate à la TikTok und Instagram zu präferieren scheinen, lohnt es sich, Dippels Videos zu schauen.
YouTuber aus Hamburg: „Kochen kann ich doch überall“
Gelinggarantie ist hier das Stichwort. Denn Dippel verrät jene Handgriffe der Profis, die dafür sorgen, dass der Teig eben nicht klebt, der Käsekuchen wie bei Oma schmeckt oder die Hollandaise wirklich ohne Klumpen gelingt.
Als „gutbürgerlich-einfache Küche, aber eben selbst gemacht und mit schönen Produkten – einfach und lecker“ beschreibt Dippel seinen Stil. So bodenständig-bescheiden hat er nicht immer gekocht. Denn bevor er sich mit seinem YouTube-Kanal selbstständig machte, arbeitete Dippel unter anderem in Sterneküchen und auf Luxusyachten.
Aber von vorn: Er habe außergewöhnlich früh begonnen zu kochen, erzählt Dippel. Sein erstes, ganz simples Mini-Dreigängemenü habe er seinen Eltern bereits als Kind vorgesetzt. Die Kochlehre nach seinem Abitur ist daher als notwendige Konsequenz zu begreifen.
Außerdem zog es den Naturmenschen schon immer hinaus in die Welt. Er tingelte durch Kanada, Costa Rica, Guatemala – bis ihm das Geld ausging. Da dachte Dippel sich: „Kochen kann ich doch überall, denn Restaurants gibt es wie Sand am Meer.“
So brachte er seine beiden Leidenschaften, das Kochen und das Reisen, unter einen Hut und verdingte sich in den Küchen der Welt. „Spanien, Frankreich, Schweiz, Neuseeland“, zählt er auf, „und dann ging’s irgendwann auf die Schiffe.“
Thomas Dippel kochte auf Luxusyachten für Superreiche
Drei Jahre lang kochte Dippel unter Deck auf Luxusyachten. In der Sommersaison schipperten die Charterboote meist durch das Mittelmeer: „Saint-Tropez, Monaco – da ist man dann ständig“, sagt er mit einem Augenzwinkern.
Im Winter kredenzte er den Wohlhabenden ihre Menüs in den Wassern der Karibik oder Asiens. „Das Problem ist dort natürlich, an Lebensmittel zu kommen. Im Mittelmeer ist alles auf die Yachten ausgelegt. Aber in Burma stand ich dann plötzlich bei 40 Grad auf einem Markt“, erinnert er sich.
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Die Kehrseite der Medaille: Der Job als Schiffskoch ist knochenhart. In der Sommersaison arbeitete Dippel oft an sieben Tagen in der Woche, jeweils vom frühen Morgen bis spät in die Nacht. „Irgendwann, habe ich gedacht, muss ich ja den Absprung finden. Auf einem Schiff ist man doch sehr in seiner eigenen Welt“, sagt er.
Also beschloss Dippel, das Seeleben hinter sich zu lassen und seinen geistigen Horizont noch etwas zu erweitern. Es folgten Lehrjahre an der Hotelfachschule in Heidelberg und der Deutschen Wein- und Sommelierschule in Hamburg.
Hier, in der Hansestadt, packte Dippel zum ersten Mal so richtig seinen Koffer aus, sagt er – und hat Hamburg seitdem nicht mehr verlassen. Sein ursprüngliches Ansinnen, hier ein eigenes Restaurant zu eröffnen, war ihm letztlich zu risikoreich, zumal: „Für mich ist Koch kein Beruf, um in einem Laden bis zur Rente zu arbeiten“, sagt er.
„Thomas kocht“-Kanal ursprünglich Mittel zum Zweck
Deshalb machte Dippel sich, nachdem er kurzzeitig die Weinbar Pius geleitet hatte, als Privatkoch selbstständig und sprang in Küchen ein, die gerade Bedarf hatten. Um seine Fähigkeiten zu bewerben, drehte er ein Video mit dem Titel „Brot selber backen: Brot mit einer genialen Kruste“ und lud es bei YouTube hoch: „Im Prinzip war das ein Mittel zum Zweck, um Verkehr auf meine Website zu bekommen.“
Doch das Video lief und läuft – nun, ja – wie geschnitten Brot, und Dippel investierte fortan mehr und mehr seiner Zeit in den YouTube-Kanal. Als dann auch noch die Corona-Pandemie hereinbrach, Restaurants reihenweise schlossen und viele Menschen das Kochen und Backen wieder für sich entdeckten, wusste er: Alles richtig gemacht.
Hamburger Koch Thomas Dippel verrät Rezepte und gibt Tipps auf YouTube
Über die Zeit brachte Dippel sich Grundwissen zu Kameratechnik und Videoschnitt bei, selbstverständlich mit Youtube-Erklärvideos, und professionalisierte sich zunehmend. Er schrieb zwei Bücher, ein drittes ist in der Mache, veröffentlichte einen Soßen-Kochkurs und sammelte nebenbei Hunderttausende Abonnenten.
„Es muss nicht immer kompliziert sein“, sagt er. Zwanghaftes Innovativsein und das „Trallala“ mancher Sterneküche ist nicht sein Metier. Den Menschen Genuss zu lehren, ihren Sinn für frische Zutaten zu schärfen und die Angst davor zu nehmen, mit unverarbeiteten Lebensmitteln zu kochen, das ist Dippels Mission – und Erfolgsrezept. Obwohl er mittlerweile niemandem mehr eine Speise vorsetzt, kocht er heute für mehr Menschen denn je.