Hamburg. Was wird aus dem besonderen Bauwerk in Bahrenfeld, wenn dort neu gebaut wird? Das sagen Denkmalamt und Bezirkspolitiker.

Sie gehört zu den letzten Zeugnissen, die noch an die Zeit erinnern, als Bahrenfeld ein wichtiger Industriestandort war: Die hübsch verzierte Brücke mit der Aufschrift „Altes Gaswerk“, die – zurzeit mit Graffiti verschmiert – etwas sinnverloren quer über die Gasstraße führt.

Sorge um seltene Brücke – bekannte Hamburger Agentur hat Baupläne

Wie berichtet, laufen an ihrem südlichen Ende an der Ecke Gas- und Daimlerstraße erste Vorbereitungsarbeiten, denn bis 2025/26 wird das lange leer stehende Filet-Grundstück aufwendig bebaut. Auf dem circa 11.000 Quadratmeter großen Grundstück wird der neue Firmensitz der FischerAppelt-Gruppe, einer bekannten Hamburger Agentur, errichtet.

In der Gegend fragen sich jetzt viele: Bedeuten die Arbeiten auch das baldige Ende des Bauwerks – oder wird sie restauriert und in irgendeiner Form in das Großprojekt integriert. Auch Abendblatt-Leserinnen und -Leser sorgen sich um die Brücke. Marianne Kurzer vom Denkmalamt gibt auf Nachfrage Entwarnung: „Die Brücke steht unter Denkmalschutz und muss erhalten werden.“

Brücke an der Gasstraße – eine der ältesten ihrer Art in Hamburg

Und Kurzer liefert einen interessanten Einblick in die Geschichte dieser sogenannten Industriebahnbrücke. Sie stammt bereits von 1896 und gehört damit zu den ältesten erhaltenen Stahl-Bahnbrücken dieser Bauart in ganz Hamburg. Erstaunlich ist das schöne Äußere der Brücke, die mit ihren verschnörkelten Stilelementen wie ein kleines Kunstwerk wirkt.

„Die Stahlstützen sind wie Säulen gestaltet und mit Blattkapitell geschmückt“, erläutert Kurzer. „Diese aufwendige Gestaltung ist ungewöhnlich, vor allem bei einer Brücke, die lediglich zum Anschlussgleis des Gaswerks führte.“ Denn so war es einst.

Seltene Brücke in Bahrenfeld – früher für Steinkohle-Transport

Von der Station Bahrenfeld zweigte ein Werksgleis ab und erreichte über die Brücke das Gaswerk, das 1896 in Betrieb gegangen war und dem die Gasstraße ihren Namen verdankt. Über die Brücke wurde Steinkohle zum Gaswerk transportiert. Die entsprechenden Waggons konnten direkt an die hochgebauten Kohlenbunker beziehungsweise Befeuerungsanlagen herangefahren werden.

Der Clou war eine doppelte Nutzung: Über eine Drehbühne konnten die Waggons auch auf das Niveau des Werkshofs, wo sich ebenfalls Gleise befanden, hinuntergelassen und auch wieder angehoben werden. Dann dienten sie auf dem Gelände für den Abtransport der Nebenprodukte, darunter Koks, Teer und Ammoniak, die bei der Gasherstellung anfielen.

Altonaer Gaswerk lag ganz früher am Ende der Großen Elbstraße

Das Gaswerk ersetzte das am damaligen Ende der großen Elbstraße eingerichtete erste, privatunternehmerisch betriebene Gaswerk in der Stadt Altona, das wegen massiven Platzmangels keine Erweiterungsmöglichkeiten mehr bot. Mit der Verlegung des Werks waren dann allerdings einige Schwierigkeiten verbunden: Während die Steinkohle das alte Werk direkt auf dem Wasserweg erreichte, musste sie für das neue Werk relativ umständlich auf Schienen weiterbefördert werden.

Das Gaswerk wurde in den 1910er- und 1920er-Jahren mehrmals erweitert, bevor man nach der Eingliederung Altonas nach Hamburg die Gasproduktion 1938 aufgab. In Teilen kriegszerstört wurde die Anlage bis zur Stilllegung in den 1950er-Jahren als Behälter- und Kompressor-Station weitergenutzt.

Historische Gebäude des alten Gaswerks wurden gerettet

Marianne Kurzer verweist darauf, dass vor Ort die Verbindung aus Altem und Neuem schon seit Jahren gelingt: Nach Zwischennutzung von Teilen der Anlage wurde Anfang der 1990er-Jahre das „Forum altes Gaswerk“ gegründet und es entstand nach und nach der „Otto von Bahrenpark“, ein Wohn- und Gewerbepark, bei dem, so Kurzer, „bewusst auf den Erhalt der historischen Prägung des Standorts gesetzt wurde“.

Die Brücke über die Gasstraße in Richtung Süden. Im Hintergrund ist die leere Fläche zu erkennen, die demnächst bebaut wird.
Die Brücke über die Gasstraße in Richtung Süden. Im Hintergrund ist die leere Fläche zu erkennen, die demnächst bebaut wird. © Matthias Schmoock (FMG)

Zum einen ist die Architektur der Neubauten an die alten Gebäude angelehnt, zum anderen konnte ein vergleichsweise großer Teil der historischen Gebäude mit neuer Nutzung erhalten werden – zum Beispiel als Designhotel Gas(t)werk.

Altonaer Politiker versprechen: „Wir retten die alte Brücke“

Neben der Hauptzufahrt von der Gasstraße stehen das historische Uhrenhaus (mit Gasmesseinrichtungen) und ein Verwaltungsgebäude. Auf der Ostseite gibt es zwei noch erhaltene Kohlenschuppen und den Kokslöschbunker von 1926/28.

Altonaer Bezirkspolitiker haben mittlerweile auch ein Auge auf die alte Brücke. „Die Brücke hat Charakter“, sagt der Bahrenfelder SPD-Abgeordnete Patrick Müller-Constantin. „Sie muss unbedingt erhalten bleiben und vielleicht kann sie sogar als stilvoller Übergang genutzt werden. Was wir hier brauchen, sind Visionen.“ Und die kulturpolitische Sprecherin der Altonaer CDU-Fraktion, Kaja Steffens, sagt. „Es ist wichtig, diese Brücke sinnvoll in die Neubauten zu integrieren. So, wie es in der Umgebung auch gelungen ist.“