Hamburg. Das Gebäude ist ein echter Hingucker. Unternehmer Conrad Meissler lässt den Bau mit großem Aufwand restaurieren.

Es ist ein Hingucker. Passanten fotografieren gelegentlich vor Ort, und Autofahrer verlangsamen immer wieder das Tempo, um einen kurzen Blick zu riskieren. Der ungewöhnliche Bau steht schon seit mehr als 170 Jahren an der Klopstockstraße schräg gegenüber der Christianskirche, aber erst seit Kurzem wird er so richtig wahrgenommen.

Das liegt zum einen daran, dass man Altonas kleinstes Wohnhaus paradoxerweise gar nicht (mehr) übersehen kann. An der Straßenfront rund zwei Meter breit, verjüngt sich der Bau in Richtung Rückseite sogar noch etwas, sodass das hintere Erdgeschosszimmer nur knapp 1,80 Meter breit ist. Rund 100 Quadratmeter Nutzfläche hat das Haus nur, nicht auszuschließen, dass auf einigen Hamburger Villengrundstücken deutlich größere Geräteschuppen stehen.

Besondere Immobilie: Altonas schmalstes Wohnhaus ist klein, aber fein

Zum anderen hat es das gewisse Etwas. Klein, aber fein. Den ersten Stock für sich genommen könnte man mit den relativ großen, weit nach unten gezogenen Fenstern und dem schönen Stuckelementen als klassizistische Mini-Villa irgendwo in einen Park in Elbnähe stellen – und alle wären begeistert. Hinzu kommt das freiliegende „Sichtfachwerk“ an der Westseite, das in dieser Gegend sehr selten ist.

Alles in allem erinnert das Haus auf diese Weise an Altonas Blütezeit, in der Architekten wie Christian Frederik Hansen der „schönen Schwester Hamburgs“ ein weitgehend untergegangenes, aber unvergessenes Bild gaben. Bauherr des Hauses, in dem sich zunächst ein Tabakladen befand, war Carl Linnich (1815 bis 1887). Das Baujahr wird auf 1847 datiert, die Bauakte beginnt 1876. Dass es mittlerweile wieder in dem Glanz erstrahlt, den es über viele Jahrzehnte nicht mehr hatte, ist einem namhaften Makler zu verdanken, der seine Kindheit in Altona verlebte und schon immer ein Herz für das Haus hatte.

Nicht viel dran und sehr unscheinbar: das kleine Haus um 1980.
Nicht viel dran und sehr unscheinbar: das kleine Haus um 1980. © Meissler | Meissler

Conrad Meissler, elegant wie der Oldtimer, dem er soeben entstiegen ist, erklimmt die schmale Treppe und schaut sich im ersten Stock um. Der aufgerissene, mit Brettern abgedeckte Fußboden und die lehmverschmierten Wände bringen ihn nicht aus der Fassung – ganz im Gegenteil. Für Meissler, der sicherlich nicht nur wegen seiner sonnigen Ausstrahlung einer der erfolgreichsten und bekanntesten Makler Hamburgs wurde, ist der Besuch in dem kleinen Haus wie ein geschenkter Urlaubstag.

Von Handwerksmeister Christian Kaiser, mit dem er per Du ist, lässt sich der Unternehmer ein paar Baufortschritte erläutern, was seine Laune immer besser werden lässt. Strahlend stapft er herum, während seine Sprache beinahe blumig wird. Sein „Baby“ sei das Haus, ein Traum werde jetzt wahr. „Man kann sagen, das ist Liebe“, sagt Meissler und klopft auf einen Balken, „ja, Liebe.“

Conrad Meissler rettet hier ein wertvolles Stück Altonaer Stadtgeschichte

Conrad Meissler zeigt in einem Erdgeschosszimmer, wie schmal das Haus ist.
Conrad Meissler zeigt in einem Erdgeschosszimmer, wie schmal das Haus ist. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Das Haus wird energetisch instandgesetzt, der Investor hat auf entsprechenden Materialien bestanden. „Hier ist alles natürlich“, sagt Christian Kaiser und zeigt Schilfplatten und Lehm. Schon als Kind habe ihn das kleine Haus fasziniert, erzählt Meissler. Wenn seine Eltern mit dem VW Käfer daran vorbeifuhren, mussten sie immer einen Gang zurückschalten, und der Junge drückte sich die Nase an der Scheibe platt. Und als er erfuhr, dass das Haus zu verkaufen war, musste der sechsfache Vater nicht lange überlegen.

Im kommenden Frühjahr wird dort, kaum überraschend, ein weiterer Sitz von Meissler & Co eingerichtet, das dann strategisch gesehen sozusagen das Entree in die Elbvororte bilden wird. Mancher mag sich über ein zusätzliches Makler-Büro in exponierter Lage mokieren, aber klar sollte auch sein: Conrad Meissler rettet hier ein wertvolles Stück Altonaer Stadtgeschichte für alle – und er hätte das an vergleichbarer Stelle auch deutlich billiger haben können.

Meissler hat jede Menge Fotos auf dem Smartphone. Eines zeigt das völlig abgedeckte Haus – nun wirklich nur ein Häuschen – eingefasst von einem mit Planen ummantelten Gerüst. Das war aber nur ein Teil der ungeheuer aufwendigen Restaurierung. Der Stuck an der Vorderseite wurde anhand historischer Fotos rekon­struiert, und die Balken des Fachwerks sind allesamt neu eingepasst.

"Haus ist wie eine Pflanze, die täglich neue Blüten bekommt"

Die Vermutung, dass die denkmalgerechte Sanierung sehr teuer war und ist, lässt Meissler unwidersprochen, Fragen nach dem genauen Preis möchte er, ganz hanseatischer Kaufmann, aber nicht beantworten. Hätte er für das gleiche Geld nicht andernorts einen veritablen Neubau erstehen lassen können?

Meissler lächelt hintersinnig und wiegt den Kopf hin und her. „Die Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt lief hervorragend“, stellt er dann kategorisch fest. In diesem Zusammenhang sollen ja durchaus auch schon andere Erfahrungen gemacht worden sein...

Beim Rausgehen zeigt Conrad Meissler auf die neu gestaltete zweistufige Eingangstreppe. „Für mich ist das Haus wie eine Pflanze, die täglich neue Blüten bekommt“, sinniert der (neue) Bauherr. Und dabei lächelt er so glücklich wie ein werdender Vater.