Hamburg. Kinder als Straftäter – in Hamburg ist die Zahl deutlich gestiegen. Auffällig: die schulischen Gewaltkriminalitätsdelikte.
Corona könnte nach Einschätzung der Polizei Hamburg eine Ursache für den starken Anstieg der Kinder unter den Tatverdächtigen nach Straftaten sein. Die Zahl stieg 2022 im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 um 41,3 Prozent. „Kinder waren in der Zeit der Schulschließungen, des Lockdowns und der Kontaktverbote stark belastet und eingeschränkt“, so Polizeisprecher Thilo Marxsen.
Neben einer allgemeinen verminderten Lebensqualität hätten die sozialen Kontakte und damit auch Formen des Umgangs gelitten. Dazu könnten diese Isolationen und auch die räumlichen Begrenzungen zu innerfamiliären Spannungen, Konflikten und zu Perspektiv- und Orientierungslosigkeit geführt haben.
Schule Hamburg: Gewaltkriminalitätsdelikte wieder angestiegen
„Mit der Reduzierung und letztendlich mit der Beendigung der pandemiebedingten Einschränkungen mussten Kinder zum Teil erst wieder lernen, Konfliktsituationen gerade im Schulkontext zu bewältigen und ihre Rolle im Schul- und Klassenverband wiederzufinden“, sagt Marxsen. „Möglicherweise führten diese Defizite bei der Konfliktlösung zu aggressiven Verhaltensweisen bis hin zur körperlichen Gewalt. Darüber hinaus können die Mängel in der Lehre und dem Lernen zu einem Leistungsverlust und damit zu Frustration, Aggression und auch körperlicher Gewalt geführt haben.“
Diese Interpretation decke sich auch mit den Wahrnehmungen der Jugendhilfen und Schulen, die – wie die Polizei – mehr auffällige Kinder wahrgenommen haben. Marxsen: „So sind zum Beispiel auch in einem Fünf-Jahres-Vergleich bei den schulischen Gewaltkriminalitätsdelikten nach einem Rückgang in den Pandemiejahren diese nun auch wieder angestiegen.“
Kinder als Straftäter – oft im Zusammenhang mit Körperverletzung
Zahlen untermauern die These: Im vergangenen Jahr wurden an Hamburgs Schulen 311 gefährliche Körperverletzungen angezeigt. 2019, in der Zeit vor Corona, waren es 227. Das entspricht einer Steigerung von 37 Prozent.
Betrachtet man alle Delikte, wurden die meisten Kinder im Zusammenhang mit Körperverletzungsdelikten als Tatverdächtige ermittelt (870). Es folgen Ladendiebstähle mit 806 Kindern als Tatverdächtige, Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz mit 490 Kindern als Tatverdächtige, Sachbeschädigungen mit 256 unter 14 Jahren ermittelten Tatverdächtigen und Bedrohungen, die 146 Kinder begangen haben sollen.
Polizei und Schulbehörde entwickeln Konzept „Handeln gegen Jugendgewalt“
In Hamburg ist die Zunahme bei den Tatverdächtigen unter 14 Jahren ohne deutschen Pass signifikanter als bei den Deutschen in dieser Altersgruppe. Im Vergleich zu 2021 stieg ihr Anteil um 56,3 Prozent – im Vergleich zu 2019 sogar um 70,8 Prozent. Eine Ursache dürfte nach Einschätzung der Polizei die hohe Zahl der Geflüchteten im vergangenen Jahr gewesen sein.
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Betrachtet man die Statistik ohne die ausländerrechtlichen Verstöße, ergeben sich niedrigere Werte beim Anstieg der tatverdächtigen Kinder ohne deutschen Pass. Sie lagen 2021 im Vergleich zu 2022 bei 43,9 Prozent und 2019 im Vergleich zu 2022 bei 32,9 Prozent. In Hamburg beschäftigt sich die Polizei laut Marxsen bereits mit diesem Phänomen. Die Fachdienststelle für Prävention und Jugenddelinquenz im Landeskriminalamt überarbeite und entwickele derzeit mit der Behörde für Schule und Berufsbildung das Senatskonzept „Handeln gegen Jugendgewalt“.