Hamburg. Desy-Chef Helmut Dosch wirbt im Rathaus für das Herzstück der Science City Bahrenfeld. Was die Kosten erheblich steigen lässt.

Es ist das wohl teuerste Vorhaben unter den Plänen für neue Forschungsanlagen in Hamburg und als ein Herzstück der Science City Bahrenfeld gedacht: Petra IV soll das „beste Röntgenmikroskop der Welt“ werden und Einblicke „mit bisher unerreichter Präzision“ in Materialien und biologische Strukturen möglich machen. So bewirbt das Deutsche Elektronen-Synchrotron (Desy) sein Prestigeprojekt.

Auch Hamburgs rot-grüne Landesregierung hängt das Thema hoch auf: Am Dienstagabend richtete der Senat einen Empfang im Rathaus aus, damit Desy-Chef Helmut Dosch dort vor knapp 200 Gästen die voraussichtlichen Vorzüge von Petra IV erläutern konnte. Zur Unterstützung hatte der Physiker einen Stargast mitgebracht: Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell.

Der Göttinger Max-Planck-Forscher, 2011 in Hamburg mit dem Körber-Preis ausgezeichnet, hob hervor, wie wichtig Wissenschaft etwa für Energie- und Umwelttechnik und für die Medizin sei. Petra IV soll 100-mal detailreichere Bilder von Strukturen bis auf die Ebene von Atomen liefern, als dies mit der bestehenden Anlage Petra III möglich ist.

Supermikroskop Petra IV: Desy will Kooperation mit der Wirtschaft ausbauen

Der Empfang im Rathaus sollte wohl den Rückhalt für das Vorhaben stärken, denn das Supermikroskop dürfte erheblich kostspieliger werden als zunächst geplant: „Wir reden mittlerweile von einem Milliardenprojekt“, sagte Helmut Dosch dem Abendblatt. Dazu muss man wissen: Weil das Desy zur außeruniversitären Helmholtz-Gemeinschaft gehört, würde der Bund 90 Prozent der Kosten für den Bau der Anlage tragen, zehn Prozent entfielen auf Hamburg. Nach Angaben des Bundesforschungsministeriums waren die Kosten zunächst in einer wissenschaftlichen Konzeptstudie für Petra IV auf 671 Millionen Euro geschätzt worden – „unter Verwendung einer Preisbasis von 2018“.

Dass es nach aktueller Prognose zu Mehrkosten von 300 bis 400 Millionen Euro kommen könnte, hängt Dosch zufolge erstens mit gestiegenen Baukosten zusammen. Zweitens müsse das geplante Datensystem für Petra IV den jüngsten Entwicklungen angepasst werden. Aus Experimenten in der aktuell genutzten Anlage Petra III erhalten Forschende Berge von Daten, die immer komplexer werden. Nutzer aus Wirtschaft und Industrie könnten damit ohne Weiteres kaum umgehen, sagte Dosch.

Desy wolle aber die Kooperation mit der angewandten Forschung und der Wirtschaft ausbauen. Deshalb müssten die Ergebnisse aus Experimenten so aufbereitet werden, dass Unternehmen „Lösungen bekommen, nicht nur die Daten“ – und zwar erheblich schneller als bisher, sagte Dosch. Desy werde damit als „nationales Analytikzentrum“ fungieren. „Das klingt einfach, ist aber ein komplexes Unterfangen und kostspielig.“ In den USA und Asien gehe der Trend auch dahin.

Hamburg unterstützt Planung mit 2,85 Millionen Euro

Das Bundesforschungsministerium schreibt auf Anfrage, über eine Bundesfinanzierung von Petra IV werde „zu einem späteren Zeitpunkt entschieden“. Voraussichtlich bis Anfang 2023 werde Desy ein detailliertes technisches Design für das Supermikroskop vorlegen. Von Desy heißt es, ab 2023 könnte das Forschungszentrum einen Förderantrag beim Bund und beim Land Hamburg einreichen. „Wir drängen auf eine politische Entscheidung 2024“, sagte Helmut Dosch.

Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) erklärte bei dem Senatsempfang im Rathaus: „Wir tun alles, um das Projekt in der Science City Bahrenfeld zu verwirklichen.“ Hamburg unterstützt seit 2021 mit insgesamt 2,85 Millionen Euro die laufende Phase der detaillierten technischen Planung für das neue Röntgenmikroskop.

Sollte Petra IV gebaut werden, würde dies den Anwohnern in Bahrenfeld einiges abverlangen. Es sei bereits jetzt „absehbar, dass der Lise-Meitner-Park während der Bauphase inklusive Vor- und Nachbereitung von etwa vier bis fünf Jahren zumindest teilweise gesperrt sein wird“, heißt es von Desy. Für den Bau der 600 Meter langen unterirdischen Experimentierhalle müssten etwa „große Mengen Erdaushub bewegt und zumindest teilweise abgefahren werden“.