Hamburg. Massive Kritik von Bezirkspolitikern: Ihnen fehlen die Bürgerbeteiligung und Architekturwettbewerb. Die Rede ist von „Bevormundung“.

Im Zusammenhang mit einem Neubau in Lurup gibt es erhebliche Differenzen zwischen Altonaer Politikern und dem Senat. Die Rede ist unter anderem von „Bevormundung“, nicht eingelösten Versprechen und der Zweckentfremdung von Corona-Geldern. Der Streit dreht sich um ein Gebäude, das an der Ecke Elbgaustraße/ Luruper Hauptstraße errichtet werden soll.

Es handelt sich genau genommen um zwei Gebäude, das sogenannte TechHub und die Innovation Factory II. Die Factory besetzt das Eckgrundstück, das TechHub schließt in Richtung Elbgaustraße daran an. Zusammen sind sie Teil des neuen Technologieparks, der – in unmittelbarer Nachbarschaft des Forschungszentrums Desy – unter anderem jungen Start-up-Unternehmen eine Heimat bieten soll.

Lurup: Neues Innovationszentrum passe nicht ins Stadtbild

In einer Infobroschüre rühmt der Senat das Projekt in den höchsten Tönen. Auch Altonas Politiker finden es gut, stören sich aber an der Anmutung der Innovation Factory – und an dem planerischen Weg dorthin. Die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Anke Frieling bezeichnet den Neubau als „einen riesigen schwarzen Würfel, der an dieser Stelle nicht ins Stadtbild passt“.

Außerdem setze es sich über alle Beteiligungsprozesse mit Luruper Bürgerinnen und Bürgern hinweg. „Das geplante Gebäude öffnet sich nicht zum Stadtteil“, sagt Frieling. „Der Gehweg schließt unmittelbar an die Gebäudekante an und lässt eine Art Schlucht entstehen. Dabei sollte genau dies vermieden werden.“ Frieling erinnert daran, dass die Altonaer Bezirksversammlung bereits 2014 beschlossen hatte, dass an dieser für Lurup „herausragenden Stelle“ ein besonderer Bau entstehen müsse. Mehr noch: Eigentlich sollten dazu im Rahmen eines Architektenwettbewerbs unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger Entwürfe entwickelt werden. Dieser Beschluss war erst in diesem Jahr vonseiten der Bezirksversammlung noch einmal bekräftigt worden.

„Schwarzen Würfel“: Massive Kritik von Bezirkspolitiker

„Obwohl das Planungsrecht in Altona liegt, will der Senat diesen mindestens 25 Meter hohen Zweckbau im Schnellverfahren durchsetzen“, schimpft der Altonaer CDU-Fraktionschef Sven Hielscher. „Wenn von ,baulicher Optimierung‘ die Rede ist, heißt das mittlerweile nur noch höher, dicker, breiter. Das geht so gar nicht.“

Kritik kommt auch von dem Altonaer SPD-Bauexperten Gregor Werner. „Ich finde es bedauerlich, dass die versprochene Bürgerbeteiligung letztlich gar nicht stattgefunden hat“, sagt Werner. „Außerdem geht es aus unserer Sicht nicht ohne den geplanten Wettbewerb.“ Laut Werner müsse nun „dringend nachgebessert“ werden, zum Beispiel mit einem Konzept, über das die Öffentlichkeit wieder einbezogen wird. Ähnlich sieht es Altonas FDP-Fraktionschefin Katarina Blume. „Das Konzept an sich ist absolut begrüßenswert, aber es fehlen die Bürgerbeteiligung und ein offener Wettbewerb.“ Laut Blume hätte sich die Stadt viel Ärger ersparen können, wenn sie sich „an die Spielregeln gehalten“ hätte.

Zweckentfremdung von Corona-Geld?

„Die Errichtung eines Technologieparks, der Start-up-Unternehmen rund um das Desy eine Heimat bietet, ist sehr zu begrüßen, allerdings in der beschlossenen, attraktiven Form“, sagt auch der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Götz Wiese. Gemeinsam mit Anke Frieling machte er in der jüngsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses der Bürgerschaft ganz deutlich: „Hamburg braucht die Anlage dringend, aber Zusagen aus Beteiligungsprozessen sind einzuhalten.“ Vonseiten der Wirtschaftsbehörde wurde auf Abendblatt-Nachfrage mitgeteilt, dass es zum Thema derzeit behördenübergreifend Gespräche „mit allen beteiligten Akteuren“ im Bezirk gebe.

Doch vor allem Sven Hielschers Kritik geht noch weiter. Für das Projekt sollen Mittel aus dem im Zuge der Corona-Krise gebildeten Wirtschaftsstabilisierungsfonds entnommen werden. Hielscher: „Das ist für mich Zweckentfremdung von Corona-Geld und wohl auch ein Verstoß gegen das Haushaltsrecht. Die Planungen für diesen Bau sind viel älter als Corona, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“

Die Finanzbehörde kontert auf Nachfrage Hielschers Kritik. Behördensprecher Claas Ricker verweist auf eine Pressemitteilung, die bereits vom Januar 2021 stammt und in der es unter anderem heißt, der Senat setze mit dem Wirtschaftsstabilisierungsprogramm (HWSP) einen klaren Schwerpunkt im Bereich Innovation. „Um Wirtschaft und Wissenschaft noch enger miteinander zu verzahnen, soll in unmittelbarer Nachbarschaft des Gründungs- und Forschungszentrums Desy Innovation Factory II (...) als Ort für Start-ups und junge, technologieorientierte Unternehmen entstehen.“

Und Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sagt: „Gezielte Investitionen in Innovationen, in Verknüpfungen von Wirtschaft und Wissenschaft sind ein zentraler Hebel, um aus der Corona-Krise wieder herauszukommen. Die Mittel aus unserem Wirtschaftsstabilisierungsprogramm HWSP sind ein starkes Bekenntnis für den Innovationsstandort.“ Wirtschafts- und Finanzbehörde hätten den Maßnahmenstart schon lange angekündigt. Dressel weiter: „Wirtschafts- und Finanzbehörde haben bei allen Corona-Hilfen immer auch die Zukunftsorientierung unserer Maßnahmen im Blick.“

Dazu Sven Hielscher: „Dass diese Querfinanzierung schon länger bekannt war, macht die Sache auch nicht besser.“