Hamburg. Mit großem Aufwand wird derzeit die Volkshochschule West an der Waitzstraße restauriert. Dabei kommt viel Vergessenes zutage.
Wo sonst aufmerksam gelehrt, gehört und rekapituliert wird, rattern Baumaschinen. Arbeiter tragen Schutt zum weit geöffneten Ausgang, vom Dach sind Hammerschläge zu hören. In der Volkshochschule (VHS) Zentrum West an der Waitzstraße, die seit Monaten eingerüstet ist, tut sich einiges dieser Tage – auf jeden Fall mehr als zunächst geplant war. Was genau sich im Haus verändert, erläutern Architekt Stefan Sommer und Programm-Manager Friedo Karth beim Rundgang vom Keller bis zum Boden.
Ursprünglich sollte in die alte Villa von 1894 im Zuge des barrierefreien Umbaus „nur“ ein Fahrstuhl eingebaut werden – was bei einem denkmalgeschützten Altbau schon für sich genommen eine Kraftanstrengung für alle Beteiligten ist. Dann stellte sich heraus, dass dafür der Keller abgesenkt werden musste. Und da dort kein Bagger hineinpasste, konnten die Arbeiten nur – wie anno dazumal – per Hand ausgeführt werden. Stefan Sommer zeigt, was unter dem alten Kellerboden zutage kam: mehrere Findlinge, auf denen das Haus einst teilweise errichtet worden war.
Keller muss abgesenkt werden – ein Bagger passt nicht hinein
Da die Riesensteine beim Bau der Villa nicht wegzubewegen waren, wurden sie damals kurzerhand ins Fundament integriert. Bei den aktuellen Arbeiten zeigte sich nun: Einige konnten bleiben und sind inzwischen Teil der Gesamtkonstruktion, andere mussten mit großem Aufwand versetzt werden.
Der Bautrupp arbeitet Hand in Hand mit dem Denkmalschutzamt und einem Restauratoren-Team, jede Baumaßnahme muss sorgfältig abgestimmt werden. Zu den erfreulicheren Entdeckungen, die dabei ans Licht kamen, gehören schöne Jugendstilgitter im Treppenhaus, die dort vermutlich einst für die Sicherheit der Schulkinder eingebaut worden waren. Später verschwanden sie für viele Jahrzehnte hinter Mörtel und Putz – nun strahlen sie frisch restauriert wieder am neuen und auch alten Platz. Friedo Karth streicht andächtig über die das kunstvoll geformte Metall.
Eine Treppenhauswand wie ein Mini-Tapetenkatalog
„Wunderschön“, findet er, „und davon wusste niemand etwas.“ Unter zwölf mühsam freigelegten Farbschichten, die an der Treppenhauswand wie ein Mini-Tapetenkatalog zu betrachten sind, entdeckte das Team der Restauratoren schließlich die Originalfarbe. Das milde Grün wurde als neuer Anstrich aber mittlerweile wieder verworfen.
Die VHS-Gesamtanlage besteht aus zwei hohen Altbauten links und rechts und einem flachen Mittelbau dazwischen. Diese etwas eigentümliche Struktur erklärt sich aus ihrer Geschichte. In der ursprünglich als Privathaus erbauten Villa wurde 1898 eine private höhere Mädchenschule eröffnet. Als „Kuratoriumsschule“ unter Leitung von Bertha Uhl (von 1901 an) folgten laufend Erweiterungen. Unter anderem wurde ein weiterer Schulbau inklusive Aula errichtet und dann im Jahr 1915 durch eine Wandelhalle mit dem Ursprungsbau verbunden.
Nach dem Umbau: Alle Gebäude leicht erreichbar
1916 erhielt die Schule offiziell den etwas kuriosen Namen Bertha-Lyzeum. Von 1959 an war sie offiziell das Hochrad-Gymnasium, das dann aber 1966 in einen Neubau an der gleichnamigen Straße zog. Die Volkshochschule West begann mit der Nutzung der Räume vor Ort in den frühen 1970er-Jahren. Zum Teil des Umbaukonzepts gehört es denn auch, dass der Eingang vom linken (östlichen) Teil des Ensembles deutlich weiter in die Mitte verlegt wird, sodass alle Gebäude ungefähr gleich leicht zu erreichen sind.
Rund 18 Monate dauern die Bauarbeiten nun schon, und die vielen Details, die bei den Arbeiten zutage gefördert wurden, machen deutlich: Nach der Fertigstellung im Herbst wird die VHS deutlich schöner sein als bisher. Denn im Zuge der Arbeiten werden auch die Kursräume renoviert, und es entsteht ein neuer Bewegungsraum. Eine Großaktion steht noch bevor: Das Haupthaus erhält ein neues Glasdach aus einem Stück, das mit einem Teleskopkran nach oben befördert werden soll. Das soll – wenn alles klappt – noch im August über die Bühne gehen.
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Rund 1,5 Millionen Euro sind für die Arbeiten insgesamt veranschlagt, doch ob das angesichts explodierender Baupreise zu halten sein wird, muss sich zeigen. „Das Haus war schon früher ein Schmuckstück“, sagt Stefan Sommer, „nun wird es eben noch mehr funkeln.“ Die offizielle Einweihung ist für Anfang 2023 geplant.