Hamburg. Das Hanse-Office wird denkmalgerecht für fast zweistelligen Millionenbetrag saniert – kuriose Funde unter den Dielen.

Aus heutiger Sicht darf man es wohl als weitsichtige Entscheidung bezeichnen, dass der Hamburger Senat 1985 ein „Informationsbüro“ in Brüssel eröffnete. Denn was inzwischen gang und gäbe ist, dass nämlich außer den EU-Mitgliedstaaten auch deren Regionen oder eben Bundesländer eine ständige Vertretung am Sitz der Europäischen Union unterhalten, war damals noch ein absolutes Novum.

Vorreiter war die Hansestadt auch zwei Jahre später, als sie gemeinsam mit Schleswig-Holstein das Hanse-Office in Brüssel eröffnete – eine gemeinsame Vertretung für zwei Bundesländer, das ist bis heute einzigartig. Ein Team von 13 Mitarbeitern fährt seitdem die Antennen aus: Was plant die Kommission? In welche Richtung entwickeln sich europäische Debatten? Welche EU-Gesetze treten demnächst in Kraft? Was für Folgen hat das für die deutschen Bundesländer?

EU: 8 Millionen für Sanierung des Hanse-Office

Doch die Informationen fließen nicht nur von Brüssel nach Norddeutschland, sondern auch umgekehrt. „Unsere guten Kontakte ermöglichen es uns, die Interessen Hamburgs und Schleswig-Holsteins frühzeitig in die Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene einfließen zu lassen“, schreibt das Hanse-Office über sich. Darüber hinaus werbe man „intensiv für unsere heimischen Standorte, indem wir die Vielfalt unserer beiden Länder durch Veranstaltungen, Begegnungen und kulturelle Ereignisse in Brüssel präsentieren“.

Und das offenbar mit Erfolg. Denn die beiden Landesregierungen haben sich nun entschieden, ihre EU-Vertretung mit großem Aufwand zu sanieren und zu modernisieren. 7,5 bis 8,0 Millionen Euro sollen in die drei historischen Stadthäuser im Herzen der belgischen Hauptstadt fließen, rund 30 Prozent mehr als noch 2021 veranschlagt. Das sei vor allem der Entwicklung am Baumarkt geschuldet, heißt es aus der Finanzbehörde. In dem Budget sei aber auch ein Puffer enthalten. Finanziert werden sollen die Kosten „über eine angemessene Anhebung der Miete“, die Hamburg und Schleswig-Holstein je zur Hälfte an den LIG überweisen.

Finanzsenator besucht Hanse-Office

„Das Hanse-Office ist für Hamburg eine ganz wichtige Institution“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), nachdem er sich kürzlich zusammen mit der Hamburger Außenstaatsrätin Almut Möller einen Eindruck von den Arbeiten vor Ort gemacht hat – denn die laufen unter der Regie des zur Finanzbehörde gehörenden Landesbetriebs Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG), dem die Gebäude gehören.

„Die Experten dort sind nah dran an den europäischen Entscheidungsprozessen und informieren uns frühzeitig über Entwicklungen, die für Hamburg Bedeutung haben könnten. In den vergangenen Wochen standen zum Beispiel die EU-Sanktionen gegen Russland auf der Tagesordnung – für uns verbunden mit der interessanten Frage, wie wir mit den Oligarchen-Yachten im Hamburger Hafen umgehen dürfen.“ Auch die EU-Vorschriften zur Luftreinhaltung hätten große Auswirkungen auf Hamburg, so Dressel: „Je früher und profunder wir darüber informiert werden, desto besser können wir uns darauf einstellen und frühzeitig reagieren.“

Almut Möller und Andreas Dressel vor dem Eingang des Hanse-Office in Brüssel.
Almut Möller und Andreas Dressel vor dem Eingang des Hanse-Office in Brüssel. © Finanzbehörde | Finanzbehörde

Anspruchsvolle Sanierung der Brüsseler „Botschaft“

Das dritte und größte Gebäude war erst 2013 dazugekauft worden und bislang anderweitig vermietet. Nun dient es zunächst als Interimsquartier, während die anderen beiden Immobilien saniert werden. Im Anschluss wird bis zum Frühjahr 2024 auch dieses Haus renoviert. Ob es danach Teil des Hanse-Office oder anderweitig genutzt oder fremdvermietet wird, ist noch offen. Am Rande: Zwischen den drei Gebäuden mit den Hausnummern 20, 24 und 26 liegt eingeklemmt die Nummer 22 – hier residiert das Land Bremen ...

Die Arbeiten sind durchaus eine Herausforderung, denn die drei Gebäude mit einer Gesamtnutzfläche von gut 1600 Quadratmetern sind alle rund 120 Jahre alt, jugendstiltypisch verschnörkelt und verziert und stehen unter Denkmalschutz. So müssen beim Austausch der Fensterelemente Holzprofile nach historischem Modell angefertigt werden, bevor eine energieeffizientere Verglasung möglich ist. Die gesamte technische Gebäudeausrüstung (Heizung, Lüftung, Sanitär) muss erneuert werden, ebenso sämtliche Rohrschächte und elektrischen Installationen.

Hamburger Finanzsenator: Aufwendige Sanierung vertretbar

In dem Zuge wird es zur Freude der Mitarbeiter erstmals eine Klimatisierung geben – denn in Brüssel kann es im Sommer sehr heiß werden. Hinzu kommen Dachdecker- und Dachklempnerarbeiten, die Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden in den Kellern, die Errichtung eines barrierefreien Zugangs sowie einer behindertengerechten Toilette. Eine Auflage der Denkmalschützer war zudem, den Turm auf einem der Häuser nach historischem Vorbild zu sanieren.

„Das Hanse-Office hat durch seine zen­trale Lage, die Nähe zu den EU-Institutionen, die beeindruckende Altbausubstanz und den herrlichen Garten eine ganz besondere Aura. Hier trifft man sich gern – und dieses Repräsentieren und Netzwerken ist ja ein ganz wesentlicher Teil der Aufgaben so einer Einrichtung.“ Die Mitarbeiter seien froh, dass das nach zwei Jahren Pandemie wieder ohne Einschränkungen möglich ist. Angesichts des Nutzens für Hamburg hält der Finanzsenator den finanziellen Aufwand für gerechtfertigt: „Die Summe ist für die Sanierung von drei historischen Gebäuden durchaus vertretbar und wirklich eine gute Investition für die Präsenz unserer Stadt in Brüssel.“

Wie es für so alte Gebäude typisch ist, halten sie mitunter Überraschungen bereit. So auch hier. Als Arbeiter im Haus 24, der früheren „Villa Germain“, Bodendielen hochnahmen, um an die darunter liegenden Leitungen zu gelangen, machten sie eine erstaunliche Entdeckung: Eine stattliche Flinte, die in einem gut erhaltenen Lederschaft steckte, kam ebenso zum Vorschein wie ein kleiner, verzierter, wenn auch stark verrosteter Revolver.

Dieser Revolver war unter alten Dielen versteckt.
Dieser Revolver war unter alten Dielen versteckt. © Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen | Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen

Mit den Büchsen sollen allerdings nicht künftig die Interessen Hamburgs und Schleswig-Holsteins verteidigt werden, das geschieht auf EU-Parkett bekanntlich mit den Mitteln der Diplomatie. Der historisch interessante Fund wurde stattdessen der Polizei übergeben.