Hamburg. Von 2023 an entsteht in Altona ein neues Bauwerk. Künftig mehr Platz für Radfahrer und Fußgänger. Denkmalverein kritisiert Abriss.
Es wird eines der größten Hamburger Verkehrsprojekte dieses Jahrzehnts. Von 2023 bis 2027 wollen Stadt und Bahn den Bereich Sternbrücke komplett neu gestalten. Am Mittwochabend stellte die Bahn das Projekt dem Planungsausschuss der Bezirksversammlung Altona vor. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wieso heißt die Sternbrücke eigentlich Sternbrücke?
Dies hat nichts mit ihrer Konstruktion zu tun, sondern mit der Verkehrslage: Bahnlinien und Straßen laufen sternenförmig aus sieben Richtungen aufeinander zu. Der Vorläufer der jetzigen Brücke (gebaut 1925/26) entstand bereits 1893. In den Gewölben fanden ab 1998 Clubs wie Astrastube, Fundbureau und Waagenbau eine Heimat. Laut Bahn zählt die Sternbrücke mit täglich mehr als 900 S-Bahnen, Regional- und Fernzügen zu den meistfrequentierten innerstädtischen deutschen Gleisabschnitten. Etwa 50.000 Fahrzeuge unterqueren die Brücke täglich auf der Stresemannstraße und der Max-Brauer-Allee.
Warum muss die Brücke saniert oder neu gebaut werden?
Nach fast 100 Jahren muss die Brücke aus Sicht der Bahn ersetzt werden. Erste Pläne gab es bereits 2005. Doch das Vorhaben ist komplex, zumal die Brücke unter Denkmalschutz steht. Und sie hat durch die umliegenden Läden und Kioske einen hohen Identifikationsfaktor. Jan Delay setzte der Brücke mit dem Cover für sein Album „Wir Kinder vom Bahnhof Soul“ ein optisches Denkmal, Fatih Akin drehte einige Szenen von „Soul Kitchen“ unter der Brücke.
Die Kulturbehörde machte sich lange für eine Sanierung stark. „Intensiv haben wir nach einem Weg gesucht, die denkmalgeschützte Brücke und die unter ihr ansässigen Musik-Clubs an diesem Ort erhalten zu können. Mehrere Gutachten haben leider gezeigt, dass ein Erhalt der Brücke nur unter erheblichen verkehrlichen und finanziellen Auswirkungen möglich gewesen wäre“, sagt nun Jana Schiedek (SPD), Staatsrätin für Kultur und Medien. Für Manuela Herbort, Bahn-Konzernbevollmächtigte für Hamburg und Schleswig-Holstein, ist der Neubau die richtige Lösung: „Damit stärken wir das umweltfreundliche Verkehrsmittel Bahn und machen es fit für die Zukunft. Das kommt allen zugute.“
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Wie wird der Neubau aussehen?
Die Entscheidung fiel für eine 108 Meter lange Konstruktion mit nach innen gekippten Stabbögen („Fehmarnsund-Stil“). Dies bedeutet laut Bahn auch einen deutlich verbesserten Lärmschutz. Die Kosten von 125 Millionen Euro teilen sich Stadt und Bahn. Damit wird das gesamte Projekt teurer als 2016 kalkuliert. Damals war man von reinen Baukosten für die Brücke von 57 Millionen Euro ausgegangen, diese sollen nun bei etwa 80 Millionen Euro liegen. Das Bauwerk wird stützenfrei, was den Unfallschwerpunkt entschärfen soll. „Für Fußgänger und Radfahrende bekommen wir endlich mehr Platz“, freut sich Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof (SPD). Errichtet wird die Stahlkonstruktion auf der Brammer Fläche an der Max-Brauer-Allee. Die Brücke wird dann in Modulen zu Kränen geschoben, die sie dann einheben.
Was bedeutet dies für die Clubs und die angrenzenden Läden?
„Das Bauvorhaben erfordert die Verfüllung der Kasematten und den Abbruch einiger Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft der Sternbrücke. Die Deutsche Bahn wird die Eingriffe so gering wie möglich halten“, heißt es in der Pressemitteilung des Konzerns. Das Projektteam stehe „mit den betroffenen Anliegern und den ansässigen Musik-Clubs im Dialog, um miteinander einvernehmliche Lösungen zu finden“. Jana Schiedek verspricht: „Wir werden alles dafür tun, dass die Clubs eine gute neue Heimat bekommen.“ Die Bauwagen-Gruppe Zomia soll während der Bauarbeiten am jetzigen Standort bleiben dürfen – laut Bahn „unter der Prämisse einer leichten räumlichen Einschränkung“.
Was sagen Denkmalschützer?
„Wir kritisieren scharf, dass der Senat mit der Sternbrücke ein wichtiges verkehrsgeschichtliches Denkmal aufgibt, das zugleich prägend für seine gesamte Umgebung ist“, moniert Kristina Sassenscheidt, Geschäftsführerin des Denkmalvereins Hamburg. Ein aktuelles Gutachten habe „eine lange Erhaltungsfähigkeit der Konstruktion“ gezeigt: „Der Verkehrsfluss und die wirtschaftlichen Vorteile der Bahn gehen hier also augenscheinlich vor Geschichte und Baukultur“, sagt Kristina Sassenscheidt.
Wie soll die Bürgerbeteiligung laufen?
Altonas Bezirksamtschefin Stefanie von Berg (Grüne) verspricht ein „transparentes Verfahren“. Damit soll „eine kluge städtebauliche sowie verkehrliche Entwicklung mit einem größtmöglichen Konsens vor Ort“ erreicht werden. Die Initiative Sternbrücke, in der sich Zomia, Denkmalverein, Anwohner und Clubs organisiert haben, fordert eine intensive Beteiligung, dabei müsse es auch um das Verhältnis von Wohngebiet und Verkehr gehen. Die Initiative kritisiert den Abriss ebenfalls scharf. Zum Auftakt der Bürgerbeteiligung lädt die Bahn für den heutigen Donnerstag (18 Uhr) zu einer Informationsveranstaltung ein. Die Teilnehmerzahl ist wegen der Coronapandemie limitiert.
Zum Auftakt der Bürgerbeteiligung lädt die Bahn am Donnerstag (16. April, 18 Uhr) zu einer Informationsveranstaltung ein, die Teilnehmerzahl ist wegen der Pandemie aber stark limitiert. Im Internet gibt es einen Livestream. Zudem will die Bahn im Internet eine Projektseite einrichten. Hier können per E-Mail Fragen gestellt werden.