Hamburg. Bezirksamtschefin Stefanie von Berg räumt bei Diskussion in der Fabrik ein, dass man die Bürger mehr hätte mitnehmen müssen.

Im Konflikt um die autofreie Zone in Ottensen hat Altonas Bezirksamtschefin Stefanie von Berg Fehler zugegeben: „Selbstkritisch müssen wir sagen, dass es von unserer Seite Versäumnisse gab. Wir hätten die Bürger mehr mitnehmen müssen.“ Bei der Veranstaltung zur Studie zum Verkehrsversuch „Ottensen macht Platz“ am Sonnabend im Kulturzentrum Fabrik versprach Stefanie von Berg, dass man in Zukunft stärker auf Bürgerbeteiligung setzen werde. Allerdings werde der Prozess, wie es denn in Ottensen nun weitergeht, dauern: „Es geht um viele Zielkonflikte.“

Wie intensiv um das Projekt gerungen wird, machte der große Zuspruch zur Veranstaltung deutlich. Die Initiativen verteilten am Eingang Flugblätter mit ihren Positionen. „Ottensen Gestalten“, die den Versuch grundsätzlich positiv begleitet, warb für die Vision eines „klimaneutralen und fairen Stadtteils für alle“. Fußgänger, Radfahrer, öffentlicher Nahverkehr sollten den Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr haben, der Durchgangsverkehr durch Ottensen eingeschränkt werden.

Die Kritiker des Versuchs, organisiert im Bündnis „Ottensen bewegt“, warfen dem Bezirk vor, die Interessen der Gewerbetreibenden zu wenig berücksichtigt zu haben: „Wir wissen, dass mindestens 15 Betriebe so massive Umsatzeinbußen hatten, dass ihre Existenz auf dem Spiel statt."

Ottensen autofrei: Projekt musste vorzeitig abgebrochen werden

Trotz der sehr gegensätzlichen Positionen verlief die Diskussion in der Fabrik überraschend friedlich, offenbar fruchtete der Appell von Stefanie von Berg, zu einer sachbezogenen Auseinandersetzung zurückzukehren: „Mich hat der raue Ton in den vergangenen Wochen sehr betroffen gemacht.“

In der Tat hatte es Boykottaufrufe gegenüber Gewerbetreibenden gegeben. Der Inhaber der Comet-Reinigung verweist sogar mit Schildern in seinem Geschäft daraufhin, dass er entgegen von Gerüchten nicht gegen das Projekt geklagt hat.

Wie berichtet, musste der Verkehrsversuch, der ursprünglich bis Ende Februar laufen sollte, nach zwei Eilanträgen beim Verwaltungsgericht vorzeitig abgebrochen werden. Allerdings gab es in den sozialen Netzwerken auch massive Attacken gegen Befürworter.

Wie kann eine Verkehrswende gelingen?

Nach der Präsentation der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitstudie durch Philine Gaffron von der TU Hamburg drehte sich die Diskussion vor allem um die Frage, wie eine Verkehrswende gelingen kann. Denn ein einfaches Zurück zu dem Zustand vor dem Verkehrsversuch ist auch für die Mehrzahl der Kritiker keine Option. „Die Notwendigkeit, den Verkehr umweltverträglicher zu gestalten, ist Konsens im Stadtteil“, sagt „Ottensen bewegt“.

Als ein möglicher Weg gilt eine Regelung, die das Parken im gesamten Viertel nur noch Anwohnern gestattet. Dafür warb auch der Verkehrswissenschaftler Prof. Heiner Monheim, der sich seit 50 Jahren mit dem Thema Verkehrsberuhigung beschäftigt: „Damit kriegen Sie jedes zweite parkende Auto aus dem Quartier raus.“

Miserables Zeugnis für Hamburger Verkehrspolitik

Gerade für Ottensen würde sich dies anbieten, da im Stadtteil überdurchschnittlich viele Haushalte ohne Auto leben würden. Den Verkehrsversuch lobte der Wissenschaftler, allerdings ginge er nicht weit genug: „Um richtig flanieren können, ist das Projekt viel zu klein. Flanieren braucht Achsen, braucht Bäume.“

Der Hamburger Verkehrspolitik insgesamt stellte Monheim ein miserables Zeugnis aus: „Die Verkehrsbehörde ist da wie vernagelt.“ Berlin oder München seien bei verkehrsberuhigten Zonen viel weiter. Monheim, der bis 2011 an der Uni Trier lehrte, ist zudem überzeugt, dass kleine Gewerbetriebe von weitgehend autofreien Zonen profitieren können: „Ob ich in ein Geschäft gehe oder nicht, hängt entscheidend davon ab, wie es vor dem Laden aussieht.“

Warnung vor übertriebenen Erwartungen

Kritiker des Versuchs sind da skeptischer: „Wir sind in Ottensen auch auf die Kunden angewiesen, die mit dem Auto aus angrenzenden Stadtteilen zu uns kommen wollen.“ Gisela Alberti von „Ottensen bewegt“ beklagte, dass Anwohner mit einer Gehbehinderung durch das Autoverbot vor immense Probleme gestellt würden.

Am kommenden Donnerstag (18 Uhr, Forum Lurup beim Goethe-Gymnasium, Rispenweg 28) will die Bezirksversammlung Altona beraten, voraussichtlich werden die Fraktionen von Grünen und CDU, die den Versuch initiiert haben, einen gemeinsamen Antrag einreichen. Auch die SPD hat einen Antrag angekündigt.

Baudezernent Johannes Gerdelmann warnte allerdings vor übertriebenen Erwartungen. Der Bezirk sei in seiner Entscheidung keineswegs frei, müsse etwa beim oft als gefährlich monierten Kopfsteinpflaster auf Auflagen des Denkmalschutzes Rücksicht nehmen: „Das Pflaster können wir nicht einfach asphaltieren.“ Zudem könnten durch Umbaumaßnahmen im Rahmen einer Verkehrsberuhigung Kosten entstehen, die der Bezirk allein nicht schultern könne.