Hamburg. Der neue Carlsberg-Deutschlandchef, Sebastian Holtz, über Absatzprobleme und die geplante Verlagerung der Brauerei.

Sein neues Büro hat Sebastian Holtz noch gar nicht groß umgestalten können. An der Wand prangt noch immer das knallrote Astra-Logo, das sein Vorgänger hier anbringen ließ, auf einem Sideboard stehen diverse Bierspezialitäten der Hauptmarke Holsten. Quasi über Nacht ist der 36-Jährige vor gut zwei Monaten an die Spitze des Bierkonzerns Carlsberg Deutschland berufen worden – keine einfache Aufgabe in Zeiten sinkenden Bierkonsums und heftiger Umstrukturierungen.

Hamburger Abendblatt: Sie haben Ende August von einem Tag auf den anderen den Chefposten bei Carlsberg Deutschland übernommen. Konnten Sie sich auf die Aufgabe überhaupt vorbereiten?

Sebastian Holtz: Ich brauchte zum Glück nicht allzu viel Einarbeitungszeit, da ich ja schon neun Jahre im Unternehmen bin und zuletzt den Bereich Handel verantwortet habe. Mein altes Büro war nur zwei Türen von dem jetzigen entfernt.

Warum hat sich das Unternehmen so plötzlich von Ihrem Vorgänger Frank Maßen getrennt?

Holtz: Carlsberg Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt, da war es wohl auch Zeit für einen Wechsel an der Spitze. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Viele Aufgaben scheinen zuletzt von Hamburg in die Schweiz verlagert worden zu sein. Wie groß ist Ihr Einfluss als Deutschlandchef noch?

Holtz: Es ist ein Mythos, dass Aufgaben in die Schweiz verlagert wurden. In Hamburg verantworten wir nach wie vor das Tagesgeschäft für Deutschland. Daran hat sich nichts geändert. Weggefallen ist eine Zwischen-Ebene, auf der die Produktionssteuerung für Deutschland und die baltischen Staaten angesiedelt war und die in dieser Form nicht mehr sinnvoll war.

So richtig gut ist es für Carlsberg in Deutschland 2015 nicht gelaufen. Der Absatz Ihrer Kernmarke Holsten soll im ersten Halbjahr um 25 Prozent eingebrochen sein. Was läuft da falsch?

Holtz: Holsten schwächelt nicht. Es ist zwar richtig, dass der Absatz im ersten Halbjahr im zweistelligen Prozentbereich zurückgegangen ist. Das hat aber nichts mit der Schwäche der Marke zu tun, sondern mit Effekten, die bis ins Jahr 2013 zurückreichen. Damals haben viele andere große Brauer in Deutschland ihre Preise um einen Euro pro Kasten heraufgesetzt. Mit Holsten haben wir das zunächst nicht gemacht, sondern die Preise erst in der zweiten Hälfte 2014 angepasst. Dadurch hatten wir im ersten Halbjahr 2014 einen enormen Absatzschub, der noch durch Effekte wie die Fußball-WM und den warmen Sommer verstärkt wurde. Der Absatzrückgang in diesem Jahr ist also durch das ausgesprochen gute Vorjahr zu erklären. Wir liegen jetzt wieder in etwa auf dem Niveau von 2013.

So richtig gut positioniert scheint Holsten aber nicht zu sein. Die Marke ist weder billig noch Premium, sondern bewegt sich irgendwo dazwischen.

Holtz: Was verstehen Sie denn unter Premium?

Warsteiner, König Pilsener, Radeberger vielleicht, aber nicht Holsten.

Holtz: Wir haben Holsten klar als ein charakterstarkes, frisch-herbes Bier aus Norddeutschland positioniert. Das unterstreicht auch unser Slogan: Ecken. Kanten. Holsten. Daran halten wir weiter fest. Künftig wollen wir die Marke aber noch mehr national ausrichten, weil wir hier großes Potenzial sehen.

Wird Holsten denn außerhalb Norddeutschlands überhaupt getrunken?

Holtz: Wir sind nicht nur stark im Nordwesten, sondern auch im Südosten Deutschlands vertreten. Sachsen ist beispielsweise ein starkes Absatzgebiet für Holsten.

Die Sachsen lieben Holsten? Wie kommt denn das?

Holtz: Das hat historische Gründe. Wir waren mit die erste Marke, die nach der Wende nach Ostdeutschland gegangen ist. Die Mecklenburgische Brauerei in Lübz ist bis heute wichtiger zweiter Standort von Carlsberg Deutschland.

Müssten Sie aber nicht viel innovativer sein? Neue Kreationen wie India Pale Ales oder in Whiskyfässern gereifte Biere kommen aus der Craft-Beer-Szene.

Holtz: Die Craft-Beer-Brauer bekommen sehr viel Aufmerksamkeit, spielen von den Absatzzahlen her in Deutschland aber praktisch keine Rolle. Es handelt sich eher um eine Nische. Mit unserer eigenen Mikro-Brauerei, der Holsten Brauwelt, bedienen wir diesen Trend durchaus und bieten Spezialitäten wie ein Erntebier oder ein Winterbock an. Vom kommenden Jahr an werden wir zudem den Vertrieb für die US-Marke Brooklyn übernehmen. Hier geht es aber um sehr kleine Mengen.

Zumindest schaffen Kreativbrauer wie Ratsherrn etwas, das den großen Konzernen nicht gelingt. Sie begeistern Frauen wieder für das Produkt Bier.

Holtz: Mag sein, aber da können wir mit hochwertigen Bieren wie Duckstein gegenhalten. Sehr gut kommen bei Frauen auch Mixgetränke wie Lübzer Grapefruit an.

Für Holsten gibt es da aber keine Idee.

Holtz: Auch bei Holsten gibt es mit Holsten Radler oder Alkoholfrei durchaus Alternativen für Frauen.

Bedauern Sie es eigentlich, mit Holsten als HSV-Sponsor ausgestiegen zu sein?

Holtz: Das war nicht unsere Entscheidung, sondern ging vom HSV aus. Nun gibt es einen Vertrag mit König Pilsener, aber eine Rückkehr halte ich danach durchaus für möglich. Immerhin hatten wir mit 75 Jahren die längste Bierpartnerschaft in der deutschen Fußballgeschichte.

Welchen Absatz erwarten Sie für Carlsberg Deutschland in 2015?

Holtz: Wegen der besprochenen Rückgänge bei Holsten werden wir in 2015 insgesamt leicht unter dem Absatz des Vorjahres liegen. Mit den anderen Marken Astra, Lübzer, Carlsberg und Duckstein sind wir aber sehr zufrieden.

Geht es etwas konkreter?

Holtz: Genaue Zahlen veröffentlichen wir auf nationaler Ebene nicht.

Aber Sie sind profitabel.

Holtz: Davon können Sie ausgehen.

Ihr Vorgänger hat aufgrund des schrumpfenden Biermarkts in Deutschland die Suche nach einem neuen, kleineren Standort für die Brauerei vorangetrieben. Sind diese Pläne noch aktuell?

Holtz: Ja, wir suchen weiterhin nach einem neuen Standort für die Holsten-Brauerei. An den Rahmenbedingungen hat sich nichts geändert. Das Gelände hier in Altona ist zu groß für uns, die verwinkelten Gebäude und die Verkehrssituation sind nicht ideal. Zudem müssen wir wegen der Nähe zum Wohngebiet mit Einschränkungen bei der Produktion leben. Wir können nicht rund um die Uhr Bier brauen. Durch die Neue Mitte Altona, die gerade in der Nachbarschaft entsteht, wird die Situation zudem nicht einfacher werden.

Wie viel kleiner wird die neue Brauerei?

Holtz: Hier in Altona nutzen wir eine Kapazität von 1,5 Millionen Hektoliter jährlich, die Kapazität der neuen Brauerei soll sich bei etwa einer Million Hektoliter bewegen.

Kostet die Verkleinerung Arbeitsplätze?

Holtz: Das ist möglich, aber so weit sind wir noch lange nicht.

Und woran hakt es bei der Verlagerung?

Holtz: Wir müssen ein Puzzle aus drei Teilen zusammensetzen. Zum einen brauchen wir einen passenden neuen Standort, zum anderen einen Käufer für das alte Gelände. Darüber hinaus benötigen wir auch die endgültige Zusage über die Finanzierung des Neubaus aus der Zentrale in Kopenhagen.

Haben Sie denn schon einen neuen Standort in Aussicht?

Holtz: Es gibt mehrere Standorte, die im Gespräch sind.

Alle in Hamburg?

Holtz: Wir suchen ausschließlich innerhalb der Stadtgrenzen. Ein regionales Bier wie Holsten muss aus Hamburg kommen. Dasselbe gilt auch für Astra. An eine Verlagerung in ein anderes Bundesland ist nicht gedacht.

Gibt es für das Holsten-Areal ein Angebot des Bauunternehmers Helmut Greve?

Holtz: Wir sprechen mit vielen Menschen. Mit wem, kann ich nicht sagen.

Wann soll die Entscheidung denn fallen?

Holtz: Wir wollen bis Ende 2015 eine Entscheidung über die Verlagerung der Brauerei treffen.