Hamburg. Der Brauereikonzern Carlsberg trennt sich von Deutschland-Geschäftsführer Frank Maßen. Der Nachfolger kommt aus den eigenen Reihen.

Diese Nachricht kam völlig unerwartet. Am Donnerstag hat sich die dänische Brauerei Carlsberg von ihrem Deutschlandchef Frank Maßen im gegenseitigen Einvernehmen getrennt. Der 50-jährige Manager stand seit September 2010 an der Spitze des Unternehmens in Hamburg und verantwortete damit so traditionsreiche Marken wie Holsten, Astra, Lübzer und Ducksteiner.

Nachfolger Maßens wird Sebastian Holtz, der praktisch sofort sein neues Amt antritt. Vorher war Holtz Geschäftsführer für den Bereich Handel im Konzern. „Er ist seit neun Jahren für Carlsberg Deutschland tätig und verfügt über fundierte und umfangreiche Kenntnisse über unser Geschäft und unsere Kunden“, so Carlsberg. Neben Maßen musste auch Timo Reimann seinen Hut nehmen, der die gesamte Produktion für Deutschland und die baltischen Länder verantwortete.

Sebastian Holtz war Geschäftsführer Handel und tritt nun die Nachfolge von Frank Maßen an
Sebastian Holtz war Geschäftsführer Handel und tritt nun die Nachfolge von Frank Maßen an © Carlsberg | Carlsberg

Die genauen Hintergründe des überraschenden Führungswechsels blieben zunächst unklar. Man sei gemeinsam zu der Auffassung gelangt, dass „angesichts der organisatorischen Veränderungen in der Carlsberg Group“ und durch die Einführung einer auf europäischer Ebene integrierten Wertschöpfungs- und Lieferkette („Supply Chain“) der Zeitpunkt für Maßen gekommen sei, zurückzutreten, hieß es in der kurzen Mitteilung.

Dies deutet darauf hin, dass die Entscheidungsspielräume für den Deutschlandchef in den vergangenen Monaten immer enger geworden sind. Unter anderem wurden nach Abendblatt-Informationen diverse Funktionen, die zuvor von der Hansestadt aus gesteuert wurden, in ein neues Entscheidungszentrum in der Schweiz verlagert. Für den sinkenden Einfluss der Deutschlandzentrale spricht auch, dass die Position des Produktionschefs nicht wieder neu besetzt wird.

Insgesamt ist der Braukonzern gerade dabei, die eigenen Strukturen auf verschiedenen Ebenen zu verschlanken. Der erst im Juni angetretene Vorstandschef der Gruppe, Cees’t Hart, hat angekündigt, im kommenden Jahr eine komplett überarbeitete Strategie vorzustellen. In diese passte der als eigenständiger Denker und als durchaus selbstbewusst bekannte Maßen offenbar nicht mehr hinein.

International geht es Carlsberg eher mäßig. Die Gruppe musste am Mittwoch nach einem überraschenden Ergebniseinbruch im zweiten Quartal ihre Strategie auf den Prüfstand stellen und das Jahresziel anpassen. Der operative Gewinn werde im Geschäftsjahr wohl leicht zurückgehen, kündigte der weltweit viertgrößte Bierkonzern an. Zuvor waren die Dänen noch von einem Plus im „mittleren bis hohen einstelligen“ Prozentbereich ausgegangen. In Deutschland soll das zunächst eher kühle Wetter und auch eine Preiserhöhung bei Holsten den Absatz in den vergangenen Monaten spürbar gedämpft haben. Genaue Zahlen sind allerdings nicht bekannt.

International leidet Carlsberg unter schwachem Russlandgeschäft

Insgesamt fiel der operative Gewinn vor Sondereffekten im zweiten Quartal um fast 19 Prozent auf 2,92 Milliarden Dänische Kronen (rund 290 Millionen Euro). Konkurrent Heineken hatte dagegen zuletzt vor allem dank guter Geschäfte in Asien für das erste Halbjahr einen überraschend hohen operativen Gewinn präsentiert. Im Gegensatz zu seinen größeren Rivalen Anheuser-Busch, SABMiller und Heineken ist Carlsberg stark vom russischen Markt abhängig. Deshalb konnte das florierende Asiengeschäft die Folgen der Wirtschaftskrise in Russland nicht ausgleichen.

Der plötzliche Führungswechsel in Hamburg trifft die Holsten- und Astra-Brauer in einer denkbar schwierigen Phase. Schließlich hatte der überraschend abberufene Deutschlandchef erst vor wenigen Monaten mit der Suche nach einem neuen Standort für die traditionsreiche Holsten-Brauerei begonnen. Dies hatte zu großer Unruhe innerhalb der Belegschaft geführt, da mit der Maßnahme ein weiterer Arbeitsplatzabbau verbunden sein dürfte.

Angedacht ist der Umzug auf ein Grundstück auf der grünen Wiese, aber innerhalb Hamburgs. Eine Abwanderung ins Umland hatte Maßen ausgeschlossen. Nach der Einschätzung des zurückgetretenen Brauereichefs ist das Gelände in Altona schlicht zu groß, um angesichts des langfristig sinkenden Bierkonsums in Deutschland noch wirtschaftlich betrieben werden zu können. „Insgesamt liegen die Kosten in der Holsten-Brauerei etwa 50 Prozent über denen in unserer zweiten Braustätte in Lübz, die nach neuesten Standards errichtet wurde. Solch einen Unterschied können und wollen wir uns angesichts der starken Konkurrenz und eines weiter schrumpfenden Marktes nicht leisten“, sagte Maßen in seinem letzten großen Interview mit dem Abendblatt vor einigen Monaten.

Problematisch ist der bisherige Holsten-Standort auch deshalb, weil sich die ohnehin schon schwierige Verkehrssituation durch den Bau der Neuen Mitte Altona noch weiter verschärfen wird. Auf der anderen Seite eröffnen sich durch den Verkauf des Filetgrundstücks zum jetzigen Zeitpunkt gute Erlösaussichten für den Konzern, da die zentral gelegene Fläche ausgesprochen begehrt ist.

Wirklich vorangekommen war Maßen bei der Suche nach einem neuen Standort für die Brauerei allerdings nicht. Zumindest wurden keine konkreten Flächen genannt. Durch die angespannte, finanzielle Lage im Gesamtkonzern könnte es auch schwieriger für den Deutschlandchef geworden sein, die benötigten finanziellen Mittel für den Bau einer komplett neuen Brauerei beim Vorstand in Kopenhagen locker zu machen. Maßen hatte mehrfach angedeutet, dass das Projekt in der Hansestadt im Wettbewerb mit mehreren anderen Vorhaben in der Gruppe stehe und sich gegen diese durchsetzen müsse. Auch dieser Kampf dürfte seine Position in Dänemark nicht gerade verbessert haben.

Umstrukturierungen führten zu Auseinandersetzung mit Gewerkschaft

Heftige Auseinandersetzungen hatte Maßen in den vergangenen Monaten auch mit der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) wegen der Umstrukturierungen im Unternehmen führen müssen. So hatten rund 220 Mitarbeiter aus den Brauereien in Hamburg und Lübz zeitweilig in eine nicht tarifgebundene Gesellschaft wechseln müssen, Dieser Konflikt wurde mittlerweile allerdings beigelegt.