Angst vor neuen Krawallen: Eigentümer Kretschmer kündigt die Sanierung und den Ausbau des besetzten Gebäudes an. Senat vermutet, dass der Investor gezielt Unruhe schüren will. Er will Kretschmer aus der Immobilie herausklagen.
Hamburg. Das Poker um die Zukunft der Roten Flora geht in eine neue Runde: Eigentümer Klausmartin Kretschmer will die umstrittene Immobilie am Schulterblatt „nunmehr zeitnah“ sanieren, modernisieren und baulich erweitern, wie sein Immobilienberater Gert Baer am Mittwoch ankündigte. Aus Sicht des Senats gehört die Rote Flora Kretschmer allerdings gar nicht mehr, wie die Finanzbehörde am Mittwoch auf Anfrage überraschend mitteilte. Die vom Senat beauftragten Rechtsanwälte hätten Kretschmer und Baer am 14. Februar schriftlich den Wiederkauf des Gebäudes erklärt. Nach der Rechtsauffassung der Finanzbehörde bedeutet dies: „Herr Kretschmer ist seither nicht mehr der Eigentümer der Liegenschaft Schulterblatt 71!“, wie Behördensprecher Daniel Stricker erklärte.
Die Klageschrift wird dem Gericht in den kommenden Tagen zugestellt
Hintergrund: Die Stadt hatte dem Immobilieninvestor im Januar ein Ultimatum gestellt und ihn aufgefordert, die Rote Flora für 1,1 Millionen Euro an die Stadt zu verkaufen. Andernfalls werde man von dem im Kaufvertrag 2001 festgeschriebenen Wiederkaufsrecht Gebrauch machen und das Gebäude zurückerwerben – allerdings nur für den ursprünglichen Kaufpreis von 190.000 Euro. Zur Begründung erklärte der Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) damals, Kretschmer habe mit seinen mittlerweile abgelehnten Bauvoranfragen für die Errichtung eines sechsstöckigen Kulturzentrums gegen den Vertrag verstoßen. Kretschmer ließ das Ultimatum verstreichen; eine Bauanfrage sei kein Vertragsverstoß.
Nun macht der Senat ernst und verklagt den 55-Jährigen. In der Wiederkaufserklärung Mitte Februar forderte er Kretschmer auf, bis Ende Februar „alle erforderlichen Maßnahmen zur Eigentumsrückübertragung umzusetzen“, wie Stricker sagt. „Dem ist Herr Kretschmer nicht nachgekommen, weswegen der Senat nun den Klageweg beschreiten wird.“ Die Klageschrift werde dem Gericht in den kommenden Tagen zugestellt.
Kretschmer hatte am Mittwoch seinerseits den Druck erhöht und angekündigt, „kurzfristig“ den Keller unter der Roten Flora bis zur hinteren Grundstücksgrenze am Flora Park auf insgesamt 2000 Quadratmeter zu erweitern. Auf der linken Seite soll das Gebäude zudem einen zweistöckigen Anbau mit jeweils 170 Quadratmetern Nutzfläche bekommen. Zuvor wollen Kretschmer und sein Berater Baer eine Begehung mit Vertretern des Bezirksamts sowie Architekten und Rechtsanwälten durchsetzen, und zwar „notfalls mithilfe der Polizei“. Die Aktivisten des Stadtteilzentrums wurden schriftlich aufgefordert, einen Besichtigungstermin in den kommenden zwei Wochen abzustimmen. Sollte sich dabei zeigen, dass die Substanz des Gebäudes noch gut sei, werde man zügig mit der Sanierung beginnen. „Da werden demnächst ordentlich die Handwerker werkeln“, kündigte Baer an.
Dies wird der Senat zu verhindern versuchen. Da Kretschmer nach seiner Auffassung nicht länger Eigentümer der Roten Flora ist, habe er auch kein Recht mehr, sie zu begehen – und werde bei dem Versuch, dies durchzusetzen auch nicht von amtlicher Seite unterstützt. Dies teilte der Senat Kretschmer und Baer am Mittwoch schriftlich mit.
Zu bezweifeln ist, dass die Aktivisten der Roten Flora einfach zusehen werden, wenn an dem linksautonomen Stadtteilzentrum die Bagger anrollen und sich Tiefbauer und Fassadensanierer ans Werk machen. Eine Antwort auf das per Einschreiben zugestellte Begehungsgesuch hat Baer nach eigenen Worten noch nicht erhalten – auch nicht auf das bis Ende April geltende Angebot, im neuen Veranstaltungszentrum günstig Räume mieten zu können. Baer und Kretschmer berufen sich bei ihren Modernisierungs- und Anbauplänen auf den Kaufvertrag und den Bebauungsplan Sternschanze 7. Im Kaufvertrag heißt es, eine weitere Bebauung sei zunächst ausgeschlossen. „Hiervon ausgenommen sind die dekorative Herrichtung, die Beseitigung der Folgen des Feuerschadens, die Wiederherstellung des Kellergeschosses bis zur parkseitigen Grundstücksgrenze sowie Veränderungen geringen Umfangs.“ Sie fordern zudem die Herausgabe eines zwölf Meter breiten Geländestreifens auf dem rückwärtigen Teil des Grundstücks zum Flora Park hin – insgesamt 600 Quadratmeter. Hier sei der Zaun von der Stadt falsch gezogen worden.
Bei der Stadt sieht man die Bau-Ankündigung als eine neue, gezielte Provokation. Und vermutet, dass der Streit gezielt mit Blick auf den 1. Mai angeheizt werden soll – dem Tag, an dem es traditionell im Stadtteil zu linksgerichteten Krawallen kommt. Die Fristsetzung an die Rote Flora bis Ende April sei „ein weiterer Beleg dafür, dass gezielt Unruhe in bestimmten Personengruppen geschürt werden“ solle, so Stricker.