65 Quadratmeter kostenlos: Anbieter möchte lieber regelmäßige Liebesdienste statt Zahlungen. Hamburger Mieterverein reagiert entsetzt.
Hamburg. Wohnungsnot in Hamburg - offenbar wagen Vermieter mittlerweile nahezu alles zu fordern: Über mehrere Stunden wurde Wohnungssuchenden auf dem Immobilienportal wg-gesucht.de eine 65 Quadratmeter große Wohnung in Altona-Nord angeboten. Der Vermieter forderte symbolisch einen Euro und sexuelle Gefälligkeiten. "Mieteinnahmen benötige ich nicht. (...) Falls eine junge Frau zwischen 20 und 35 Jahren Interesse hat, kostenlos zu wohnen, bitte ich um eine aussagekräftige E-Mail", so der Autor der Anzeige. Zudem betonte er, dass sich niemand angegriffen fühlen solle, alles sei rein freiwillig, aber "für die eine oder andere eine gute Chance".
+++ Mieterverein: "Skandalös überhöhte Mietforderungen" +++
"Wir nehmen die Sicherheit unserer User sehr ernst. Einige Menschen nutzen die Anonymität des Internets, um unseriöse Kontaktaufnahmen oder anzügliche Mitteilungen zu senden. Wir gehen gegen Belästigungen jeder Art konsequent vor", erklärt eine Sprecherin des Portals auf Anfrage von abendblatt.de. "Frauen erhalten dort einen gesonderten Hinweis, der explizit vor sexueller Belästigung warnt." Die Sprecherin des Portals stellt zudem klar, dass jede Anzeige auf wg-gesucht.de von Usern bei Unregelmäßigkeiten gemeldet werden kann und sie dann gesperrt werden würde. Die betreffende Anzeige war von Donnerstagabend bis Freitagmorgen online. Mit Hilfe einer besonderen Software bemüht sich die Online-Plattform, entsprechende Anzeigen oder E-Mails schon im Vorfeld abfangen zu können.
+++ Mieten in Hamburg: Mieterverein: In Hamburg stehen viel zu wenige Wohnungen leer +++
Siegmund Chyla vom Mieterverein zu Hamburg ist entsetzt über das unmoralische Angebot des Autorens der Wohnungsanzeige: "Mittlerweile wird in Hamburg die Wohnungsnot schon auf diesem Wege ausgenutzt, das ist erschreckend", sagt der Experte. "Wir raten jedem, auf keinen Fall auf solche Angebote zu reagieren. Das ist hochgradig unseriös." Besonders gefährlich sei in diesem Fall auch die Weitergabe von Kontaktdaten. Grundsätzlich gebe es jedoch immer wieder Angebote, bei denen im Mietverhältnis nicht nur die Zahlung einer Miete vereinbart wird. "Es kommt vor, dass Senioren nach Mietern suchen, die sie unterstützen oder beispielsweise die Zeitung holen", sagt Chychla. "Aber das muss dann eben offen in den Anzeigen angesprochen werden. Und eben nicht versteckt, hinter seltsamen Formulierungen."
+++ Student zur Wohnungsnot - Hamburg fehlen 15.000 Wohnungen +++
Andere Immobilienportale wie "Immonet" reagieren verärgert auf solch dreiste Angebote. Bislang sei dem Anbieter jedoch eine solche Anzeige noch nicht untergekommen. "Bei uns gab es lediglich Fälle, bei denen Betrüger am Werk waren, die unseriöse und unrealistische Angaben in ihren Anzeigen eingestellt haben", sagt Christian Storbeck, Sprecher von Immonet. "Um diese Angebote zu filtern, haben wir eine automatische Überprüfung, die beispielsweise checkt, ob der Mietpreis in der jeweilgen Lage angemessen ist." Sollten seltsame Angaben einem Tippfehler oder einem Versehen geschuldet sein, kontaktieren Mitarbeiter den Anbieter. "Sollten wir aber wirklich einem Betrug auf die Schliche kommen, entfernen wir die Anzeige und informieren Kunden, die bereits darauf eingegangen sind." Im Fall einer Anzeige mit sexuellen Andeutungen, schreitet das Portal sofort ein und löscht das Angebot. Juristisch kann das Unternehmen nicht gegen dubiose Anzeigen vorgehen.
Auf eine Inserat-Anfrage von abendblatt.de reagierte der sexinteressierte Vermieter innerhalb einer Stunde per Mail. Der Autor sei sehr erfreut über die "nette und offene Mail". Wegen der großen Nachfrage wolle er die Anfragen aller interessierten Frauen sammeln und sich dann mit seinen zehn Favoritinnen treffen. Sich selbst beschreibt er folgendermaßen: "Ich bin zwar nicht der Bachelor, habe aber trotzdem sichtbare Bauchmuskeln." Am Ende der Mail fordert der Hamburger die Interessentinnen auf, ihm "ein paar sehr aussagekräftige Bilder oder Videos" zu schicken. Ohne dieses könne er Mails nicht berücksichtigen.
Auf weitere Anfragen über "wg-gesucht.de" wird der Autor jedoch vergeblich warten. Am Freitagmorgen hatte das Portal die unmoralische Anzeige gelöscht. Mehrere Nutzer hatten sie über Nacht gemeldet. "Wir prüfen rechtliche Schritte gegen den Inserenten, da die Anzeige wegen ihres sexuellen Inhalts gegen unsere Richtlinien verstößt", so die Sprecherin von wg-gesucht.de. (lf)