Hamburg. Er führt das Fischereihafen Restaurant an der Elbe seit 25 Jahren. Bei aller Tradition passt er auf, dass das Lokal mit der Zeit geht.

Eigentlich kennt das Fischereihafen Restaurant keinen Ruhetag. Sogar Heiligabend werden die Gäste bedient. Und auch als Seniorchef Rüdiger Kowalke im Februar 2019 nach schwerer Krankheit mit 71 Jahren verstarb, war der Betrieb nach der Trauerfeier geöffnet. Nun aber bleiben die Türen an einem Tag geschlossen. Am 29. Juni feiern der Chef Dirk Kowalke und seine rund 60-köpfige Crew ein Jubiläum. Denn der heute 51-Jährige übernahm am 1. Juli 1997 das Lokal an der Kaikante von seinem Vater Rüdiger – also vor 25 Jahren..

„Ich hatte nach Banklehre und Kochausbildung eine gute Stelle bei Jörg Müller auf Sylt, als Papa mir das Angebot machte, das ich nicht ablehnen konnte“, erinnert sich Dirk Kowalke. Der Senior hatte das Restaurant 1981 eröffnet, als die Große Elbstraße noch keine lukullische Meile war, sondern den Prostituierten als Laufsteg diente. Zur Führung des Familien­betriebs gehören auch noch Stiefbruder Benjamin „Benni“ Kast und dessen Mutter Susanne, die zweite Frau von Rüdiger.

Gastronomie: Dirk Kowalkes übernimmt Restaurant von „Fischpapst“

Dirk Kowalkes erstes eigenes Projekt im Backsteingebäude mit Elbblick war die Oyster Bar. „Die habe ich im Oktober 1997 eingerichtet. Und Barkeeper Ricci ist der erste Mitarbeiter, den ich eingestellt habe.“ Die ersten Jahre seien spannend gewesen und auch manchmal nicht ganz so leicht. „Aber mein Vater hat mich sehr gut begleitet.“ Der Senior blieb als „Fischpapst“ das Gesicht des Betriebes. „Und wenn er von oben zuguckt, wird er mit uns sehr zufrieden sein“, sagt Dirk Kowalke.

Denn bis heute stünden vier Punkte für die Philosophie des Restaurants: „ehrliche Qualität, persönliche Präsenz, eine fröhliche, familiäre Atmosphäre und ein gesundes Preis-Leitungs-Verhältnis“. Das Personal kommt mit diesem Motto wohl gut klar: Viele Beschäftigte sind dem Betrieb seit Jahren treu, auch wenn der Lockdown zu einigen Abgängen geführt hat.

Fischereihafen Restaurant: Räucheraal, Labskaus und Sushi

Was hat sich in den 25 Jahren verändert? „Das Publikum ist jünger geworden. Und nach der unfreiwilligen Pause wegen Corona kommen auch wieder Touristen. Überhaupt sind wir sehr gut gebucht. Wir freuen uns über neue Gäste und schätzen diejenigen, die schon seit Jahren bei uns essen.“ Klassiker wie Räucheraal mit Rührei auf geröstetem Schwarzbrot, Seezunge, Scholle und Labskaus, Wiener Schnitzel und ein ordentliches Steak werden immer auf der Karte stehen. Aber es werden jetzt eben auch Sushi-Variationen, Gambas im Knuspermantel und Dorade mit mediterranen Kräutern serviert.

„Die Saucen sind im Laufe der Zeit leichter geworden, und die Nahrungsmittelunverträglichkeiten nehmen bei den Gästen zu“, so Kowalke. Auch vegane Gerichte kann die Küche zubereiten. Im Laufe der Zeit wurde auch die Weinkarte erweitert. „Die Gäste haben höhere Ansprüche und sind bereit, für gehobene Qualität auch mehr Geld auszugeben. Deutsche Weißweine sind auf dem Vormarsch, während Rotwein selten zum Fisch bestellt wird“, sagt der Chef. „Und es werden mehr Cocktails getrunken. Auch weil Ricci sich immer etwas Neues ausdenkt.“

Fischereihafen Restaurant: Auch nach 25 Jahren wie neu

Dirk Kowalke sagt von sich, dass er sehr „investitionsfreudig“ sei. „Das Restaurant darf keine Patina ansetzen.“ Ständig würden Stühle und Wände aufgefrischt, bei Geschirr, Besteck, Gläsern und Tisch­wäsche auf Zeitgeist geachtet. 2001 kam die Terrasse hinzu. „Ich möchte keinen Sanierungsstau. Und alle aus der Familie gucken genau hin. Drei Augenpaare sehen­ eben mehr als eines.“ Während des Lockdowns wurden der Keller und schlecht zugängliche Abseiten, die Lüftungs- und Klimaanlage überholt. Außerdem soll in diesem Sommer im Restaurant noch ein neuer Teppichboden verlegt werden. „Der mit den kleinen Fischen ist zehn Jahre alt, jetzt kommt etwas dezent grau Meliertes.“

Das jüngste Kowalke-Baby ist der Onlineshop, eine eher erfreuliche Folge von Corona. Unter www.fischereihafen-shop.de sind Grauer Burgunder und Sauvignon Blanc vom Weingut Peth-Wetz in Rheinhessen, Rüdiger Kowalkes Buch „Fisch und Kult“ sowie die „Hamburger Kapitänskiste“ mit vier Würzmischungen erhältlich. Diese Mixturen aus Kräutern und Gewürzen wurden in Zusammenarbeit mit Ankerkraut speziell für die Zubereitung abwechslungsreicher Meeresgerichte komponiert. Künftig sollen auch Weingläser mit Logo sowie Schürzen in Anthrazit zu bestellen sein können.

Labskaus für Angela Merkel

Die Liste der prominenten Gäste im Restaurant ist lang. Sylvester Stallone und die Rolling Stones, Charles und Diana, Tina Turner und Michael Douglas, Leonard Bernstein und der frühere US-Außenminister John Kerry genossen dort ebenso die Spezialitäten des Hauses wie immer wieder Fußballidol Uwe Seeler, Komiker Otto Waalkes oder die verschiedenen Hamburger Bürgermeister. Kanzlerin Angela Merkel kam mal an einem Sonntag und hatte selbst telefonisch reserviert. „Sie aß Labskaus“, erinnert sich Kowalke. „Das Gericht schmeckte ihr so gut, dass sie um das Rezept bat. Wir haben es nach Berlin geschickt und bekamen einen Brief mit persönlicher Danksagung zurück.“

Nachhaltig beeindruckt hat ihn die Begegnung mit Muhammad Ali. „Ich habe ihn angesprochen, als er schon im Auto saß. Er ist wieder ausgestiegen, hat ein paar Zaubertricks vorgeführt und einen Boxkampf imitiert. Ein sehr bewegender Moment.“ Am Abend des 29. Juni sind dann die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Hauptpersonen. Champagner-Empfang und Häppchen, danach ein gesetztes Essen und anschließend Party mit Musik und Tanz sind geplant. Und die Ehrung langjähriger Beschäftigter wie zum Beispiel Büfettier Jose Alvaz, Barkeeper Ricci und Michael Sauter als 2. Küchenchef. „Bewegend wird der Abschied von Heidrun Alexi“, sagt Dirk Kowalke. „Sie ist 1981 als Sekretärin mit Papa aus Kaltenkirchen in den Betrieb gekommen und hört jetzt auf.“

Dirk Kowalkes Kinder Konstantin und Fiona, beide 22, könnten die nächste Generation in der auf Fisch spezialisierten Hamburgensie sein. Der Sohn studiert Sport- und Event-Management, die Tochter hat ihre Ausbildung in einem Hotel in Süddeutschland abgeschlossen. „Beide haben hier schon mit großer Freude ausgeholfen und gejobbt“, sagt der Vater. „Wenn sie in den Betrieb mit einsteigen wollen, wäre das sehr schön. Aber ich mache ihnen keinen Druck.“

Und die Nachfolgediskussion hat noch Zeit. Der Mietvertrag mit der HHLA für das Haus an der Großen Elbstraße 143 läuft noch fünf Jahre mit der Option auf weitere fünf. Dann wäre Dirk Kowalke schon 35 Jahre lang Chef im Fischerei­hafen Restaurant.