Die Pasta-Fachfrau erklärt im Abendblatt-Podcast „Schmeckt’s?“, worauf es bei einem guten Pastagericht ankommt.
Nudeln sind weit mehr als ein Grundnahrungsmittel, das hat sich mittlerweile bis Norddeutschland herumgesprochen. Die italienischen Klassiker gibt es in verschiedensten Formen und Farben, ergänzt durch schwäbische Eiernudeln. Über die Feinheiten der Pastaküche spricht Juliane Greulich im Abendblatt-Podcast „Schmeckt’s?“. Vor zwei Jahren hat sie mit ihrem Mann Felix die 1992 gegründete Hamburger Nudelschmiede „Die Pastafrauen“ übernommen.
Italienische Paste oder schwäbische Eiernudeln
Spaghetti oder Spätzle – die Nudelwelt teilt sich, neben einigen Asiaten, grob in zwei Stilrichtungen: die italienische Pasta aus Hartweizengries und die weicheren schwäbischen Nudeln. „Die italienische Nudel hat einen sehr hohen Kleberanteil“, sagt die Fachfrau. „Dagegen wird die schwäbische Nudel aus Weichweizen produziert. Der Anteil an Klebereiweißen ist sehr viel geringer. Deshalb wird hier immer ein Ei benötigt, um die Nudeln in Form zu bringen.“
Eine Maultasche ist ein deutsches Produkt, und Spätzle sind den Italienern eindeutig zu weich. Greulich: „Sie essen Nudeln lieber al dente, richtig mit Biss.“ Und achten sehr genau darauf, welche Nudel sie mit welchen Zutaten kombinieren. Das hat Gründe: „Eine schmale, dünne Nudel passt gut zu Pesto oder zu einer anderen dünnen Soße, die sich schnell um die Nudel binden. Soßen, die das nicht tun, bleiben auf dem Teller. Zu einer breiten Nudel oder eine Muschelnudel, die viel Soße aufnehmen, würde man dagegen kein salziges Pesto empfehlen, denn sonst hat man mit jeder Gabel zu viel davon im Mund.“
Nicht jede Nudel passt zu jeder Soße
Einer der Klassiker verstößt gegen diese Regel: Die Hackfleischsoße Bolognese wird von einer spiralförmigen Nudel viel besser aufgenommen als von glatten Spaghetti. „Dennoch läuft Spaghetti Bolognese auch bei uns zu Hause sehr, sehr gut“, sagt die Mutter zweier Kinder. „Dann isst man halt die Hackfleischsoße direkt vom Teller.“ Sie finde es „eine Todsünde, wenn man auf alles seine gewohnte, dicke Tomatensoße gießt“, sagt sie und rät, „immer darauf zu achten, was in der Nudel drin ist und was sich damit kombinieren lässt. Manchmal reichen ein bisschen Butter oder Trüffelbutter und frischer Parmesan.“
Vor dem Essen steht die Zubereitung. Generell gilt: Je dicker die Nudel, desto länger sollte sie kochen. Dabei geht es um einzelne Minuten. Gerade bei frischen Nudeln. Sie haben eine wesentlich kürzere Kochzeit als harte. Greulich: „Unsere Spaghetti kochen eine Minute, da darf man zwischendurch nicht ans Telefon gehen.“
Die Nudeln brauchen viel Platz im Topf
Gekocht wird in einem großen Topf mit viel Wasser und etwas Salz. „Die Nudeln brauchen viel Platz – die Italiener sagen: Die Nudeln müssen tanzen“. Sie sollten locker im Topf liegen, rät Greulich. Wenn nötig, sollten sie etwas auseinandergezogen werden, zum Beispiel wenn man ein Nudelnest gekauft hat. „Dann mit Volldampf kochen und sie tanzen lassen.“
Schwäbische Nudeln werden zum Teil in Brühe gegart. Die klassische italienische Pasta brauche jedoch weder Kräuter noch Olivenöl im Kochwasser, betont die Chefin eines 14-köpfigen Teams, das frische Nudeln auf sechs Wochenmärkten verkauft. „Die würde ich nur mit Salz kochen. Das geben Sie am besten erst hinzu, wenn das Wasser kocht, damit die unschönen Flecken am Topfboden nicht entstehen. Frische Nudeln ein bisschen mehr salzen als die klassischen harten Nudeln.“
„Lieber eine gute trockene Nudel als eine schlechte frische“
Öl im Kochwasser sei bei frischen Nudeln kontraproduktiv: Ihre „Poren“ würden sich verschließen, sodass sie die Soße nicht mehr gut aufnehmen. Beim Kochen entweicht Stärke aus den Nudeln. Dadurch kleben sie stark, wenn das Wasser abgegossen ist. Greulichs Tipp: Man gibt etwas Öl hinzu oder verbindet sie mit Pesto oder Soße und serviert sie dann sofort.
Grundsätzlich seien frische Nudeln „viel, viel besser“, urteilt die Expertin, schränkt aber ein: „Lieber eine gute trockene Nudel als eine schlechte frische.“ Ein Nachteil der Frischware ist die viel kürzere Haltbarkeit von fünf bis sieben Tagen. Und: „Wenn man – nach Corona – viele Gäste bewirten will, eignen sich eher die harten Nudeln, weil die frischen durch die kurzen Kochzeiten mehr Aufmerksamkeit brauchen.“
Walze statt Presse macht Nudeln noch hochwertiger
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Herstellungsart – Walze oder Presse. „Wir arbeiten hauptsächlich mit einer Nudelwalze. Die stellt den Teig her, ohne Reibungswärme zu erzeugen. Das macht die Nudel noch ein bisschen hochwertiger.“ Für Hohlnudeln funktioniere nur die Presse, weil man mit der Walze das Loch nicht in die Nudel bekomme. Spaghetti lassen sich auch auswalzen. Dazu braucht man Matrizen: Aufsätze, die die Nudeln schneiden.
Zu Hause Nudeln machen erfordert sehr viel Arbeit, vor allem wenn man keine Maschine hat, sagt die Produzentin: „Man muss den Teig sehr, sehr dünn bekommen und braucht auf jeden Fall Geduld. Die Schwaben sagen, dass man durch den Teig für die Maultaschen Zeitung lesen können sollte. Mein Tipp: beim Ausrollen Reismehl verwenden. Es hat den gleichen Effekt wie Reis im Salzstreuer; es klebt nicht. Man kann den Teig auch ein bisschen antrocknen lassen, damit er nicht mehr klebt. Unsere Vorgängerin Karin Reutter, eine geborene Schwäbin, hat mal erzählt, dass ihre Mutter den Teig immer auf einem Besenstil vorgetrocknet hat.“
Nudeln selber machen ist nicht schwer
Bis auf die Hohlnudeln lassen sich theoretisch fast alle Sorten in der privaten Küche herstellen. „Da gibt es viele Rezepte, das geht“, sagt Greulich. „Ob die Spaghetti dann alle gleich lang und schmal sind, muss man schauen.“ Bei den Nudelmaschinen gebe es einfache Versionen, die nicht allzu teuer seien. Ein richtiges Profigerät koste aber ein paar Tausend Euro.
Ein Vorteil der Eigenproduktion ist die Chance, Nudeltaschen mit verschiedenen Füllungen auszuprobieren. Die Profi-Produzentin empfiehlt als Grundfüllung „immer etwas in Richtung Ricotta/Parmesan. Da kann man dann alles Mögliche hinzugeben und so tolle Füllungen kreieren.“ Viele Kombinationen kenne man aus der Küche, etwa Tomate und Mozzarella, Tomate und Basilikum oder Birne und Ziegenkäse. „Die passen wunderbar in die Nudel. Schon wenn man die Käsesorten austauscht, bekommt man neue Geschmacksrichtungen“, so Greulich.
Klassiker und ausgefallene Kreationen
Sie könne nicht mehr überblicken, wie viele Füllungen die Pastafrauen seit 1992 gemacht haben; es seien sicher Hunderte – „wir machen viel Geschmack über die Füllung“. Darunter seien ausgefallene Kreationen, die gut ankommen. Honig, Ziegenkäse und Lavendel zum Beispiel. Oder Lachs und Orange. Auch Pfifferlinge mit Speck seien „nicht zwingend in feinen Ravioli zu erwarten. Birnen, Bohnen und Speck hatten wir auch schon mal.“
Im Sommer könne man frische Früchte einsetzen, zum Beispiel Himbeerravioli mit Mascarpone, sagt die Nudelartistin. „An heißen Tagen mag ich Tagliatelle mit eingelegtem Schafskäse sehr gern, ein bisschen schärfer zubereitet und durch eingelegte Artischockenherzen ergänzt.“ Mit Blickrichtung Schwaben sagt sie: „Eine schöne Schupfnudel ist im Winter mit Sauerkraut und Speck ganz angesagt. Im Sommer kann man sie zu kaltem Apfelmus essen oder mit Zimt und Zucker – die Schupfnudel ist ja ein Kartoffelprodukt.“ Das funktioniere als Mahlzeit oder als Nachtisch.
Nudeln in allen Formen und Farben
Die Welt der Nudeln wird immer bunter. „Man kann die sie durch Spinat oder Basilikum grün färben“, sagt Greulich. „Oder getupft gestalten, mit getrockneten Kräutern. Für rote Farbe ist Tomate der Klassiker, aber auch Chili gibt eine tolle Farbe. Rote Bete macht ein giftiges Rosalila. Schwarz wird mit Sepia gefärbt, mit Tintenfisch-Tinte. Das schmeckt sehr gut zu Garnelen oder Lachs, ist aber ein riesiger Schweinkram in der Herstellung.“
Die Sepia-Nudeln haben einen ganz leicht fischigen Geschmack. Mit Rücksicht auf das Produktionsteam und die anschließenden Reinigungsarbeiten sei die Sorte allerdings nur alle paar Wochen und nicht auf jedem Markt erhältlich. „Manchmal wünschen die Kunden sie sich, dann machen wir sie natürlich.“
Die Pastafrauen bieten auf dem Isemarkt, in Blankenese, Flottbek und Volksdorf, am Turmweg und Goldbekufer ihre Produkte an. Es habe auf den Wochenmärkten immer eine große Zahl an Stammkunden gegeben, sagt Greulich, in der Corona-Zeit sei sie weiter gewachsen. „Ich hoffe, dass wir ein paar der neuen Kunden binden konnten und sie uns über die Pandemiezeiten hinaus treu bleiben.“