Menden.
Das Urteil war am Ende eindeutig: Verantwortlich ist der 80-jährige Angeklagte für das schreckliche Mendener Schützenfestunglück und damit für den Tod dreier Menschen und die vielen Verletzten. Eine Absicht, ein vorsätzliches Hineinfahren
Es ist ein weiteres Kapitel dieser Tragödie: Während der Angeklagte gestern das Urteil zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung entgegen nahm, trauerte der 80-Jährige um seine Ehefrau. Sie war am Sonntag einem schweren Krebsleiden erlegen, die Beerdigung steht noch aus. Sie hatte an jenem 19. Juli 2009 neben ihrem Mann in dem A-Klasse-Mercedes gesessen. Sie hatte miterlebt, wie die Teilnehmer des Festzugs der Mendener Hubertusschützen durch die Luft geschleudert wurden und die tragische Unglücksfahrt ihres Mannes schließlich nach dem Zusammenstoß mit einem Polizeiwagen an einer Mauer endete. Die danach gebrochene und schwer kranke Frau hatte in dem Gerichtsverfahren schon nicht mehr als Zeugin gehört werden können.
Vater eine Opfers verzieh dem Angeklagten: „Für uns ist es besser, zu verzeihen, als in Hass zu leben.“
Aber auch eine andere Szene gab es gestern am Arnsberger Landgericht. Nach dem Schlusswort des Angeklagten, in dem er erneut unter Tränen bekundete: „Es tut mir unendlich leid”, trat Hans Nowak auf den 80-Jährigen zu, gab ihm die Hand und redete mit ihm. Der Mendener hatte seinen Sohn Thomas bei dem Unglück verloren. Der Offizier der Hubertusschützen, der seine Ehefrau und zwei kleine Kinder hinterließ, war noch am Unglücksort verstorben. Doch für Hans Nowak war diese Geste gestern zum Abschluss dieses achttägigen Prozesses mit fast 30 Zeugen, fünf Sachverständigen und neun Nebenklägern wichtig: „Für uns ist es besser zu verzeihen, als im Hass zu leben.“ Noch immer leide die Familie sehr - der Vater, der Ehemann, der Sohn fehle immer wieder. „Gerade Weihnachten ist es besonders schlimm.“ Aber dennoch: Es müsse nach vorn geschaut werden. Hans Nowak, seine Frau und die Schwiegertochter waren als Nebenkläger in dem Prozess aufgetreten. Ihr Anwalt Dr. Frank Nobis hatte ebenso wie die anderen Nebenklageanwälte kein höheres Strafmaß als Staatsanwältin Sandra Müller-Steinhauer gefordert. Sie hatte die zweijährige Bewährungsstrafe beantragt, die das Gericht letztlich auch verhängte.
Gutachter stritten über möglichen epileptischen Anfall
Für Hans Nowak wie auch für andere Geschädigte war die Höhe der Strafe am Ende aber auch nicht entscheidend. Wiedergutmachen könne ein Urteil das entsetzliche Leid ohnehin nicht: „Ein Zufriedensein mit dem Urteil kann es gar nicht geben.” Doch ein Interesse daran, dass der Angeklagte gar ins Gefängnis kommen könnte, das hatten die Nowaks auch nicht. Doch das stand am Ende auch gar nicht mehr im Raum. Gestern gab es noch einen gewissen Gutachterstreit, ob nicht doch ein epileptischer Anfall die Ursache für jene nur etwa acht Sekunden andauernde Unglücksfahrt gewesen sein könnte. Eine These, die die Verteidigung für möglich hielt. Doch sowohl die Staatsanwältin als auch die Nebenkläger und letztendlich auch das Gericht folgten dieser These nicht: Ein medizinischer Grund sei auszuschließen.
Damit bleibt die drängende Frage nach dem Warum unbeantwortet. Aber dennoch, so der Vorsitzende Richter Willi Erdmann, gebe es genug Erkenntnisse, dass der Angeklagte einen folgenschweren Fahrfehler begangen habe und sich fahrlässig in eine Situation begeben habe, in der er überfordert gewesen sei. Daher gebe es auch die Schuld, die zu einer Verurteilung führen müsse.
Unglücksfahrer will das Urteil akzeptieren
Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, doch laut Verteidiger Wolfgang P. Lange hatte der Angeklagte schon vorher gesagt, dass er jedes Urteil des Gerichts akzeptieren werde. Aber nicht für alle Prozessbeobachter geht das Urteil in Ordnung. Etwa für Martin Kinz, den zweiten Brudermeister der Mendener Hubertusschützen, der gestern in Schützenuniform im Zuschauerraum saß: „Mir ist das Urteil ehrlich gesagt zu lasch.“ Aber er akzeptiere natürlich, dass direkt Betroffene wie die Nowaks auf den Angeklagten zugingen: „Ich wünsche den Angehörigen von Herzen, dass sie endlich ihre Ruhe finden.“