Menden/Arnsberg. .

Der Wunsch vieler Prozessbeteiligter nach einem Urteil vor Weihnachten wird sich nicht erfüllen. Anders als geplant, gab es am Dienstag kein Urteil gegen den Verursacher des Festzug-Unglücks. Das soll erst am 4. Januar fallen.

Der heute 80-jährige Angeklagte leidet an Epilepsie. Diese Diagnose stellte der neurologische Gutachter Prof. Dr. Dr. Stefan Evers. Diese Epilepsie sei aber nicht die Ursache für das Festzug-Unglück. „Der gesamte Ablauf des Unfalls ist undenkbar für einen epileptischen Anfall“, so der Mediziner der Uni-Klinik Münster.

Der Angeklagte leide nicht an einer angeborenen Epilepsie, sondern es handele sich um so genannte dialeptische Anfälle. Dabei sei der Rentner „wie abwesend, nicht reaktions- und nicht handlungsfähig“. Es seien lediglich stereotype Bewegungen möglich. Keinesfalls sei denkbar, dass der Senior während eines epileptischen Anfalls eine komplexe Handlung – Auto starten, ausscheren, beschleunigen – ausführen könne. Hinzu komme, dass auf die epileptischen Anfälle eine Reorientierungsphase folge. Der Angeklagte habe sich aber nach Zeugenaussagen unmittelbar nach dem Unglück abgeschnallt, die Autotür geöffnet und war ansprechbar. „Er war nach dem Unfall kognitiv und motorisch voll da“, so der 47-jährige Arzt. „Das widerspricht einem epileptischen Anfall.“ Der Mediziner berichtete, er habe auch keine anderen neurologischen Diagnosen stellen können, die das Tatgeschehen erläutern würden.

Keine Demenz

Ähnlich äußerte sich auch der zweite medizinische Gutachter, der gestern gehört wurde. Dr. Joachim Scholz, Facharzt für Psychiatrie, hat den Angeklagten mehrfach untersucht. Bei dem Mendener liege eindeutig keine Demenz vor, er sei „kognitiv voll leistungsfähig“. Es gebe keinerlei Hinweise auf eine psychiatrische Erkrankung, auch liege keine schwere Persönlichkeitsstörung vor. Es gebe „aggressive Psychopathen, aber die Persönlichkeit hat er gar nicht“. Der Senior habe zu ihm immer wieder gesagt: „Warum musste das ausgerechnet da passieren, wo so viele Menschen sind?“

Auf Anregung der Verteidigung soll am 21. Dezember ein weiterer Mediziner als außergerichtlicher Gutachter gehört werden: Dr. Bernd Roggenwallner, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie aus Dortmund. Dann soll überprüft werden, ob es ein Erklärungsmodell gibt für die Tragödie, die drei Familienväter das Leben kostete. Es soll um die Frage gehen, „ob die bei dem Angeklagten festgestellte epileptische Erkrankung Einfluss genommen hat auf seine Fähigkeit, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder danach zu handeln“, so der Vorsitzende Richter Willi Erdmann.

Wie sehr das Festzug-Unglück das Leben vieler Menschen geprägt hat, zeigte sich gestern auch deutlich bei der Aussage zweier Opfer. Ein 39-jähriger Gärtner, der im Festzug mitmarschierte, erlitt einen schweren Schock. Noch heute leide er bisweilen unter Schlafstörungen.

Ein 3 3-jähriger Produktionsteamleiter erlitt bei dem Unglück Brüche, Prellungen, eine Platzwunde, einen Innenbandabriss und eine Gehirnerschütterung. Am stärksten aber macht ihm zu schaffen, dass er seinen besten Freund verlor, der genau wie er selbst erst kurz zuvor in die Hubertus-Bruderschaft eingetreten war und zum ersten Mal beim Festzug mitmarschierte. Kurz vor dem Unglück habe er auf das DRK-Fahrzeug und den Streifenwagen gedeutet und zu seinem Freund gesagt: „Schau mal, wie gut wir hier abgeschirmt sind.“ Und dann kam das Unglücksauto, das aus dem prächtigen Festzug eine Tragödie machte.