Velbert. Triathletin Mareike Eißmann aus NRW hat sich für die Ironman-WM auf Hawaii qualifiziert. Wie das Training als Mutter und Berufstätige gelingt.

Zehn Jahre später sagte sie ein zweites Mal „Ja“. Diesmal aber gab’s den Kuss schon vorher, und das weiße Kleid hatte sie gegen knapp zehn Stunden lang vollgeschwitzte Sportkleidung getauscht. Der Ort für das zwar nicht lebensverändernde, aber doch bedeutsame „Ja“ war auch kein Standesamt oder eine Kirche. Sondern der Hamburger Rathausplatz, dem Ziel beim Ironman in der Hansestadt.

Mareike Eißmann hatte gerade ihre Altersklasse gewonnen. Kurz danach ging es um die im Leben aller Triathletinnen und Triathleten wohl bedeutsamste Frage: Du darfst zur Weltmeisterschaft nach Hawaii. Willst du? Ein „Ja“, normalerweise geht das bei dieser Frage schnell über die Lippen,denn die Tropeninsel ist Sehnsuchtsort des Ausdauer-Dreikampfs.

Reisekosten für Ironman auf Hawaii sind explodiert

Dort wurde er erfunden, und mit nur ganz wenigen Ausnahmen findet dort jedes Jahr die Weltmeisterschaft im Langdistanz-Triathlon statt. Die Plätze sind rar: Pro Rennen gibt es in jeder Altersklasse nur wenige Slots, kaum jemand lässt so eine Chance einfach liegen.

Aber: Die Kosten für Reisen dorthin sind explodiert. Und außerdem: Für die Ärztin und Mutter zweier Kinder bedeutet die Vorbereitung auf so ein Rennen ein Wahnsinns-Pensum. Ein „Ja“ zu einem der begehrten Slots für das Hitze-Rennen auf der Pazifik-Insel ist da überhaupt nicht selbstverständlich. Die 39-Jährige aus Velbert hat trotzdem zugestimmt. Im Oktober geht’s zur WM nach Kailua-Kona.

Beim Ironman in Hamburg lief Mareike Eißmann in ihrer Altersklasse als Erste ins Ziel – jetzt steckt sie schon mitten in der Vorbereitung für die Weltmeisterschaft auf Hawaii.
Beim Ironman in Hamburg lief Mareike Eißmann in ihrer Altersklasse als Erste ins Ziel – jetzt steckt sie schon mitten in der Vorbereitung für die Weltmeisterschaft auf Hawaii. © Handout | Privat

Denn Jens Eißmann hatte längst vorgesorgt: Während des Rennens hatte Mareikes Ehemann und Trainer schon geahnt, dass seine Frau weit vorne landen würde. Freunde und Bekannte des Paares, die mit zur Strecke gekommen waren, hatten deshalb vorsorglich angeboten, den beiden beim Erfüllen des Lebenstraums zu helfen: „Sie haben mir gesagt: ‚Ihr fahrt schön nach Hawaii, wir kümmern uns um die Kinder‘“, erinnert sich Jens Eißmann, der eigentlich – ebenso wie Mareike – kategorisch ausgeschlossen hatte, nach Hawaii zu reisen.

Knapp zehn Stunden hatte er Zeit, darüber nachzudenken. Und während sich seine Frau über 3,8 Kilometer schwimmen, 180,2 Kilometer auf dem Rad und durch den abschließenden Marathon quälte, war für den Realschullehrer klar: „Mareike wird in diesem Jahr 40, wir feiern unseren zehnten Hochzeitstag. Da darf man ruhig eine emotionale Entscheidung treffen. Das wollte ich uns gönnen.“

Velberterin über Ironman auf Hawaii: „So ein Ziel muss auch Angst machen“

„Ich war echt überrascht“, sagt seine Frau, die sich eigentlich geschworen hatte, ihre Langdistanz-Karriere vorerst ruhen zu lassen. Denn: Zehn bis 20 Stunden pro Woche trainieren ambitionierte Amateure, die schnellsten eher mehr als weniger. Und mit zwei Kindern im Alter von vier und fünf Jahren muss Familie Eißmann ganz schön mit der verfügbaren Zeit jonglieren.

Da sind besondere Kniffe gefragt. Etwa der morgendliche Lauf zur Arbeit – vom Haus in Velbert zum Elisabeth-Krankenhaus in Essen sind es zu Fuß gut 17 Kilometer –, egal ob die Springflut wütet, es schneit oder die Hitze schon vor Sonnenaufgang drückt. Dann werden Urlaube im Sinne des Trainings gestaltet, und schließlich gibt’s dann und wann noch Hilfe von den Großeltern.

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Ein Kraftakt für die ganze Familie, und wofür? Außenstehenden ist sie schwierig zu vermitteln, die Leidenschaft für diese freiwillige Qual, denn Langdistanz-Triathlon ist nun wirklich nichts für zwischendurch. „So ein Ziel muss auch ein bisschen Angst machen“, stellt WM-Teilnehmerin Mareike Eißmann klar und ergänzt: „Wenn man die spürt, ist es einfacher und logisch, wenn man morgens um fünf Uhr aus dem Bett direkt in die Laufschuhe steigt.“

3,8 Kilometer schwimmen, 180,2 Kilometer auf dem Rad und ein abschließender Marathon: Das erwartet Mareike Eißmann beim Ironman auf Hawaii.
3,8 Kilometer schwimmen, 180,2 Kilometer auf dem Rad und ein abschließender Marathon: Das erwartet Mareike Eißmann beim Ironman auf Hawaii. © Handout | Privat

Die Frage nach dem „Warum“ dürfen alle Außenstehenden trotzdem stellen. Denn Triathlon ist nicht nur harte körperliche und mentale Arbeit, er kostet auch Geld. Rund 8.000 Euro haben Teilnehmerinnen und Teilnehmer im vergangenen Jahr für Anreise, Übernachtung und Startgeld auf Hawaii bezahlt – für die günstigsten Angebote. Hinzu kommt: Aufgrund des Klimas auf der Pazifik-Insel reisen fast alle WM-Starterinnen und -Starter einige Tage oder gar Wochen früher an, um sich an die schwüle Hitze in der Lava-Wüste zu gewöhnen.

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Mareike und Jens Eißmann werden das auch tun, aber als Lehrer ist er an die Schulzeiten gebunden. Und die WM der Frauen steigt am 14. Oktober, dem letzten Samstag der Herbstferien. Aufgrund der langen Rückreise ist es ausgeschlossen, dass er pünktlich zum Start wieder in der Solinger Realschule steht – inklusive Jetlag.

Tödlicher Unfall beim Hamburger Ironman

Aber auch für dieses Problem hatte er eine Lösung gefunden. „Als Trainer gibt es die Möglichkeit, für Weltmeisterschaften freigestellt zu werden. Das habe ich mit der Schulleitung abgeklärt, als klar war, dass Mareike den Platz für Hawaii annimmt“, erzählt er, der am Tag nach dem Wettkampf bei der Siegerehrung sichergehen wollte, dass Mareike den Platz auch wirklich annimmt. Das war aber nicht mehr nötig, denn sie hatte ihre Entscheidung getroffen.

„Wenn ich mich als Zehnte in meiner Altersklasse qualifiziert hätte, hätte ich wohl ‚nein‘ gesagt. Aber mit dem ersten Platz und meiner Zielzeit konnte ich nicht mehr anders. Da waren alle vorherigen Aussagen und Gedanken passé“, sagt die Triathletin.

Aber eins begleitete Mareike Eißmann in den Tagen nach dem Rennen und ließ sie auch längere Zeit danach nicht mehr los. Auf der Radstrecke hatte es einen schweren Zusammenstoß mit einem Radfahrer und dem Fahrer eines Begleit-Motorrads gegeben. Der Motorradfahrer war noch am Unfallort gestorben. „Als ich das gehört habe, sind mir die Tränen gekommen. Da wurde mir klar, wie unwichtig so ein Wettkampf doch sein kann.“

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