Wolfsburg. Volkswagen-Chef Oliver Blume über den harten Sparkurs bei VW, die Probleme bei Audi, Donald Trump und eine neue Technik für die E-Mobilität.

Der Volkswagen-Konzern kommt nicht zur Ruhe. Hinter der Marke VW liegt eine der anspruchsvollsten Tarifrunden ihrer Geschichte. Auf den Konzern wartet eine Vielzahl von Herausforderungen: ein sich verschärfender Wettbewerb, neue Kundenwünsche, politische Umwälzungen, Klimakrise. Oliver Blume, Vorstandchef des Wolfsburger Konzerns, erläutert im Interview, wie er den Volkswagen-Konzern durch all diese Untiefen steuern will.

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    Herr Blume, die Tarifrunde im vergangenen Jahr war ungewöhnlich hart, der Abschluss bringt für die Beschäftigten viele Einschnitte. Wie haben Sie persönlich diese Zeit empfunden?

    Oliver Blume: Ich komme aus dieser Region. Mir liegt deshalb sehr viel daran, dass wir Volkswagen stabil aufstellen. In die Verantwortung zu gehen für eine sichere und wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft des Unternehmens – das war für mich vor gut zwei Jahren mein wesentlicher Antrieb, die Führung des Volkswagens-Konzerns zu übernehmen. In den vergangenen Wochen habe ich mit vielen Menschen gesprochen: mit Freunden, mit Bekannten, mit Kolleginnen und Kollegen aus dem Konzern, die mir viel zurückgespiegelt haben. Auf der einen Seite waren viele besorgt um die Situation bei VW, ganz klar. Auf der anderen Seite wurde auch gesagt: Endlich passiert jetzt was, und ihr geht die Themen an, damit Volkswagen eine gute Zukunft hat. Es gab bei allen Bedenken auch sehr viel Zuspruch.

    Sind Sie mit dem Ergebnis des Tarifabschlusses zufrieden?

    Blume: Ja, und ich bin dankbar, dass sich beide Seiten aufeinander zubewegt haben. Wir werden bei der Volkswagen AG die Produktionskapazitäten um rund 730.000 Fahrzeuge pro Jahr verringern und mehr als 35.000 Arbeitsplätze in Deutschland sozialverträglich abbauen. Es werden jährlich 1,5 Milliarden Euro an Arbeitskosten kurzfristig wirksam. Mit dem Personalabbau und anderen Maßnahmen werden wir die Einsparungen in den nächsten Jahren auf 4 Milliarden pro Jahr hochfahren. Im Gesamtpaket der Maßnahmen über alle Felder wollen wir bis zum Ende des Jahrzehnts zusammengerechnet einen Effekt von mehr als 15 Milliarden jährlich erreichen. Damit stellen wir uns nachhaltig robust auf. Das Ergebnis der Verhandlungen ist ein harter, aber notwendiger Schnitt, zugleich aber ist es angemessen und fair. Jetzt beginnt die Arbeit, den gemeinsam erzielten Abschluss im Schulterschluss umzusetzen. Uns war wichtig, diese Vereinbarungen noch vor Weihnachten zu erreichen.

    Warum? 

    Das hat mehrere Gründe. Die Verhandlungen sollten sich nicht ewig in die Länge ziehen. Das kostet enorme Kraft auf allen Seiten. Zudem war es wichtig, den Menschen schnellstmöglich Klarheit zu geben, wohin die Reise geht. Gerade Weihnachten ist eine Zeit, in der viele Gelegenheit haben, sich zu besinnen und zur Ruhe zu kommen. Zudem wollen wir uns bei Volkswagen möglichst schnell auf die Zukunft konzentrieren. Ein Randaspekt war, kurz vor der Bundestagswahl zu vermeiden, ein möglicher Spielball im Wahlkampf zu werden. Arbeitsplatzsicherheit ist ein wesentliches Thema, mit dem natürlich große Wählerschaften angesprochen werden. Das hätten Parteien aufgegriffen, egal welcher Couleur. Gleichsam wollten wir ein Beispiel für die deutsche Industrie setzen, notwendige Reformen pragmatisch gemeinsam anzugehen. Und damit einen Aufbruch zu erreichen, den unser Land braucht.

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    Sie sprachen von einem harten Tarifergebnis. War diese Härte unumgänglich?

    Mit Blick auf eine sichere Zukunft mussten wir konsequent handeln. Die Rendite der Marke Volkswagen ist zwar aktuell nicht besser und nicht schlechter ist als im Schnitt der vergangenen Jahrzehnte. Aber: Wir sind heute in einer ganz anderen Wettbewerbssituation. Wir konnten uns in der Vergangenheit auf Dividenden und hohe Lizenzerlöse aus China verlassen, um unsere Zukunftsinvestitionen zu stemmen. Das ist heute so nicht mehr gegeben. Hinzu kommt: Wir erleben einen deutlich schrumpfenden europäischen Markt. Das spüren wir, weil Volkswagen in Europa einen sehr hohen Marktanteil hat. Und es sind mehr Wettbewerber in den Märkten unterwegs. Wir haben starke und auch neue internationale Konkurrenten, die zu ganz anderen Kosten produzieren. Deswegen ist es unsere Verpflichtung, die Marke VW robuster und zukunftsgerecht aufzustellen. Und dabei auch Schritte zu gehen, die in der Vergangenheit nicht gemacht wurden.

    Das bezieht sich auf alle Kostenpunkte?

    Ja, und das auch nicht allein bei der Marke VW. Wir haben vor zwei Jahren sogenannte Performance-Programme in allen Marken und Gesellschaften des Konzerns aufgesetzt. Das betrifft unter anderem die Entwicklungs-, Material-, Fix-, Herstell-, Vertriebs- und Arbeitskosten sowie strukturelle Anpassungen. Das läuft parallel bei Audi, das läuft parallel bei Porsche und allen anderen – medial allerdings nicht so prominent. Bei der Marke VW ist die Aufmerksamkeit hoch, weil VW eine besondere Bedeutung hat: für unsere Region, für Deutschland, aber auch international, für unsere Partner und Lieferanten. Übrigens: Einige Themen, die wir verhandelt haben, waren nicht neu.

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    Sie meinen die Personalfrage?

    Ja, Ferdinand Piëch hat vor rund 30 Jahren bereits die Zahl von 30.000 Arbeitsplätzen auf den Tisch gebracht, die abgebaut werden müssten. Er ist dafür stark angefeindet worden. Herbert Diess hat vor vier Jahren diese Zahl auf einem internen Papier notiert und großen Unmut im Unternehmen erzeugt. Mir war es wichtig, diese Herausforderung nicht vor uns herzuschieben – sondern sie gemeinsam anzugehen. Natürlich ist das unangenehm. Aber unvermeidbar, um VW nachhaltig wirtschaftlich robust aufzustellen und damit gerade Arbeitsplätze in unserer Region zu sichern. Positiv ist, dass wir am Ende eine belastbare, sozialverträgliche Lösung gefunden haben, die für die Zukunft trägt.

    Interview mit Oliver Blume
    Volkswagen-Chef Oliver Blume ist auch CEO der Porsche AG. © regios24 | Darius Simka

    Bei der Marke Volkswagen sind die Weichen gestellt, es warten aber andere Baustellen im Konzern. Audi gilt als Sanierungsfall, und auch bei Porsche läuft es nicht mehr rund.

    Unser Umfeld hat sich in kurzer Zeit massiv verändert. Der Markt China oder der verlangsamte Hochlauf der Elektromobilität sind zwei wesentliche Aspekte. Darauf ist in beiden Unternehmen bei Audi und Porsche zu reagieren. Gleichzeitig hat Porsche im vergangenen Jahr in allen Regionen historische Bestwerte bei den Verkäufen erzielt – mit Ausnahme von China. Die Entwicklung in China trifft Porsche nicht allein, sondern das gesamte Luxussegment. Außerdem hat Porsche in 2024 fast die komplette Modellpalette erneuert. Ein großer Kraftakt, der sich mit hervorragender Resonanz aus den Märkten und bei den Fachmedien gelohnt hat. Trotzdem sind strukturelle und finanzielle Anpassungen vorzunehmen, um das Unternehmen weiterzuentwickeln.

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    Und Audi?

    Bei Audi fahren wir mit unserem neuen CEO Gernot Döllner seit eineinhalb Jahren eine umfangreiche Sanierung. Wir haben Teile der Führungsmannschaft neu aufgestellt. Und massiv an den Produkten gearbeitet: beim Design, konzeptionell bei der Technik, in der Qualität. Unser Ziel: Audi wieder dorthin zu führen, wo Audi hingehört. Und wir liegen voll auf Kurs. Audi treibt aktuell eine der größten Modelloffensiven der Geschichte voran. 2024 war ein Übergangsjahr, das war von vornherein klar. Es gab eine Reihe technischer und organisatorischer Themen zu lösen. Für dieses Jahr erwarten wir eine stabilere Entwicklung, angetrieben von neuen Modellen.

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    Gibt es bei Audi ähnliche Einschnitte wie bei der Marke VW?

    Bei Audi sind diese strukturellen Themen bereits im Rahmen des Programms Audi Zukunft angegangen worden. Wir sind dabei, die Produktionskapazität in Ingolstadt von 600.000 Fahrzeugen pro Jahr auf 450.000 zu verringern, in Neckarsulm von 300.000 auf 225.000. Personell haben wir das Team entsprechend angepasst. Audi hat darauf aufbauend aktuell vergleichbare Verhandlungen auf der Kostenseite, die aber noch nicht final abgeschlossen sind. Im Grunde genommen ist es ähnlich zu dem, was wir bei Volkswagen machen und machen werden.

    Nach unseren Informationen ist bei Audi besonders die Technische Entwicklung vom Personalabbau betroffen, angeblich fällt jede zweite Stelle weg.

    Der Umbau und die Transformation betreffen bei Audi auch die Technische Entwicklung personell, aber nicht in der von Ihnen genannten Größenordnung. Die Notwendigkeit ist hier genauso gegeben wie in der Technischen Entwicklung der Marke VW. Dort werden bis 2030 rund 4000 Arbeitsplätze abgebaut. Dahinter steht das Ziel, die Effizienz der Entwicklungsbereiche zu steigern und den Entwicklungskostensatz pro Stunde zu verbessern.

    Unter ihrem Vorgänger Herbert Diess wurde mit großem Aufwand die Software-Einheit Cariad aufgebaut. Allerdings ist sie defizitär, außerdem arbeitet Volkswagen inzwischen in China und in den USA mit externen Software-Partnern zusammen. Wie geht es mit Cariad weiter?

    Wir hatten in den vergangenen Jahren tatsächlich große Probleme in der Software für unsere Fahrzeuge. Als ich die Konzernführung übernommen habe, war es meine vielleicht größte Sorge, diese Baustelle zu beheben. Deshalb haben wir sofort mit der Sanierung und Restrukturierung der Cariad begonnen. Es war die vielleicht härteste und umfangreichste Restrukturierung, die wir in einer Gesellschaft des Konzerns umgesetzt haben.

    Was waren die zentralen Punkte?

    Wir haben mit einem neuen Management-Team zunächst handwerkliche Fehler korrigiert, die Organisation neu aufgestellt und Prozesse im Unternehmen verändert. Und wir haben die Werkzeuge, die wir zur Fahrzeugsoftwareentwicklung einsetzen, deutlich überarbeitet. Die Zusammenarbeit mit externen Partnern haben wir gestrafft und uns auf wesentliche starke Partner konzentriert. Darüber ist es uns gelungen, die Softwaresparte in den Griff zu bekommen. Wir sind mit der Sanierung noch nicht komplett durch, aber schon deutlich stabiler. Die Software für unsere Fahrzeuge wird für den Konzern jetzt ein Schlüssel zum Erfolg sein. Modelle wie der ID.7, der Audi etron Q6 oder der neue Porsche Macan sind bereits sehr positive Beispiele.

    Was bedeutet die Restrukturierung für die Arbeitsplätze?

    Cariad war auf rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgelegt, beschäftigt waren etwa 6.400. Wir haben den Aufbau gestoppt und Cariad bis Ende 2024 auf 5900 Mitarbeiter verschlankt. Gleichzeitig haben wir klare Produkteinheiten mit einem eindeutigen Fokus geschaffen. So haben wir deutlich mehr Zug ins Unternehmen bekommen.

    Parallel dazu hat sich Volkswagen mit Partnern zusammengetan: Xpeng in China und Rivian in den USA. Wie funktioniert dieses Konstrukt?

    Wir haben eine neue weltweite Softwarestrategie für den Konzern aufgebaut. Warum? Weil sich in der Software die sogenannten Ökosysteme der östlichen und der westlichen Welt deutlich unterscheiden. Das liegt auch an der jeweiligen staatlichen Regulatorik in China und in den USA. Wir entwickeln mit unseren Partnern in den Regionen maßgeschneiderte Softwareplattformen für diese Anforderungen. Die Cariad bildet das zentrale Software-Steuerungselement für den Konzern. Das gilt für Querschnittsfunktionen wie autonomes Fahren, Infotainment sowie Datenmanagement, Cloud Services und unser Backend. Wir haben damit die gesamte Software-Landkarte geordnet und eine klare Governance aufgesetzt.

    Krise, harter Wettbewerb, großer Nachholbedarf: Wie zuversichtlich sind Sie, dass Volkswagen in China wieder Marktanteile gewinnt?

    Mit neuen Produkten. Der chinesische Markt hat eine sehr hohe Dynamik, bei Elektrifizierung, Digitalisierung und dem autonomen Fahren. Dieser „China Speed“ gibt den Takt der Entwicklungsgeschwindigkeit vor. Dem stellt sich auch der Volkswagen-Konzern. Deshalb war die Situation auf dem chinesischen Markt eine der wichtigsten Aufgaben, die wir mit unserem China-Chef Ralf Brandstätter sofort angegangen sind. Wir haben uns zunächst um unsere Modellpalette gekümmert, um schneller und kostengünstiger neue Modelle auf den Markt zu bringen. Voll abgestimmt auf die veränderten Bedürfnisse der chinesischen Kunden. Darüber hinaus haben wir unsere neue China-Strategie formuliert, mit dem Prinzip „in China, für China“.

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    Das heißt, Autos werden jetzt in China für China nicht nur gebaut, sondern auch entwickelt – im Zusammenspiel mit chinesischen Partnern?

    Genau. Dafür haben wir rund 3,5 Milliarden Euro in ein eigenes Entwicklungszentrum in Hefei investiert. Dort arbeiten rund 3000 chinesische Softwareingenieure und Entwickler an der neusten Generation intelligenter Elektro-Autos. Schon in diesem Jahr führen wir die ersten neuen Audi-Modelle ein. 2026 startet dann Volkswagen seine Modelloffensive. Wir haben die richtigen Weichen gestellt und fangen jetzt an zu liefern. Das Jahr 2025 wird noch herausfordernd. Ab 2026 erwarten wir, dass die Ergebnisse unserer strategischen Maßnahmen Schritt für Schritt sichtbar werden und wir auch im Elektromarkt deutlich zulegen. Ein wichtiger Vorteil für uns: Anders als viele Wettbewerber verdienen wir in China durch unsere starke Position im Verbrennergeschäft weiterhin Geld, mit dem wir auch zukünftig konsequent in neue Modelle und Technologien investieren können.

    Was können Sie lernen von Ihren Konkurrenten in China? 

    Die Chinesen haben Kompetenz in der Entwicklung von Softwareanwendungen, zum Beispiel der Spracherkennung. Die Menschen dort wollen ihr Auto weniger manuell bedienen, sondern per Sprachbedienung. In China steigen die Menschen morgens ins Auto und geben ihm erstmal zehn Befehle. Erst dann geht es los. Das sind Anwendungen, die wir auf andere Märkte übertragen könnten, wenn es die Kundinnen und Kunden wünschen. Lernen können wir von China, in welcher Geschwindigkeit dort entwickelt wird. Im Gegenzug haben unsere Partner von uns sehr viel gelernt. Zum Beispiel wie man eine Produktion hochfährt, wie man skaliert oder wie man eine Marke aufbaut. Partnerschaften funktionieren immer dann besonders gut, wenn beide Seiten davon profitieren.

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    Volkswagen ist schon länger bestrebt, das US-Geschäft zu stärken, um ein Gegengewicht zum chinesischen Markt zu schaffen. Inwieweit durchkreuzen die Ankündigungen des neuen US-Präsidenten Donald Trump, Zölle auf Produkte aus Mexiko und Kanada einzuführen, Ihre Pläne? 

    Der nordamerikanische Markt spielt für uns eine große Rolle. Er ist zentraler Bestandteil unserer Wachstumsstrategie. Ich halte es für extrem wichtig, in allen Regionen ein starkes Standbein zu haben, um das Geschäft des Volkswagen-Konzerns flexibler und robuster aufzustellen. Porsche haben wir in den vergangenen zehn Jahren so entwickelt, dass das Geschäft mittlerweile auf vier starken Säulen basiert: Europa, Nordamerika, Overseas und China. Da möchte ich den Volkswagen-Konzern auch hinentwickeln. Wir haben im US-Markt eine große Chance. Dort hat der Konzern heute einen Marktanteil von 4 Prozent, die Marke VW liegt bislang lediglich bei 2,5 Prozent. Ein positives Signal ist, dass die Marke VW im vergangenen Jahr in den USA um mehr als 15 Prozent gewachsen ist. Das zeigt die hohe Affinität der US-Kunden für die Marke. Audi wird mit seiner Produktoffensive durchstarten, und Porsche ist in den USA stärker denn je.

    Was ist mit der US-Marke Scout, die sie wiederbeleben?

    Wir haben den Markt sehr genau analysiert: Ein Drittel des gesamten Volumens und sogar die Hälfte des gesamten US-Fahrzeugumsatzes entfallen auf Pick-ups und die großen SUVs. In diesem Segment fanden wir bisher überhaupt nicht statt. Das ändert sich mit Scout. Die Marke war vor Jahrzehnten der Mitbegründer des Pick-up-Segments. Wir haben jetzt die Möglichkeit, Scout ins neue Zeitalter zu transportieren. Wir haben die ersten Fahrzeuge vor kurzem der Öffentlichkeit gezeigt, und es gibt bereits über 50.000 Vorbestellungen mit Anzahlungen. Das Positive des Projektes ist, dass wir eine starke Unterstützung der US-Regierung und der Bundesstaaten erhalten. Das ist eine Art Anschubförderung für dieses neue Unternehmen und entlastet gleichzeitig unsere Kasse.

    Das bewahrt Sie aber nicht vor Zöllen auf Einfuhren aus Mexiko und Kanada, wo VW Produktionsstätten unterhält beziehungsweise aufbaut.

    In Summe investieren wir rund 20 Milliarden Dollar in Nordamerika. Wir haben mehr als 5 Milliarden US-Dollar in unser Werk in Chattanooga gesteckt. 5 Milliarden Dollar fließen in Summe für Scout, mehr als 5 Milliarden Dollar in unsere Partnerschaft mit dem US-Software-Spezialisten Rivian. Für weitere 5 Milliarden Dollar bauen wir eine Batteriezellfertigung in Kanada auf. Das schafft Wertschöpfung und Arbeitsplätze und ist ein Summe ein extrem starkes Statement für Nordamerika. Deshalb denke ich: Wer sich stark in der Region engagiert, der sollte von niedrigen Zöllen profitieren. Die gleiche Position vertrete ich im Übrigen auch in Bezug auf China.

    Interessiert das Donald Trump? 

    Wir werden mit der neuen US-Administration in bewährter Weise zusammenarbeiten. Wir sehen, dass auch viele US-Firmen eng verwurzelt sind mit Kanada und Mexiko. Wir haben in Donald Trumps erster Amtszeit einen wirtschaftlich denkenden Präsidenten kennengelernt, der sich positioniert, der polarisiert und dann konsequent in die Umsetzung geht.

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    Die Scout-Modelle sollen eigentlich als reine Stromer auf den Markt kommen, verfügen aber über einen sogenannten Range Extender. Was ist damit gemeint?

    Ein Range Extender ist ein zusätzlicher kleiner Verbrennungsmotor. Der treibt aber nicht das Fahrzeug an, sondern lädt die Batterie. Es bleiben also technologisch E-Fahrzeuge, nur mit einem eingebauten Ladegerät. So lässt sich die Reichweite auf bis zu mehr als 1000 Kilometer verlängern. Wir sehen aktuell in China, dass diese Technik sehr attraktiv für Kunden ist.

    Kommen die Range Extender auch für die VW-Elektro-Modelle?

    Der Range Extender ist ein gutes Argument, um den Kunden in der Übergangsphase zur E-Mobilität die Reichweitenangst zu nehmen und ihnen den Einstieg zu erleichtern. Wir prüfen derzeit, ob diese Technik auch für unsere Volumenmodelle infrage kommt. 

    Das vergangene Jahr brachte für die E-Mobilität in Deutschland einen Rückschlag, auch weil die Rahmenbedingungen nicht attraktiv genug sind. Ist das eine Delle, oder muss sich VW über den Kurs Gedanken machen? 

    Die unterschiedlichen Weltregionen entwickeln sich sehr unterschiedlich. Nicht nur China, auch einige europäische Länder haben sich sehr stark auf die E-Mobilität ausgerichtet. Dort geht es gut voran. Unsere Strategie steht: Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch. Wie wird daraus eine Erfolgsgeschichte? Es braucht die richtigen Produkte zum richtigen Preis. Das ist die Aufgabe der Hersteller. Es braucht aber auch eine verlässliche Ladeinfrastruktur – nicht nur für Fernstraßen, sondern auch für die Städte. In diesem Punkt sind andere Länder weiter als Deutschland. Das gilt auch mit Blick auf einen günstigen Strompreis und die gesamten Unterhaltskosten. Was wir zudem fordern, ist eine staatliche Förderung. Das heißt nicht, dass der Staat Geld ins Handschuhfach legen soll. Das können Steuermodelle und andere Anreize sein.

    Wenn diese Kriterien gegeben sind, dann brauche ich eigentlich auch gar keine Quoten oder Vorgaben. Dann entwickelt sich die E-Mobilität von allein. Wir sehen das in anderen Ländern Europas oder in China, wo im vergangenen Jahr mehr als 50 Prozent der Neufahrzeuge rein elektrische Autos oder Hybride waren. Ich bin fest davon überzeugt: Wenn wir in Deutschland diese Themen jetzt beherzt mit einer neu gewählten Bundesregierung angehen, mit überzeugenden Lösungen für die Kunden, dann zieht der Markt sehr schnell an. Ein positiver Aspekt für uns ist, dass sich unsere Auftragseingänge für E-Fahrzeuge in Europa nahezu verdoppelt haben. Wir sind in Europa mit Abstand der Marktführer bei elektrischen Fahrzeugen.

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    Erreicht der VW-Konzern die von der EU vorgegebenen CO2-Flottenziele?

    Die vorgegeben Werte brauchen einen Realitäts-Check. Als diese Ziele vor einigen Jahren festgelegt wurden, gingen die Regulatoren von einem viel schnelleren Hochlauf der E-Mobilität aus. Ich habe mich bei der Bundesregierung und bei der EU dafür eingesetzt, dass die Ziele der Marktentwicklung angepasst werden müssen. Es geht nicht primär darum, die entsprechenden Gesetze zu kippen, sondern darum, die Vorgaben für eine bestimmte Zeit auszusetzen. Also an die Realität anzupassen. Im nächsten Jahr wird sich die Situation entspannen, weil mehr Elektrofahrzeuge auf den Markt kommen, bei uns vor allem preislich attraktive Produkte wie der ID.2. Derzeit prüfen wir, was wir noch alles unternehmen können, um die Lage zu entschärfen. Unser Ziel bleibt, Strafen zu vermeiden.

    Kommen wir noch einmal zurück zum Sparkurs bei der Marke VW und den Einschnitten: Wie stehen Sie zur Forderung der Arbeitnehmervertreter, dass die Aktionäre einen Beitrag leisten müssen? Ließe sich das auf der nächsten Hauptversammlung vermitteln?

    Wenn jemand investiert, dann möchte er eine Rendite erzielen, die sich aus der Kursentwicklung und der Dividende zusammensetzt. Der Markt für Geldanlagen ist groß: Ich kann in Unternehmen investieren, ich kann mein Geld zur Bank bringen und Zinsen bekommen. Als Investor überlege ich mir, wo mein Geld am besten angelegt ist. Wenn ich den Investoren jetzt erzähle, dass wir ihnen die Rendite kürzen, dann droht ein Vertrauensverlust, Investoren könnten sich zurückziehen. Das muss jeder wissen, der scharfe Einschnitte bei Dividenden fordert. Wir brauchen gerade jetzt in dieser Phase eine Verbindlichkeit für Investoren, damit sie weiterhin zu uns stehen.

    Der Vorstand soll ebenfalls einen Beitrag leisten. Wie hoch wird er sein?

    Ich halte es für eine Pflicht, dass der Vorstand als Vorbild vorangeht. Das gehört zu meiner Führungsphilosophie: Als Führungskraft musst du immer Vorbild sein. Das, was ich nicht selbst vorlebe, kann ich von anderen nicht erwarten. In allen Bereichen. Bereits im vergangenen Jahr haben wir freiwillig unsere Vergütung abgesenkt, um ein Zeichen zu setzen. Zu den aktuellen Einsparungen tragen wir ebenfalls bei. Der Vorstand und das Management beteiligen sich überproportional. Wir haben im Vorstand Vorschläge erstellt. Der Aufsichtsrat wird im März darüber entscheiden.