Essen. Wann ist eine Ausbildung gut? Das wollte der DGB von jungen Lehrlingen wissen. Das Ergebnis hält einigen Branchen den Spiegel vor.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund in NRW kritisiert eine hohe Zahl der Ausbildungsabbrüche. Knapp 30 Prozent aller Auszubildenden in NRW lösen ihren Ausbildungsvertrag vor dem Ende der vorgesehenen Ausbildungsdauer auf, erklärte der DGB bei der Vorstellung des Ausbildungsreports 2024. Das sei ein „trauriger Höchststand“. Der Report selbst liefert fünf Erkenntnisse zur guten Ausbildung.
1. Die Azubis sind mehrheitlich zufrieden, aber Frust bleibt
Der DGB hat die jungen Menschen nach der Qualität ihrer Ausbildung gefragt, hat Aussagen zu Gehalt, Arbeitszeit und der persönlichen Zufriedenheit zusammengefasst. Danach haben die Banklehre, die Ausbildung zum Gärtner oder zur Fachinformatikerin insgesamt besonders gut bei den Azubis abgeschnitten. Hausaufgaben gibt es hingegen offenbar in Verkaufsberufen, in Zahnarztpraxen oder Friseursalons.
Im Detail zeigen die Ergebnisse: Gut zwei Drittel der Auszubildenden in NRW sind mit ihrer Lehre persönlich zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Das sei eine gute Nachricht, heißt es vom DGB. „Betriebe in NRW, die ausbilden, bieten mehrheitlich gute Ausbildungsbedingungen an“, sagt Gewerkschaftschefin Anja Weber. Tatsächlich liegt die Zufriedenheit der Azubis sogar über dem Arbeitsglück, das Beschäftigte in Deutschland jüngsten Befragungen insgesamt verspüren (45 Prozent). Weber betont zugleich: Es müsse mehr ausgebildet werden und es gebe einzelne Branchen, die ihre Hausaufgaben machen müssten.
Was den DGB umtreibt: In den Jobs, in denen der Frust seit Jahren besonders groß ist, tue sich zu wenig. Wie schon in den Vorjahren sind Lehrlinge in den Bereichen „Maler und Lackierer“, in den Zahnarztpraxen und im Einzelhandel besonders unzufrieden. Diese Azubis fühlen sich auch häufiger unter- oder überfordert. „Es sind immer wieder dieselben Berufe, bei denen wir erhebliche Defizite feststellen“, kritisiert Andreas Jansen, Abteilungsleiter Jugend und Demokratie beim DGB NRW. „Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel müssen die Arbeitgeber jetzt handeln und die Ausbildungsbedingungen in den betroffenen Berufen deutlich verbessern.“
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2. Wohlgesonnene Azubis sind ein Werbefaktor
Im Gegenzug ist das Arbeitsglück in den Lehrberufen Mechatronik, Industriemechanik und dem Tischlerhandwerk konstant hoch. Sie sind die besten Werbepartner ihrer Arbeitgeber: Acht von zehn Azubis, die mit ihrer Ausbildung zufrieden sind, würden ihren Betrieb auch weiterempfehlen. Bei den Unzufriedenen liegt die Quote bei sieben Prozent.
Für gute Stimmung sorgt da sicher auch die Chance auf Übernahme: Ungeachtet des Ausbildungsjahres können sich sechs von zehn der befragten Steuerfachangestellten oder Industriemechaniker sicher sein, auch nach der Lehre beschäftigt zu werden. Das traf aber nur auf 15 Prozent der Maler und Lackierer zu.
3. Wer einen Plan vorgibt, hat zufriedenere Azubis
Zu den Standards einer Ausbildung gehört ein Ausbildungsplan. Er soll jungen Menschen ermöglichen zu erfahren: Was lernt man wann in der Lehre? Dass sie solch einen Plan bekommen, ist gesetzlich vorgeschrieben. Auch ein Ausbilder sollte immer greifbar sein. Beides ist längst nicht in allen Branchen der Fall, wie der DGB-Report zeigt.
Jeder zehnte junge Mensch hat in der Befragung keinen Ausbilder an seiner Ausbildungsstelle an der Seite. Weitere elf Prozent sehen ihre Ausbilder nur selten oder nie. Damit fehlt den jungen Menschen nach Einschätzung der Gewerkschaft eine wichtige Hilfe: „Gutes und qualifiziertes Ausbildungspersonal ist der Schlüssel für eine qualitativ hochwertige Ausbildung und trägt maßgeblich dazu bei, dass Azubis ihre Ausbildung erfolgreich beenden“, sagt DGB-Jugendfachmann Andreas Jansen.
Die Befragung zeigt: Auszubildende, die selten oder nie ihren Ausbilder zu Gesicht bekommen, sind erheblich unzufriedener mit ihrer gesamten Lehre. Jansen stellt das Handwerk als ein gutes Beispiel heraus: Weil in kleineren Betrieben die Betreuung oft schwieriger sei, wurden überbetriebliche Ausbildungszentren geschaffen.
„Gutes und qualifiziertes Ausbildungspersonal trägt maßgeblich dazu bei, dass Azubis ihre Ausbildung erfolgreich beenden.“
Und nicht nur das: In der Befragung beklagten vier von zehn Azubis, dass sie keinen Ausbildungsplan erhalten haben. Das ist gerade besonders wichtig bei der Frage, ob sie ausbildungsfremde Arbeiten übernehmen müssen. Fast 17 Prozent berichten davon, ein Höchstwert, der laut Befragung insbesondere bei Klein- und Mittelbetrieben ein Thema zu sein scheint und maßgeblich die Frustrationsschraube nach oben dreht.
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4. Unbezahlte Überstunden rächen sich
Der Report zeigt, dass junge Menschen mehr arbeiten als sie müssten. Neun Prozent der unter 18-Jährigen arbeiten laut Befragung regelmäßig über 40 Stunden in der Woche. Das ist im Sinne des Jugendschutzes verboten.
Auch Überstunden fallen bei Azubis an. Vier von zehn jungen Menschen im Report machen Überstunden, ein Höchstwert. Insbesondere betroffen sind auch die angehenden Hotelfachleute oder Köchinnen und Köche. Sie kommen auf 5,6 bzw. 7,2 Überstunden in der Woche.
Immerhin die Mehrheit aller betroffenen Azubis kann dafür später freinehmen oder sich über mehr Lohn freuen. Doch zehn Prozent machen die Überstunden ohne jede Anerkennung - auch das ist gegen geltendes Recht. Dieses Problem kennen insbesondere angehende Lackiererinnen, Friseure oder Medizinischen Fachangestellten - Menschen in den Ausbildungsjobs also, die derzeit ein besonders hohes Frustpotenzial haben.
5. Geld ist wichtig, aber nicht alles
Die durchschnittliche Ausbildungsvergütung in NRW liegt bei 919 Euro im Monat - die Unterschiede sind aber gravierend. Hotelfachleute bekommen über 470 Euro mehr als angehende Friseure. Interessant: Im Zufriedenheitsranking liegen die beiden Berufe trotzdem nur zwei Stellen auseinander.
Das sagt das Handwerk dazu
Für Hans Jörg Hennecke, Hauptgeschäftsführer von Handwerk.NRW, zeigt der Ausbildungsreport ein stabiles Bild. Zufrieden sein dürfe man natürlich nie: „Ausbildung ist erfolgreich, weil sie Bildung unter echten Wettbewerbsbedingungen und mit echten Kunden ist“, so Hennecke. „Deshalb müssen Inhalte und Methoden der Ausbildung immer Schritt halten mit dem Wandel von Technologien, Geschäftsmodellen und Arbeitswelt.“
Er betont die Bedeutung von Berufsorientierung an den Schulen, fordert Entlastungen für Ausbildungsbetriebe und verweist auf die Rolle der Berufskollegs: „Wir haben leider immer mehr Schulabgänger mit Lerndefiziten. Deshalb werden ausbildungsbegleitende Hilfen, am besten unmittelbar an Berufskolleg oder Bildungszentrum angedockt, an Bedeutung gewinnen.“