Essen. In NRW zahlen Heimbewohner besonders viel für den Pflegeplatz. Die Kosten werden vielerorts noch steigen, auch in der ambulanten Pflege

Pflegebedürftige Menschen in NRW müssen sich vielerorts auf erneut steigende Kosten fürs Heim und die ambulante Pflege einstellen. Zum Jahreswechsel werden auch die privaten Betreiber der ambulanten Dienste und Pflegeeinrichtungen die Löhne ihrer Beschäftigten anheben.

Weil die Pflegeversicherung nur einen Teil der Lohnerhöhung auffange, sei mit steigenden Eigenanteilen in den Heimen zu rechnen, sagte Bernhard Rappenhöner, Landesvorsitzender des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) in NRW. „Die Betreiber haben keine andere Möglichkeit, als die steigenden Lohnkosten an die Heimbewohner weiterzugeben“, erklärt er. „Auch in der ambulanten Pflege werden Leistungen teurer.“

Ruhrgebietskonferenz Pflege: Sprecher befürchtet eine „mittelschwere Katastrophe“

Im Ruhrgebiet finden Betriebe deutliche Worte. Christian Westermann, Chef des ambulanten Pflegedienstes „Engel vonne Ruhr“, spricht von einer „mittelschweren Katastrophe“. Schon jetzt verzichteten ambulant gepflegte Menschen aus finanziellen Gründen freiwillig auf Pflegeleistungen, die sie eigentlich benötigten. Das werde zunehmen, wenn die Zuzahlungen steigen.

„Wir haben Kunden, die bräuchten eigentlich eine tägliche Versorgung. Wenn wir dann nur einmal in der Woche kommen sollen, finden wir sie in einem zum Teil desolaten Zustand vor“, sagt der Mülheimer als ein Sprecher der Ruhrgebietskonferenz Pflege.

Christian Westermann vom Pflegedienst „Engel vonne Ruhr“ berichtet, dass ambulante gepflegte Menschen schon jetzt aus finanziellen Gründen freiwillig auf Pflegeleistungen verzichteten, die sie eigentlich benötigten. Das werde zunehmen, so seine Prognose.
Christian Westermann vom Pflegedienst „Engel vonne Ruhr“ berichtet, dass ambulante gepflegte Menschen schon jetzt aus finanziellen Gründen freiwillig auf Pflegeleistungen verzichteten, die sie eigentlich benötigten. Das werde zunehmen, so seine Prognose. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

In der Branche gibt es öffentliche und gemeinnützige Träger wie etwa die Caritas, die Tariflöhne zahlen. Private Betreiber, die keinen eigenen Tarifvertrag haben, müssen seit 2022 per Gesetz tarifähnlich zahlen. Mit diesem Schritt wollte der Gesetzgeber Dumpinglöhnen ein Ende bereiten und die Arbeit in der Pflege attraktiver machen. Jedes Jahr wird ein regionales Lohnniveau ermittelt. Das orientiert sich an den verhandelten Tarifabschlüssen für dieses Jahres.

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Laut neuster Berechnung steigt das Lohnniveau in der Pflege in NRW um rund 10 Prozent auf durchschnittlich 23,38 Euro in der Stunde. Für nicht ausgebildete Hilfskräfte soll es einen Stundenlohn von 19,77 Euro geben, examinierte Fachkräfte erhalten 26,56 Euro. Diese bundesweiten Spitzenwerte schlagen stark zu Buche, weil Personal bis zu 80 Prozent der Kosten im Pflegeheim ausmacht. Die Pflegeversicherung deckt nur einen Teil der tatsächlichen Pflegekosten ab. Alles darüber müssen Heimbewohner, aber auch ambulant Gepflegte selbst tragen.

>>> Das sollten Pflegekräfte in Deutschland mindestens verdienen: Die Tabelle des „regionalen üblichen Entlohnungsniveaus“ finden Sie hier

Während Heimbewohner kaum eine Wahl haben, können ambulant Versorgte auf Pflegeleistungen verzichten, auf die sie eigentlich Anspruch hätten, oder diese zugunsten eines Pflegegelds reduzieren. Letzteres soll für die Pflege etwa durch einen Angehörigen ausgegeben werden. Nach Einschätzungen von Fachleuten sind es aber immer häufiger auch finanzielle Nöte, die durch das Pflegegeld abgemildert werden.

Leistungsbeträge der Pflegekassen steigen, fangen die Lohnerhöhung aber nicht komplett auf

Die privaten Pflegeunternehmen müssen das höhere Lohnniveau zum Jahreswechsel zahlen. Ebenfalls zum Jahreswechsel gibt es zwar auch mehr Geld von den Pflegekassen: Die Gelder, die Menschen für ihre Pflege bekommen, steigen um 4,5 Prozent. „Das fängt die Lohnsteigerungen aber nicht auf“, sagt BPA-Landeschef Rappenhöhner.

In Mülheim betont Christian Westermann, dass höhere Pflegelöhne richtig und wichtig seien. Diese müssten aber von der Pflegeversicherung finanziert werden. In den Betrieben sei die Unruhe groß: Weil immer mehr ambulant Gepflegte weniger Pflege in Anspruch nähmen, müssten die Dienste mehr Kundinnen und Kunden gewinnen. Das bedeute mehr Verwaltungsaufwand und mehr Fahrzeiten für die Beschäftigten und damit ungedeckte Kosten für die eh schon finanziell angeschlagene Branche.

Die Hoffnung auf eine baldige Bundes-Pflegereform gerät nach dem Ampel-Aus ins Wanken: „Wir stehen in der Pflege in einem Vakuum und wissen nicht, wohin es 2025 geht“, sagt Westermann.

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