Essen. Nespresso bietet kompostierbare Kaffeekapseln aus Papier an. Wie nachhaltig sind die Verpackungen wirklich? Die Umwelthilfe übt heftige Kritik.
Über drei Milliarden verkaufte Kapseln pro Jahr zeugen von der Kaffee-Leidenschaft der Deutschen. Gleichzeitig sind die Deutschen sensibler geworden, was mögliche Umweltfolgen angeht. Die kritischen Debatten über Plastikmüll, Einwegbehälter oder Alukapseln haben manches Konsumverhalten verändert. Marktführer Nespresso, Tochter des Schweitzer Nestlé-Konzerns, reagiert und führt nun auch in Deutschland kompostierbare Kaffeekapseln auf Papierbasis ein. Doch wie gut schneiden kompostierbare oder recycelbare Kaffeekapseln in Sachen Nachhaltigkeit wirklich ab? Das steckt hinter den Versprechen der Hersteller.
Ab Herbst sind die neuen Kapseln in ausgewählten Nespresso-Boutiquen erhältlich, ab dem kommenden Jahr in ganz Deutschland. Das teilte ein Sprecher des Unternehmens dieser Redaktion mit. Der Kaffee in der Kapsel auf Papierbasis sei eine ergänzende Alternative zur Aluminiumkapsel. Gebrauchte Kapseln könnten zusammen mit Garten- und Küchenabfällen heimkompostiert werden. Details und Preise wollte Nespresso nicht nennen.
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Die edel anmutenden, bunten Aluverpackungen der Schweizer Weltmarke sind inzwischen zum Lifestyle-Produkt geworden. „Nespresso. Was sonst?“ Mit diesem Satz wirbt Hollywood-Star George Clooney seit vielen Jahren für die Kaffeekapseln der Nestlé-Tochter. Mittlerweile gibt es Dutzende Mitbewerber, die mit der Idee der zeitsparenden Kaffeezubereitung Marktanteile erobern wollen. Zugleich kämpfen die Kapsel-Hersteller gegen das Image, überproportional viel Müll zu erzeugen. Als nachhaltige Lösung werden nachfüllbare oder kompostierbare Kapseln beworben. Stimmt das?
Ökobilanzen von Kapselkaffee sind heftig umstritten
2017 hatte Nespresso eine Studie vorgestellt, die die Umweltverträglichkeit von Kapsel-, Fillter und Vollautomatenkaffee verglich. Darin kam das beauftragte Forschungsinstitut Quantis zu dem Ergebnis, dass die Kapseln von Nespresso besser abschnitten als die meisten untersuchten Vollautomaten. Der Vergleich mit Filtermaschinen fiel gleichwertig aus. Auch in den folgenden Jahren ließ sich Nespresso in Quantis-Analysen positive Umwelteffekte bescheinigen. Umweltorganisationen hingegen übten heftige Kritik.
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Thomas Fischer leitet bei der Deutschen Umwelthilfe (DUH) den Bereich Kreislaufwirtschaft. Seit Jahren fordert er ein Verbot von Einweg-Kapseln. Sein Haupt-Kritikpunkt: „In der Verpackungsbranche gibt es eine einfache Faustregel“, sagt er im Gespräch mit dieser Redaktion. „Je kleiner die Menge, die verpackt werden muss, desto größer der Ressourceneinsatz und auch der Müllberg“. Wir haben das mal hochgerechnet: Eine Kaffeekapsel verursacht bis zu 25-mal mehr Verpackungsmüll als eine vergleichbare 500 Gramm Großverpackung für Kaffee“, so Fischer.
Umwelthilfe: Das grammweise Verpacken von Kaffee schafft Müllberge
Bei einer Kapsel kommen auf 6,5 Gramm Kaffee vier Gramm Verpackung, rechnet die Umwelthilfe vor. Das Verhältnis des eingesetzten Materials zum Füllgut sei derart schlecht, dass für wenige Mengen Kaffee überproportional viel Müll anfielen. „Das grammweise Verpacken von Kaffee, egal ob in Papier oder Alu, ist unökologisch. Deswegen lehnen wir auch die neuen Einwegkapseln aus Papier ab“, sagt Fischer.
Neben dem Müllberg ist er vor allem das Aluminium, das seit Jahren Kritik auslöst. Der Grund ist, dass die Gewinnung von Aluminium aus Bauxit, ein enormes Maß an Energie benötigt. Um ein Kilo Aluminium zu gewinnen, werden zwischen 13 bis 20 Kilowattstunden elektrische Energie benötigt und dabei acht bis zehn Kilo CO2 freigesetzt, so das Umweltbundesamt. Als Vorteil gilt, das Aluminium gut recycelbar ist. Das aber bedeutet nicht automatisch, dass die Ökobilanz von Aluminium stimmt.
Recycling von Aluminium: Aus alten Kapseln werden keine neuen
Nestlé gibt an, dass die beliebten Nespresso-Alukapseln aus über 80 Prozent recyceltem Aluminium bestehen. Doch was viele Verbraucher nicht wissen: Mit den in den Filialen zurückgegebenen sowie den gebrauchten Kapseln, die im gelben Sack oder in der gelben Tonne landen, muss das nichts zu tun haben. „Es gibt keine konkreten, belastbaren Zahlen oder Aussagen, von woher welches Material kommt. Wir gehen davon aus, dass der Großteil des Aluminiums für die Kapseln aus Produktionsabfällen stammt, wie sie zum Beispiel beim Stanzen übrigbleiben können“, sagt Fischer. „ Ich vergleiche das mit dem Plätzchenbacken. Sie haben einen Teig, stechen die Plätzchen aus und Reste bleiben übrig. Die können Sie zusammenpacken, wieder ausrollen und ausstechen, aber es ist derselbe ursprüngliche Teig.“
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Wird Aluminium recycelt, wird viel weniger Energie benötigt als bei der ursprünglichen Erzeugung. Doch das Problem ist der Qualitätsverlust bei der Wiederaufbereitung: „In Deutschland gibt es rund 450 Aluminiumlegierungen, die unterschiedliche Mengen fremder Metalle wie Kupfer, Zink oder Magnesium beinhalten. Wenn also die Aluminiumverpackungen aus dem Gelben Sack gemeinsam zu Gussaluminium geschmolzen werden, dann ist der Anteil an Aluminium zu niedrig und der von fremden Metallen zu hoch, um daraus neue Kaffeekapseln herzustellen“, merkt der DUH-Experte an. „Aus dem wiedergewonnenen Aluminium können sie zwar Fenster- oder Fahrradrahmen herstellen, aber keine Kaffeekapseln.“
Die Umwelthilfe fordert daher, dass dieses sogenannte Post-Industrial-Aluminium als Neumaterial gewertet werden solle. „Denn es hat ja noch keinen Produkt-Lebenszyklus als Verpackung hinter sich gebracht“, sagt Fischer.
Umwelthilfe: Auch biologisch abbaubare Kaffeekapseln dürfen nicht in die Biotonne
Kritisch beäugt die Umwelthilfe auch den Umweltnutzen alternativer Verpackungen aus Papier oder biologisch abbaubaren Kunststoffen. Nespresso erklärt auf Anfrage, dass die neuen Kapseln auf Papierbasis zusammen mit Garten- und Küchenabfällen heimkompostiert oder auch in den Restmüll gegeben werden könnten. Die Kapsel beinhalte eine Schutzschicht in Form einer dünnen Folie, die biologisch abbaubar sei und den Kaffee vor Oxidation schütze. Nespresso teilte auf Anfrage mit, dass die Folie aus einem neuartigen Material stamme, wollte jedoch keine Details nennen: „Aufgrund von geistigem Eigentum Dritter können wir die genaue Zusammensetzung nicht bekannt geben“, teilte ein Sprecher mit.
Für die Umwelthilfe ist diese Frage von entscheidender Bedeutung. „Wir haben noch keine genauen Informationen zu den Materialien. Ist es ein Produkt, das ausschließlich aus natürlichen faserbasierten Materialien besteht?“, fragt sich Fischer. „ Auch hier muss man wissen, dass die Herstellung von Papierverpackungen den Einsatz großer Mengen Chemikalien, Wasser und Energie benötigt. Die Frage aber ist, ob das Material auch Kunststoffe enthält“, so Fischer: Denn: Gemäß der Bioabfallverordnung dürfen auch Verpackungen, die biologisch abbaubare Kunststoffe enthalten, nicht in der Bio-Tonne entsorgt werden.
Kompostieranlagen haben Probleme mit den Kaffeekapseln
Was die Umwelthilfe anprangert: „Anders als in der Werbung suggeriert, stellen Bio-Kunststoffe trotz vorhandener Normen zum vermeintlichen biologischen Abbau die Kompostierungsanlagen vor große Probleme“, so Fischer. „So soll die bekannteste DIN-Norm EN 13432 einen biologischen Abbau gewährleisten. Nach drei Monaten darf nicht mehr als zehn Prozent des Produktes übrigbleiben. Ein Großteil der deutschen Kompostierungsanlagen erzeugt jedoch Frischkompost, der innerhalb von zwei bis acht Wochen erzeugt wird. Dieser kurze Zeitraum reicht bei vielen Bio-Kunststoffen nicht für eine Zersetzung aus.“
Die Folge: „Als Störstoffe werden sie dann ausgesiebt und wandern in die Verbrennung. Die Kompostierung von Bioplastik ist somit eine teure Luftnummer.“ Die beworbene Heimkompostierbarkeit, die nur einen winzigen Teil der Kunden betreffe und bei großen Mengen entsorgter Kapseln schwerlich funktioniere, nennt Fischer einen „nicht ernstzunehmenden Marketing-Gag“.
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Selbst der TÜV Österreich, der die Kompostierbarkeit der Nespresso-Papierkapseln zertifiziert hat, weist auf die großen Unterschiede zwischen dem Komposthaufen im heimischen Garten und den Kompostieranlagen der Entsorgungsbetriebe hin: „ Ein biologisch abbaubares Produkt kann von Mikroorganismen abgebaut werden, was aber nicht unbedingt bedeutet, dass das Produkt in einen hochwertigen Kompost umgewandelt werden kann“, so die Prüfer. Was in der industriellen Kompostieranlage in der aggressivsten Atmosphäre klappe, sei nicht auf die Komposttonne im Garten übertragbar.
Umwelthilfe: Es gibt nachhaltige Alternativen zu den Einweg-Kaffeekapseln
Zu viel Müll, zu viele Recyclingprobleme. Gibt es nachhaltige Alternativen zu den Kaffeekapseln? „Wenn es um den Vorteil der Zeitersparnis geht, dann rate ich ganz klar zu wiederbefüllbaren Mehrwegkapseln“, sagt Fischer. „Hier gibt es viele Produkte, die praktisch und leicht zu handhaben sind. Wenn man aber ökologisch alles richtig machen will: Papierfilter, French Press oder türkisch Mokka. Pulver rein, aufgießen, fertig.“
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