Essen. Vertiefte Prüfung mit Carlyle und Gespräche über Einstieg des Bundes. Warum die Kieler Werft zu erfolgreich für Thyssenkrupp geworden ist.

Thyssenkrupp treibt den Verkauf seiner Marinesparte mit ihren U-Boot- und Kriegsschiff-Werften voran: Mit dem US-amerikanischen Finanzinvestor Carlyle geht der Essener Konzern nun in die vertiefte Prüfung (Due Diligence) eines Deals, wie Thyssenkrupp am Dienstag mitteilte. Gleichzeitig werde auch mit der Bundesregierung über eine Beteiligung verhandelt.

Es wäre die favorisierte Lösung für die Kieler Marinewerft. Bereits Martina Merz hatte einen Verkauf angestoßen, ihr Nachfolger Miguel Lopéz forciert die Verselbstständigung des Rüstungsgeschäfts wie auch des Stahls. Carlyle, einer der weltweit finanzstärksten Private-Equity-Fonds, gilt schon lange als bevorzugter Partner. Dazu hatte sich die Konzernspitze in Essen stets auch die Unterstützung seines größten Marinekunden gewünscht - des deutschen Staates.

Bundesregierung prüft Einstieg in der Thyssenkrupp-Werft

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte im vergangenen September bei einem Besuch in Kiel erstmals offen ausgesprochen, dass die Bundesregierung einen Einstieg in die Marine-Werft prüfe: „Wir überlegen das“, hatte er gesagt. Nun erklärte Thyssenkrupp, zeitgleich zu den ernsthaften Verhandlungen mit Carlyle liefen auch „Gespräche mit der Bundesregierung zur Beteiligung des Staates am Marinegeschäft“. Es läuft also derzeit auf die Wunschkonstellation des Industriekonzerns hinaus.

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Den Verkauf führend managen soll Volkmar Dinstuhl, den Konzernchef Lopez im Zuge seiner beim Betriebsrat höchst umstrittenen Vorstandserweiterung zum Chef der Zu- und Verkaufs-Transaktionen (M&A) gemacht hat. Dinstuhl betonte am Dienstag, dass die vertiefte Prüfung kein Selbstläufer sein müsse: „Die Beteiligung einer Private-Equity-Gesellschaft ist eine von mehreren Optionen, die wir derzeit für die Verselbstständigung unseres Marinegeschäfts untersuchen. Mit der aktiven Einbindung von Carlyle gehen wir dafür nun den notwendigen nächsten Schritt und starten die Phase einer ergebnisoffenen Prüfung der relevanten Geschäftsaktivitäten.“ Das schließe aber „die parallele Sondierung weiterer Möglichkeiten der Verselbstständigung am Kapitalmarkt“ nicht aus.

Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) baut mit seinen 7800 Beschäftigten nach eigenen Angaben die weltweit modernsten konventionellen, also nichtatomaren U-Boote. Das sorgte zuletzt für eine wahre Auftragsflut. Derzeit werden in der Kieler Werft sechs baugleiche U-Boote der Dolphin-Klasse 212CD gefertigt – vier für Norwegen und zwei für die Bundeswehr. Schon der bisherige Auftrag hat einen Rekordwert von 5,5 Milliarden Euro. Doch es werden noch mehr, denn Deutschland, das steht laut Pistorius „außer Frage“, will seine Kaufoption für vier bis sechs weitere U-Boote ziehen.

Thyssenkrupp-Marine mit Rekordaufträgen auf zehn Jahre ausgelastet

Thyssenkrupp hatte für seine lange kriselnde Werft in den vergangenen Jahren mit spektakulären Aufträgen das Ruder herumgerissen. Nach dem Deal mit Norwegen und der Bundeswehr bestellte Israel 2022 drei neue „Dakar“-U-Boote für drei Milliarden Euro. Der Spartenchef Oliver Burkhard, gleichzeitig Personalvorstand der Thyssenkrupp AG, bezifferte das Potenzial für die Rüstungsgüter des Konzerns bis 2030 im vergangenen Jahr auf 30 Milliarden Euro. Burkhard stellt vor allem die neuartigen, kaum zu ortenden Stealth-U-Boote aus Kiel ins Schaufenster und bietet sie westlichen Streitkräften an.

Bereits jetzt sind die Werften des Traditionskonzerns auf mindestens zehn Jahre ausgelastet. Natürlich freut sich Thyssenkrupp über die Rekordaufträge und nimmt auch gerne die steigenden Gewinne mit - doch das rasante Wachstum der Marine will auch vorfinanziert werden. Damit sehen sich die Essener aufgrund ihrer jahrelangen Schieflage überfordert und suchen deshalb Partner.

Für das starke Wachstum der Werft fehlen Thyssenkrupp die Mittel

„Die weltweit wachsende Nachfrage nach U-Booten, Marineschiffen sowie Über- und Unterwassertechnologie sorgt für zusätzliche Wachstumschancen“, betont Dinstuhl. Durch die Verselbstständigung des Unternehmens „sollen diese Chancen besser genutzt werden“, sagt er. Gemeint ist: Carlyle soll der Werft das nötige Geld geben, um die Aufträge schneller erfüllen zu können. Angesichts der weltweiten Krisenlagen winken am Ende hohe Gewinne, davon sind die Amerikaner offenkundig überzeugt.

Der Bund könnte sich mit einem Minderheitsanteil zumindest Mitspracherechte sichern, was für den größten Kunden der Kieler Werft strategisch sicher nicht verkehrt wäre. Thyssenkrupp könnte einen Minderheitsanteil an seiner Marine behalten und somit an den künftigen Gewinnen teilhaben.

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Zudem sieht Dinstuhl in diesem Weg den „Ausgangspunkt für eine mögliche nationale und europäische Konsolidierung“. Was nichts anderes bedeutet, dass Partnerschaften und Fusionen mit Rüstungskonzernen befreundeter Länder angestrebt werden könnten, bei denen Thyssenkrupp mit einem starken Finanzinvestor im Rücken den aktiveren Part spielen, sprich durch Zukäufe wachsen könnte. Dass er bei der Konsolidierung „eine führende Rolle“ spielen wolle, hatte Marine-Chef Burkhard mehrfach betont.

Deshalb reagierte er auch diplomatisch zurückhaltend, als im vergangenen Jahr der italienische Werften-Konzern Fincantieri öffentlich sein Interesse am U-Boot-Geschäft des deutschen Traditionskonzerns signalisierte. „Bei U-Booten setzen wir den Standard“, sagte er seinerzeit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ - und demonstrierte damit Selbstbewusstsein. Thyssenkrupp will bei Zusammenschlüssen offenkundig auf der Brücke stehen, mit dem Ruder in der Hand.