Essen/Kiel. Essener Konzern forciert den Verkauf seiner Kieler Marinesparte. Finanzinvestor soll Interesse an Mehrheit haben, der Bund an Minderheitsanteil.
Thyssenkrupp forciert den Verkauf seiner Marinesparte – und die Bundesregierung hat nun erstmals angedeutet, dem Essener Traditionskonzern dabei zu helfen. Der deutsche Staat, zugleich Großkunde der Rüstungssparte von Thyssenkrupp, erwäge einen Einstieg in der Kieler U-Boot-Werft: „Wir überlegen das“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Dienstag in Kiel.
Der Minister war zum Start der Produktion einer neuen U-Boot-Serie an die Ostsee gereist. Thyssenkrupps Marine-Werft mit ihren 3200 Beschäftigen baut dort ab sofort sechs baugleiche U-Boote der Dolphin-Klasse 212CD – vier für Norwegen und zwei für die Bundeswehr. Der bisherige Rekordauftrag hat einen Wert von 5,5 Milliarden Euro. Und Deutschland will seine Kaufoption für vier bis sechs weitere U-Boote ziehen, das stehe „außer Frage“, versicherte Pistorius.
Dass die Werft derzeit mehr als gut ausgelastet ist, bereitet Thyssenkrupp natürlich viel Freude und noch mehr Einnahmen, aber auch Sorgen, die Auftragsflut allein nicht bewältigen zu können. Thyssenkrupp Marine Systems erlebe durch die sogenannte Zeitenwende der Bundesregierung in Sachen Rüstungsausgaben eine starke Wachstumsphase, sagte Marine-Chef Oliver Burkhard, der zugleich Personalvorstand des Gesamtkonzerns ist. Thyssen-Krupp könne dieses starke Wachstum, das zunächst hohe Investitionen erfordert, womöglich nicht mitfinanzieren, sagte Burkhard, „deswegen suchen wir nach frischem Kapital“.
Bundeswehr hat Interesse an zügiger U-Boot-Fertigung
Das ist freilich nicht neu, zumal viele Aktionäre dem Rüstungsgeschäft kritisch gegenüber stehen. Auch der Einstieg des Bundes wird seit langem als Option gehandelt. Schließlich müsste er das größte Interesse daran haben, dass seine Aufträge möglichst schnell auch erfüllt werden, um die Bundesmarine flott zu kriegen. Zugleich dürfte der Bundesregierung auch daran gelegen sein, bei einem etwaigen Einstieg eines ausländischer Großinvestors die Thyssenkrupp-Werft mit einem Minderheitsanteil zumindest mit kontrollieren zu können. Dass die Gespräche nun offenkundig in eine ernste Phase eingetreten sind, lässt Pistorius’ erste öffentliche Äußerung dazu erahnen.
Zuvor hatte das Handelsblatt berichtet, ein Finanzinvestor verhandle mit dem Essener Konzern darüber, die Mehrheit an seiner Marinesparte zu kaufen, ohne ihn zu benennen. Der deutsche Staat wolle einen Minderheitsanteil erwerben, Thyssenkrupp einen Minderheitsanteil behalten. Perspektivisch seien anschließend ein Börsengang oder die Fusion mit einer Sparte der Bremer Lürssen-Werft möglich.
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Bemühungen in diese Richtung gibt es in Essen und Kiel seit langem, Spartenchef Burkhard bekräftigte am Dienstag: „Eine verselbstständigte Marine Systems ist ein besserer Weg nach vorne: für Thyssenkrupp, TKMS, für unsere Kunden, für Berlin und damit für Deutschland.“
Auch die Stahlsparte von Thyssenkrupp könnte verkauft werden
Damit strebt Thyssenkrupp unter seinem neuen Chef Miguel Lopez wohl die Trennung von zwei Schlüsselgeschäften an: Am Stahl mit ihren 27.000 Beschäftigten ist der tschechische Milliardär Daniel Křetínský interessiert. Stahl-Chef Bernhard Osburg signalisierte unlängst in unserem Podcast „Die Wirtschaftreporter, offen für einen Einstieg Křetínskýs zu sein. Die Marine mit ihren insgesamt 6500 Beschäftigten interessiert wegen der weltweiten Rüstungsoffensive vieler Staaten vor allem Finanzinvestoren, das Handelsblatt nennt Carlyle, KKR und Advent. Der italienische Werftenkonzern Fincantieri hatte im Frühsommer offensiv um Thyssenkrupps Marine geworben.