Essen. Der Werftenkonzern Fincantieri aus Italien wirbt um die Marine-Sparte von Thyssenkrupp. Für das Geschäft mit U-Booten gibt es mehrere Szenarien.
Das Geschäft mit U-Booten ist seit jeher ein politisches. Als es Ende vergangenen Jahres um die Taufe von zwei U-Booten für Singapur ging, reiste eigens Bundeskanzler Olaf Scholz zum Werksgelände von Thyssenkrupp nach Kiel, um mit dem Premierminister des Abnehmerlandes, Lee Hsien Loong, die Zeremonie zu absolvieren. Wenige Monate später warb der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Besuch in Indien für die Unterwasser-Boote des Essener Konzerns. Kurz danach veröffentlichte das Unternehmen eine Absichtserklärung zum Bau neuer Schiffe für Indien. „Wenn Indien uns erneut sein Vertrauen schenkt, sind wir bereit“, sagte Oliver Burkhard, der in Doppelfunktion Chef der Thyssenkrupp-Sparte Marine Systems und Personalvorstand des Gesamtkonzerns ist.
Aufträge für die Fertigung von U-Booten sind in aller Regel milliardenschwer. Thyssenkrupp sieht sich weltweit als Marktführer für nichtnukleare U-Boote. Zu den Kunden gehören Länder wie Ägypten, Brasilien, Norwegen und Israel. Der deutsche Brennstoffzellen-Antrieb gilt als eine nationale „Schlüsseltechnologie“. Entsprechend heikel ist es, dass in der Essener Konzernzentrale Pläne für eine Abspaltung des Marine-Sparte verfolgt werden. Die Szenarien, die durchgespielt werden, sind vielfältig und reichen von einer Abspaltung („Spin-off“) über industrielle Partnerschaften bis zu einem Verkauf der Mehrheit des Rüstungsgeschäfts. Finanzinvestoren sollen bereits Interesse gezeigt haben – ebenso wie Marine-Konzerne auf dem befreundeten europäischen Ausland.
Fincantieri buhlt öffentlich um die Thyssenkrupp-Sparte
Besonders in die Offensive geht nun der Chef des italienischen Werften-Konzerns Fincantieri, Pierroberto Folgiero, der öffentlich um die Thyssenkrupp-Tochter buhlt. Schon jetzt gebe es eine gute Zusammenarbeit beim Bau von U-Booten – und daraus könne mehr werden, sagte der Manager im Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“. „Wir sind jedenfalls immer erreichbar für Thyssenkrupp, um uns mögliche Transaktionen anzuschauen und darüber zu reden.“ Denn die internationale Nachfrage in der Branche nehme zu.
Die Antwort von Thyssenkrupp folgte nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung – und sie fällt durchaus höflich aus. „Fincantieri und Thyssenkrupp arbeiten schon lange zusammen“, betont Konzernmanager Oliver Burkhard via Kurznachrichtendienst Twitter. Thyssenkrupp liefere sogenannte „Materialpakete“ nach Italien zur dortigen Fertigung von U-Booten. Als „aktuelles Ziel“ bezeichnet Burkhard indes „die Verselbstständigung“ des Thyssenkrupp-Marinegeschäfts. Danach sollte es dann Gespräche über eine „europäische Konsolidierung“ geben, also über mögliche Zusammenschlüsse von Unternehmen aus der Branche.
IG Metall bringt Beteiligung des Bundes ins Spiel
Klar ist: Ohne den Segen der Bundesregierung würde es keine gravierenden Veränderungen der Eigentumsverhältnisse beim Thyssenkrupp-Rüstungsgeschäft geben. Den Managern in Essen ist klar, dass die deutsche Schlüsseltechnologie nicht in die falschen Hände fallen darf. Bei etwaigen Überlegungen zu einer Abspaltung oder bei Gesprächen mit Finanzinvestoren dürften die Verantwortlichen bei Thyssenkrupp im Kopf haben, ob sie grünes Licht der deutschen Regierung erwarten dürften.
Auch die IG Metall hat sich bereits in Stellung gebracht. „Wir sind überzeugt davon, dass es weiter einen Ankerinvestor braucht“, erklärte die Gewerkschaft unlängst. Entweder müsse der Bund im Falle Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) eine Sperrminorität von 25,1 Prozent wie bei dem Rüstungselektronik-Konzern Hensoldt übernehmen oder der Revierkonzern müsse mit Sicherheitsgarantien durch den Bund an TKMS beteiligt bleiben.
Insbesondere im Norden Deutschlands sichern die Standorte von Thyssenkrupp Marine Systems viele Arbeitsplätze – in Kiel, Hamburg, Bremen, Emden und Wismar. Rund 7500 Beschäftigte gehören insgesamt zu der Thyssenkrupp-Tochter. Mehr als 3000 Mitarbeitende sind es allein am Standort Kiel.
Thyssenkrupp: „Bei U-Booten setzen wir den Standard“
Mit entsprechend viel Selbstvertrauen präsentiert sich Spartenchef Burkhard. „Bei U-Booten setzen wir den Standard“, sagte er unlängst der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. „Unsere Auftragsbücher und Produktionshallen sind gut gefüllt. Marine Systems ist ein Juwel – das bei Thyssenkrupp bisher allerdings etwas unter Wert lief.“ Bei der geplanten Verselbstständigung gehe es jedenfalls nicht darum, das Unternehmen „einfach bloß zu verkaufen“.
Als beispielhaftes Szenario für die Zukunft bezeichnet Burkhard ein sogenanntes „Spin-off“: „Die Aktionäre von Thyssenkrupp würden dann Anteile an einem neuen, werthaltigen Unternehmen bekommen.“ Ein Zusammenschluss mit dem französischen U-Boot-Hersteller Naval stehe nicht zur Debatte, erklärte Burkhard in dem Gespräch Anfang April. „Wir haben Kompetenzen, die Naval nicht hat, zum Beispiel bei der Brennstoffzelle. Dafür haben die Franzosen Atom-U-Boote – das ist aber weder unser Business noch eine militärische Option für die Bundesrepublik Deutschland“, so der Manager. „Außerdem würde Frankreich nie andere Staaten oder Unternehmen an seine Technologie lassen. Eine entsprechende französische Dominanz wäre da sicher nicht auszuschließen. In Analogie zu Airbus eine Art „Seabus“ für Kriegsschiffe zu schaffen: Das sehe ich nicht.“