Arnsberg. Der Arnsberger Dietmar Wosberg ist Westfalens Gastro-Präsident. Wo der Koch größere Probleme sieht als bei 19 Prozent Mehrwertsteuer.
Hotels und Gastronomien in Nordrhein-Westfalen haben sich von der Coronakrise bislang nicht vollständig erholt. Das spiegeln offizielle Zahlen wider, nach denen auch im vergangenen Jahr gegenüber 2019 die realen Umsatzverluste bei rund 15 Prozent lagen. Auch der Start ins neue Jahr lief nach einer aktuellen bundesweiten Befragung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga für NRW-Gastronomen schlecht. Der Arnsberger Koch, Küchenmeister und Gastronom Dietmar Wosberg ist nicht nur ein halbes Jahrhundert im Geschäft, sondern gleichzeitig auch Präsident des Dehoga Westfalen und einer der drei Präsidenten des Dehoga Nordrhein-Westfalen. Ein Gespräch über Mehrwertsteuer, drohende Preiserhöhungen, akuten Fachkräftemangel und den Ernst der Lage.
In Deutschland herrscht gerade Proteststimmung, wenn es um Regierungsentscheidungen geht. Ihre Branche kritisiert die Erhöhung von sieben auf 19 Prozent-Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Die Absenkung sollte die Branche in der Corona-Pandemie entlasten und wurde wegen der kriegsbedingt hohen Energiepreise sogar um ein Jahr bis Ende 2023 verlängert. Es handelt sich also um die Rückkehr zum Normalen. Warum also die Kritik?
Dietmar Wosberg: Erst einmal: Die Forderung nach steuerlicher Gleichbehandlung von Speisen ist „uralt“ und existierte bereits lange vor Corona. Dass die Höhe der Mehrwertsteuer für Speisen zum Mitnehmen oder im Supermarkt niedriger ist als im Restaurant, ist nicht nachvollziehbar und unfair. Für uns waren die sieben Prozent deshalb das Normale, das Faire. Aber die Krisen haben nach Corona nicht aufgehört. Nehmen wir die Kostenexplosionen, die sich bei uns in den Bereichen Energie, Lebensmittel oder Personal besonders niedergeschlagen haben. Auch politische Entscheidungen wie die Mauterhöhung schlagen beispielsweise bei uns durch. Früher waren Warensendungen in der Regel frachtfrei. Die Krise ist einfach nicht vorbei, sie heißt nur nicht mehr Corona. Aktuell werden wir an der Erhöhung von sieben auf 19 Prozent erst einmal nichts ändern können, aber die Forderung bleibt neben anderen Punkten trotzdem oben auf der Agenda.
Das Essengehen wird also zwangsläufig teurer?
Einerseits müssen wir wirtschaftlich arbeiten, um davon leben und unsere Beschäftigten bezahlen zu können - ein Restaurant ist ja keine karitative Einrichtung. Also müssen die Preise angepasst werden, wenn die Kosten durch die Decke gehen. Andererseits können und wollen wir nicht wahllos die Preise nach oben schrauben. Da muss jeder seinen Weg finden, die meisten Gastronomen im Sauerland sind gut aufgestellt und machen es gut. Am Ende darf es aber nicht dahin kommen, dass das Essengehen Luxus wird.
Ist es nicht für viele Menschen bereits Luxus?
Die Mehrwertsteuererhöhung hat die Situation für die Preisgestaltung sicherlich erschwert. Das war ja auch unsere Sorge. Aber erst einmal gibt es weiter sehr viele, auch preislich unterschiedliche Angebote für jeden Geldbeutel. Man kann das Angebot zudem variieren, um preislich attraktiv zu bleiben. Im Vergleich zu Großstädten sind die Preise hier im ländlichen Raum zudem grundsätzlich niedriger. Die nächsten Wochen und Monate werden spannend, aber ich bin sicher, dass die Betriebe mit einem vernünftigen Konzept weiterhin laufen und auch eine Zukunft haben. Gastronomie wird es immer geben.
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In der Hochphase der Corona-Pandemie hat die Branche viel Personal verloren. Tatsächlich arbeiten heute mehr Menschen in NRW in der Hotel- und Gastrobranche als 2019. Das ist doch eine positive Nachricht, oder?
In der Coronazeit sind uns viele erfahrene Stamm-Aushilfskräfte verloren gegangen, weil es Kurzarbeitergeld nicht für Aushilfen gab. Die Zahl der Beschäftigten ist in den vergangenen beiden Jahren aber zum Glück wieder deutlich gestiegen. Allerdings sind darunter viele neue Aushilfskräfte, Schüler und Studierende, die von null gestartet sind und denen logischerweise die Erfahrung fehlt. Das baut sich Schritt für Schritt auf. Wir brauchen aber genauso dringend Fachpersonal, aber das fällt nicht vom Himmel.
Wie wäre es mit mehr Ausbildung?
Corona hat dazu geführt, dass weniger Betriebe ausgebildet haben, aber auch die Nachfrage war eingebrochen. Die Lockdowns haben dabei nicht nur die Ausbildung erschwert, sondern uns auch Attraktivität gekostet. Jetzt erholen wir uns, auch wenn wir das Vor-Corona-Niveau noch nicht ganz erreicht haben. Ich würde mir wünschen, dass wieder mehr Betriebe ausbilden und mehr junge Menschen ausgebildet werden wollen. Wenn in zehn Jahren niemand mehr weiß, wie eine Sauce Hollandaise aufgeschlagen wird, dann ist es wirklich vorbei.
Ist die Branche einfach zu unattraktiv für junge Menschen?
Finanziell sicher nicht. Auszubildende „verdienen“ mittlerweile 1100 Euro im ersten Lehrjahr. Damit bewegen wir uns auf dem Niveau von Banken und dem öffentlichen Dienst. Auch die Lohnzuwächse waren zuletzt deutlich. Eine Hürde sind eher die Arbeitszeiten, obwohl ja auch bei der Polizei, in der Pflege oder im Krankenhaus nicht nur tagsüber gearbeitet wird. Eine Hochzeitsfeier findet aber in der Regel nicht morgens um acht Uhr in der Woche statt. Wir brauchen junge Menschen, die für das Gastgewerbe „brennen“, aber auch bessere Rahmenbedingungen, um als Branche attraktiver zu werden. Dazu gehört unter anderem eine Überarbeitung des Arbeitszeitgesetzes, weg vom Acht-Stunden-Tag hin zu einer flexiblen Wochenarbeitszeit. Aber natürlich müssen wir auch mehr junge Leute für uns begeistern. Da können wir uns auch als Verband sicherlich verbessern. Wenn wir in 20 Jahren noch in ein Restaurant gehen wollen, dann müssen sich jetzt alle bewegen: die Politik, die die Rahmenbedingungen vorgibt, die Schulen bei der Berufsorientierung, vielleicht auch die Eltern, die selbst gerne essen gehen – und nicht zuletzt wir mit unseren Betrieben