Berlin/Düsseldorf. Microsoft will Milliarden in Großrechenzentren investieren. Warum der US-Konzern dafür NRW auswählte – und wofür die Rechenleistung dient.
Der US-Technologieriese Microsoft wird in den kommenden zwei Jahren knapp 3,3 Milliarden Euro in Deutschland investieren, um seine Rechenzentrumskapazitäten für Anwendungen im Bereich Künstlicher Intelligenz (KI) und beim Cloud Computing massiv auszubauen.
Das kündigte Microsoft-Präsident Brad Smith am Donnerstag in Berlin bei einem Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an. Ein großer Teil dieser Investitionen fließt nach Nordrhein-Westfalen, konkret nach Bergheim und Bedburg im Rheinischen Braunkohlerevier, ein Teil aber auch nach Hessen. Die Rhein/Main-Region gilt als führender Standort für Rechenzentren in Deutschland.
NRW-Ministerpräsident Wüst: Größte Einzelinvestition in der Geschichte Microsofts
Laut NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) handele es sich um die größte Einzelinvestition in der 40-jährigen Geschichte von Microsoft. „Damit kann das Rheinische Revier zum internationalen Vorbild für einen gelungenen Strukturwandel werden. Man schaut auf uns“, sagte Wüst am Donnerstag im Landtag. Der globale „Tech-Gigant“ Microsoft werde damit „zum Partner des europäischen Industriestandortes Nummer eins“.
Microsoft möchte in NRW eine von weltweit derzeit rund 40 Cloud-Regionen einrichten. Der Konzern sucht damit die Nähe zu Großkunden wie Bayer und RWE, um die Datenlaufzeiten zwischen den Rechenzentren und den Anwendungen möglichst niedrig zu halten. Laut NRW-Wirtschaftsminister Mona Neubaur (Grüne) könnten womöglich an jedem der neuen Microsoft-Standorte bis zu 1500 Arbeitsplätze entstehen. „Wenn man sich Vergleichbares anguckt, ist das ungefähr das, was wir annehmen können“, sagte sie. Hendrik Wüst deutete an, im Rheinischen Revier könne sogar ein dritter Microsoft-Standort entstehen. Für Details sei es aber noch zu früh.
Olaf Scholz: Microsoft fördert Strukturwandel im Rheinischen Revier
„Das ist ein guter Morgen für Deutschland“, sagte Bundeskanzler Scholz am Donnerstag bei der Pressekonferenz mit Brad Smith. Der Wirtschaftsstandort Deutschland könne vom Microsoft-Engagement profitieren. Microsoft fördere damit den nötigen Strukturwandel im Rheinischen Revier, bringe hierzulande die Recheninfrastruktur voran und stärke das „deutsche Ökosystem“ rund um künstliche Intelligenz. Solche Projekte zeigten, dass große internationale Investoren dem Standort Deutschland vertrauten.
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Brad Smith beteuerte, dass sich NRW und Hessen das Investment von Microsoft nicht mit Subventionen erkaufen müssen. „Wir werden keine Subventionen erhalten und haben auch nicht danach gefragt“, sagte er in Berlin.
Microsoft in NRW: Wie reagiert die Landesregierung?
Auf diesen „Coup“ hat NRW lange gewartet. Etwas neidisch blickte die Landespolitik zuletzt nach Ostdeutschland, wo zum Beispiel Tesla ein großes Werk baute. Eine bange Frage machte die Runde: Ist NRW etwa für die weltweit großen Player im Wirtschaftsleben ein Niemandsland? Am Donnerstag wurde diese Frage mit Nein beantwortet: Der Technologieriese Microsoft will sich im Rheinischen Revier engagieren und dort Milliarden investieren.
Natürlich mit Stolz, aber Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) widerstand der Versuchung, NRW und seine eigene schwarz-grüne Landesregierung als alleinige Väter des Erfolges zu präsentieren. Er erwähnte, dass Microsoft-Chef Brad Smith am Mittag die gute Nachricht, eine Summe „in nie dagewesener Höhe“ zu investieren, neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verkündet hatte. Mit dem Microsoft-Coup könnten sich viele schmücken: Das NRW-Wirtschafts- und das -Heimatministerium, die Kommunen im Rheinischen Revier, auch die Bundesregierung habe „mitgetan“.
Aber die Entscheidung von Microsoft für NRW sei natürlich auch das „Resultat konkreter Standortpolitik der Landesregierung“, so Wüst. Man habe diesen Prozess über viele Jahre begleitet. Wüst kündigte an, am Freitag am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz mit Microsoft-Chef Brad Smith sprechen zu wollen.
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) meinte, es sei gelungen, Microsoft durch gute Argumente und nicht durch Geld anzulocken: „Vielleicht ist Standortpolitik nicht immer das große Wedeln mit Fahnen und dicken Schecks.“ Das Unternehmen selbst betont, dass staatliche Subventionen bei der Entscheidung für NRW keine Rolle spielten.
Warum interessiert sich Microsoft für das Rheinische Revier?
In dieser Region schneiden sich zwei große europäische Internet-Datenleitungen. Hendrik Wüst bezeichnete dies am Donnerstag als „Lage-Gunst“. Schon im Frühjahr 2021 habe das damals noch von Andreas Pinkwart (FDP) geleitete NRW-Wirtschaftsministerium den Vorteil der sich schneidenden Datenleitungen erkannt und ein Gutachten in Auftrag gegeben, erklärte Wüst. Mit diesem Gutachten sei es gelungen, das Rheinische Revier als Top-Standort für Investitionen zu profilieren. Das habe Microsoft auf die Spur gebracht. Der Technologie-Gigant sei dann auf „NRW Global Business“ – das ist die Außenwirtschaftsförderung des Landes NRW – zugegangen.
Die Lage der geplanten Microsoft-Rechenzentren für Cloud-Computing im Rheinischen Revier sei laut Wüst auch wegen der Nähe zu Großkunden wie etwa Bayer oder RWE vorteilhaft. Die Nähe zwischen Servern und Internet-Nutzern ist wichtig, weil dadurch die Laufzeiten für Übertragungen kürzer werden.
Neben der Nähe zu den Datenleitungen bringe NRW laut Wüst weitere Standortvorteile mit: Es liege mitten in Europa, verfüge über einen „großen Pool an gut ausgebildeten Fachkräften, und die Forschungslandschaft in NRW habe Expertise beim Thema Künstliche Intelligenz.“
Was hat Microsoft in NRW vor?
Der Konzern will im Rheinischen Revier, konkret in Bedburg und Bergheim, Großrechenzentren („Hyperscaler“) bauen. Das sind Netzwerke für „Cloud-Computing“, also für Dienste, die nicht über lokale Rechner, sondern über das Internet angeboten werden.
Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung der Wirtschaft ist Cloud-Computing für Unternehmen immer interessanter. Denn Rechenkapazitäten, Speicherplatz und Software werden zunehmend über das Internet bezogen. Mit Cloud-Computing können Unternehmen Informationen abspeichern und auf diese zugreifen, ohne dass sie in eigene Geräte oder IT-Infrastruktur investieren und diese verwalten müssen.
Microsoft will auch in der Region seine Kompetenzen in der Künstlichen Intelligenz (KI) ausspielen. „Wir wollen der deutschen Wirtschaft ermöglichen, von Künstlicher Intelligenz (KI) zu profitieren, um auch weiterhin ihre globale Spitzenposition bei der Wettbewerbsfähigkeit auszubauen“, sagte Microsoft-Chef Brad Smith, bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Olaf Scholz. „Wir sehen eine steigende Nachfrage nach KI in wichtigen Wirtschaftszweigen wie Fertigung, Automobilbau, Finanzen, Pharma, und Medizintechnik.“
Microsoft plant Investitionen in NRW: Was sagt die Opposition?
SPD-Landtagsfraktionschef Jochen Ott sprach von einem „Meilenstein in der industriellen Wende“. Er rede allerdings die Rolle des Landes beim Microsoft-Coup klein. Die Bundesregierung sowie die Bürgermeister von Bergheim, Bedburg und Elsdorf hätten in einem gemeinsamen Kraftakt die Ansiedlung von Microsoft möglich gemacht. Von der Landesregierung habe es bis auf zwei Gutachten zu IT- und steuerlichen Fragen keine weitere Unterstützung gegeben. „Ihr fallen jetzt die Früchte in den Schoß für eine Arbeit, die andere gemacht haben“, so Ott.
FDP-Landtagsfraktionschef Henning Höne kommentierte es so: „Für die datengetriebene Transformation unserer Wirtschaft und Gesellschaft wird die Dateninfrastruktur immer wichtiger. Wir freuen uns sehr über die Pläne, die Microsoft-Präsident Brad Smith heute beim Gespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz vorgestellt hat. An dem Microsoft-Deal hat die schwarz-grüne Meckerregierung in NRW jetzt natürlich nichts auszusetzen.“
Für das Rheinische Revier sei das Microsoft-Engagement eine „Jahrhundertchance“. Die Machbarkeit von großen Rechenzentren im Rheinischen Revier sei eine Idee „mit FDP-Wasserzeichen“, denn der frühere liberale Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart habe schon vor drei Jahren wichtige Weichen dafür gestellt. Die schwarz-grüne Landesregierung dürfe diese Chance nun nicht durch „träge Planungs- und Genehmigungsverfahren“ verschenken, so Höne. Flächen für die Rechenzentren müssten schnell verfügbar gemacht werden. (mit dpa)