Essen. In Dortmund fahren dank des Deutschlandtickets 32.000 Menschen mehr Bus und Bahn. Stadtwerke stoßen aber an ihre Finanzierungsgrenzen.

Das Deutschlandticket für 49 Euro ist ein Verkaufsschlager. Allein in Dortmund nutzen es 110.000 Kundinnen und Kunden und damit 32.000 Abonnenten mehr als bislang. Die Dortmunder Stadtwerke-Chefin Heike Heim spricht von einer „Erfolgsstory“, die aber auch ihre Kehrseite habe: Es sei völlig ungeklärt, wer die benötigten zusätzlichen Busse und Bahnen bezahlt und wer sie fahren soll.

„In Dortmund können wir mit dem Deutschlandticket sehr zufrieden sein“, sagt Heike Heim im Podcast „Die Wirtschaftsreporter“. Seit Juni steht die Managerin an der Spitze des großen Stadtwerkekonzerns DEW 21, der Strom, Gas und Wasser verkauft, Wohnungen vermietet, das Dortmunder Nahverkehrsnetz bespielt, Telekommunikationsleistungen anbietet und den hiesigen Flughafen betreibt. So sehr sich Heim auch freut, dass deutlich mehr Menschen für monatlich 49 Euro nun mit Bus und Bahn fahren, macht sie sich auch Sorgen. „Die Finanzierungsfrage ist leider abschließend noch nicht geklärt“, sagt die Vorstandsvorsitzende im Hinblick auf die ausstehende Einigung zwischen Bund und Ländern.

Bundesweit fehlen 400 Millionen Euro für 2024

Nach Berechnungen des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen fehlen bundesweit für das kommende Jahr mindestens 400 Millionen Euro, um die Kosten des Deutschlandtickets zu decken. „Da hätten wir uns natürlich als Branche etwas mehr Rückenwind für das Deutschlandticket erhofft“, erklärt Heim in Richtung Politik.

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So sehr sie den neuen Run auf den Nahverkehr begrüßt, bereitet ihr die eingeleitete Verkehrswende aber auch aus ganz anderen Gründen Kopfzerbrechen. Denn die Dortmunder Stadtwerke brauchen zusätzliche Fahrzeuge. „Ein Elektrobus kostet 750.000 Euro. Und da haben Sie noch nicht die Ladeinfrastruktur dabei“, erklärt die Chefin. Aufgrund der begrenzten Reichweite der Akkus seien mehr Busse erforderlich. „Größere Anzahl von Fahrzeugen heißt auch wieder mehr Fahrerinnen und Fahrer“, rechnet Heim vor. Und die seien trotz einer Einstellungsoffensive schwer zu finden.

Dortmunder Stadtwerke suchen Bus- und Straßenbahnfahrerinnen

Aktuell beschäftigen die Dortmunder Stadtwerke rund 650 Bus-, sowie rund 350 Straßenbahnfahrerinnen. Im laufenden Jahr habe man bereits rund 100 neue Kolleginnen und Kollegen eingestellt. Doch es werde immer schwerer, Nachwuchs zu finden, meint Heim. „In den nächsten zehn Jahren werden fast 50 Prozent unseres Personalkörpers einfach altersbedingt das Unternehmen verlassen.“

Heike Heim ist seit Juni Vorstandsvorsitzende der Dortmunder Stadtwerke.
Heike Heim ist seit Juni Vorstandsvorsitzende der Dortmunder Stadtwerke. © imago images/Cord | imago stock

Bislang ist ungeklärt, wie die Nahverkehrsunternehmen die erwarteten hohen Kosten stemmen sollen. Das gilt auch für die Wärmewende weg von den fossilen und hin zu erneuerbaren Energiequellen. „Der Einsatz von Wärmepumpen bedeutet erhebliche Investitionen auch in die Stromnetze. In Dortmund sind das allein 2,8 Milliarden Euro“, hat Heim ausrechnen lassen. Und in dieser riesigen Summe sei „noch kein bisschen Verkehrswende dabei, da ist noch kein Glasfaser-Ausbau dabei, da sind noch keine Sanierungsfahrpläne für den kommunalen Wohnungsbestand dabei“, zählt die DEW-Chefin auf. „Das macht deutlich, wie groß die Herausforderung der Finanzierung dieses ganzen Themas ist.“

Stopp der Preisbremsen: „Eine echte Zumutung“

Einmal ganz davon abgesehen, dass die Dortmunderin gleich mehrfach sauer auf die Ampelkoalition in Berlin ist. „Ohne Not wieder so kurzfristig vor Jahresende seitens der Bundesregierung das Aus der Strom- und Gaspreisbremse zu beschließen, ist eine echte Zumutung für die Energieversorgungsunternehmen, aber natürlich auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher“, sagt sie. Denn ursprünglich sollten beide Bremsen bis Ende März 2024 verlängert werden.

Heim hadert ohnehin mit dieser Form der Abfederung hoher Energiepreise. Es ist nicht richtig, mit dem Gießkannenprinzip Fördermittel oder finanzielle Unterstützungen, ja, ich würde mal sagen, herabregnen zu lassen“, erklärt die Stadtwerke-Chefin und plädiert dafür, Energie- und Sozialpolitik voneinander zu trennen. „Ich finde, es ist endlich an der Zeit, dass man die Möglichkeit von staatlichen, direkten Transferzahlungen an bedürftige Haushalte wahrnimmt.“