Berlin. Die Dispozinsen steigen. Banken verlangen teils 15 Prozent. Welcher Zins gerechtfertigt ist und wie man eine Abwärtsspirale vermeidet.
Wer ein Girokonto hat, kann es meist bis zu einer festgelegten Summe überziehen. Viele Bankkunden müssen in diesen Tagen freilich erleben, dass die Zinsen für diesen so genannten Dispokredit rasant steigen, was ihre Finanzen arg strapazieren kann; und so stark, dass schon erste Forderungen nach einer Obergrenze für Dispozinsen laut werden.
Seit Ende 2022 sind diese Zinsen im Durchschnitt um mehr als zwei Prozentpunkte gestiegen, wie Heike Nicodemus von der Zeitschrift "Finanztest“ der Stiftung Warentest erklärte. "Viele Kreditinstitute haben zum 1. Oktober nochmal nachgelegt.“
Zinsen von zwölf Prozent
Im Schnitt liegen die Zinsen inzwischen bei etwa zwölf Prozent (Stand 6. Oktober). Ende 2022 waren es bei 176 ausgewerteten Banken und Sparkassen im Schnitt noch 9,94 Prozent.
Den Anstieg führt die Expertin in erster Linie auf die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank zurück. Auf die Inflation haben die Eurowährungshüter seit Juli 2022 mit einer Serie von zehn Zinserhöhungen reagiert.
Dispokredit kann in eine Abwärtsspirale führen
Die steigenden Preise führen dazu, dass sowohl mehr Menschen Dispokredite in Anspruch nehmen als auch mittelbar zu höheren Zinsen. Etwa jeder sechste Deutsche kann nach eigenen Angaben wegen der hohen Teuerung kaum seine Lebenshaltungskosten bezahlen, wie eine YouGov-Umfrage für die Postbank ergab. Lesen Sie auch: Mehrheit macht sich häufig Sorgen über eigene Finanzen
Indes, ein häufig in Anspruch genommener Dispokredit "kann zu einer finanziellen Abwärtsspirale führen“, warnt Nicodemus. Der Dispozins ist an ein Referenzzinssystem gekoppelt. Ein üblicher Referenzzins ist der Leitzins der EZB. "Wir haben festgestellt, dass Kreditinstitute im Schnitt relativ schnell die Zinsen erhöhen. Beim Senken ging es dagegen nicht ganz so schnell“, sagte Nicodemus.
Expertin: Mehr als 15 Prozent "richtig krass"
Auch die unabhängige FMH-Finanzberatung stellt einen deutlichen Anstieg fest. Demnach müssen Verbraucherinnen und Verbraucher im Mittel 11,89 Prozent Zinsen für einen Dispo-Kredit zahlen (Stand: 6. Oktober). Die Spanne bei 80 untersuchten Geldhäusern reicht von 3,62 Prozent bis 15,49 Prozent.
Mit bis zu zehn Prozent ist ein Dispozins aus Sicht von Stiftung Warentest vergleichsweise günstig. Das gilt den Angaben zufolge derzeit für knapp 20 Prozent von 460 ausgewerteten Kontomodellen. "Teuer ist alles ab 13 Prozent insbesondere für Menschen, die sehr häufig den Dispo in Anspruch nehmen“, sagt Nicodemus. Insgesamt reicht die Spanne von 3,54 Prozent bis 15,57 Prozent. "Mehr als 15 Prozent, die wir bei 18 Kontomodellen gefunden haben, finde ich richtig krass.“
Ratenkredit kann die bessere Alternative sein
Aus Sicht der "Finanztest“-Expertin haben es die Verbraucher zum Teil auch selbst in der Hand: "Wer regelmäßig den Dispo nutzt, sollte sich überlegen, ob eine Umschuldung mit Hilfe eines Ratenkredites, der im Schnitt etwa die Hälfte kostet, nicht sinnvoll ist“, sagt Nicodemus. Lesen Sie auch: 40.000 Euro Schulden durch Studienkredit: Das raten Experten
Sie rechnet vor: Liegt ein Disponutzer bei einem Zinssatz von 11,22 Prozent mit 1000 Euro im Minus, steht er nach drei Monaten mit rund 1028 Euro in der Kreide. Ein ganzes Jahr kostet ihn somit rund 112 Euro. Gleicht er sein Konto hingegen nach einem Monat aus, werden rund neun Euro fällig.
Obergrenze für Dispozinsen?
Die Höhe des gewährten Kreditrahmens hängt vom Einkommen sowie von der Kreditwürdigkeit des Kunden ab. Meist sind es zwei bis drei Monatsgehälter. Abgebucht werden die Zinsen je nach Geldhaus in der Regel am Ende eines Monats oder zum Quartalsschluss.
Zuletzt sprachen sich die Verbraucherschutzminister der Länder im Sommer für eine Obergrenze für Dispozinsen aus. Ein entsprechender Prüfauftrag gehe an die Bundesregierung, sagte Schleswig-Holsteins Verbraucherschutzminister Werner Schwarz (CDU) zum Abschluss einer Konferenz mit Amtskollegen. Die Ministerinnen und Minister halten einen Rahmen von fünf bis acht Prozent als Obergrenze für angemessen.
Banken gegen staatliche Eingriffe
Banken und Sparkassen lehnen staatliche Eingriffe ab. Gerade Verbraucher profitierten davon, dass der deutsche Bankenmarkt einer der wettbewerbsintensivsten in Europa sei, erklärte die Deutsche Kreditwirtschaft auf Anfrage. Und: "Dank eines großen Angebotes haben es Bankkunden selbst in der Hand, wo und zu welchen Konditionen sie einen Dispokredit nutzen wollen.“ (fmg) Das könnte Sie auch interessieren: Tagesgeld im Vergleich: Die besten Zinsen im Oktober
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