Düsseldorf/Essen. Vorstandschef Christian Kohlpaintner baut den Essener Dax-Konzern Brenntag um. Auch der Milliardär Kühne mischt nun beim Ruhrgebietskonzern mit.

Einer der bekanntesten deutschen Milliardäre mischt nun in Essen mit. Klaus-Michael Kühne hat vor allem mit seinem Logistik-Konzern Kühne+Nagel Reichtum erlangt, seit einigen Monaten ist er zudem größter Aktionär der Lufthansa – und neuerdings auch mit stattlichen zehn Prozent am Essener Chemikalien-Händlern Brenntag beteiligt. Der Essener Konzern, der vor zwei Jahren in den wichtigsten deutschen Aktienindex Dax aufgestiegen ist, steht derzeit im Fokus der milliardenschweren Kapitalmarkt-Szene. Aktivistische Investoren versuchen, das Management um Vorstandschef Christian Kohlpaintner unter Druck zu setzen – und eine Aufspaltung des Unternehmens herbeizuführen, das derzeit an der Börse mit rund 11,5 Milliarden Euro bewertet wird.

Im Ringen mit den Aktivisten scheint der 86-jährige Unternehmer Klaus-Michael Kühne willkommen zu sein. „Wir freuen uns über jeden Aktionär, der sich langfristig mit der Strategie, die das Unternehmen entwickelt hat, identifiziert und diese auch unterstützt“, sagt Brenntag-Chef Christian Kohlpaintner vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV) in Düsseldorf, als Kühnes Manöver zur Sprache kommt. Der Logistik-Milliardär, ein gebürtiger Hamburger, hatte jüngst seinen Anteil an dem Essener Dax-Konzern von rund fünf auf nunmehr zehn Prozent erhöht.

Brenntag ist im global weit verzweigten Geschäft der Chemikalien-Händler der Weltmarktführer. Ein Netzwerk mit mehr als 600 Standorten und über 17.500 Beschäftigten in 72 Ländern gehören zum

Brenntag-Vorstandschef Christian Kohlpaintner: Der promovierte Chemiker und erfahrene Industriemanager ist auch Aufsichtsratsmitglied von Evonik.
Brenntag-Vorstandschef Christian Kohlpaintner: Der promovierte Chemiker und erfahrene Industriemanager ist auch Aufsichtsratsmitglied von Evonik. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Ruhrgebietskonzern, der im kommenden Jahr sein 150-jähriges Bestehen feiern will. Kohlpaintner, ein promovierter Chemiker und erfahrener Industriemanager aus Oberbayern, ist seit 2020 Vorstandsvorsitzender von Brenntag – und auch im Aufsichtsrat des Konzernnachbarn Evonik vertreten.

Der Branchenverband VCI betont gerne, dass in mehr als 80 Prozent aller Dinge, die in Deutschland hergestellt werden, Chemie steckt – in der Landwirtschaft, in Pharma- oder Hygieneartikeln und bei Elektronik-Bauteilen zum Beispiel. Bei der Versorgung mit Chemikalien spielt Brenntag mit seinen Verkäufern, Lageristen und Lkw-Fahrern wiederum eine wichtige Rolle. Weltweit habe sein Unternehmen rund 190.000 Kunden, berichtet Kohlpaintner. Es handle sich um ein überaus kleinteiliges Geschäft. Im Schnitt liege der Bestellwert der Brenntag-Kunden gerade einmal bei rund 4000 Euro. Eine Vielzahl von Transaktionen sei also notwendig, um auf den Brenntag-Jahresumsatz von zuletzt fast 20 Milliarden Euro zu kommen. Wenn nötig, transportiere Brenntag Chemikalien wie Natronlauge oder Salzsäure von einem Kontinent zum anderen, um die Abnehmer zu versorgen.

Bei der Brenntag-Hauptversammlung Mitte Juni hatten die aggressiven Investoren eigene Kandidaten ins Rennen um den Aufsichtsrat geschickt. Die Palast-Revolution ist aber zunächst gescheitert. Kohlpaintner betont, er lasse sich nicht von den aktivistischen Investoren treiben, zugleich räumt er ein, dass Kritik, die es an der Aufstellung seines Unternehmens gegeben habe, „nicht ganz unberechtigt“ gewesen sei. Den Konzern will Kohlpaintner daher umbauen. „Das Geschäftsmodell des Vollsortimenters kommt zu einem Ende“, sagt er mit Blick auf die bisherige Brenntag-Strategie, sämtliche Chemikalien aus einer Hand anzubieten.

Brenntag setzt künftig auf eine inhaltliche und organisatorische Zweiteilung des Geschäfts. Das Massengeschäft („Essentials“) und der Handel mit Spezialchemikalien („Specialties“) sollen mehr Eigenständigkeit erhalten. Es handelt sich nicht um eine formale Aufspaltung, wie sie etwa der britische Finanzinvestor Primestone fordert, mit seinem Konzernumbau greift der Brenntag-Vorstand aber Argumente der Kapitalmarkt-Aktivisten auf.

Auch die Belegschaft muss sich auf Veränderungen einstellen: Etwas mehr als 4000 Brenntag-Beschäftigte sollen – teils mit neuen Arbeitsverträgen ausgestattet – im Bereich „Specialties“ arbeiten, rund 10.000 bei „Essentials“. Hinzu kommen die Mitarbeiter, die mit allgemeinen Aufgaben über die Sparten hinweg befasst sind – ein Beispiel ist die IT-Abteilung. Er wende sich gegen „eine vorschnelle Aufspaltung“, betont Kohlpaintner. Ein solcher Schritt sei „einfach nicht darstellbar“.

Klaus-Michael Kühne: Der Milliardär hat seinen Anteil am Essener Konzern Brenntag auf rund zehn Prozent verdoppelt.
Klaus-Michael Kühne: Der Milliardär hat seinen Anteil am Essener Konzern Brenntag auf rund zehn Prozent verdoppelt. © dpa | Axel Heimken

In die Offensive geht Vorstandschef Kohlpaintner, indem er ehrgeizige Wachstumsziele für Brenntag ausruft. Zur Strategie des Vorstands gehört unter anderem, den Ruhrgebietskonzern durch Übernahmen zu vergrößern. Zwischen 400 und 500 Millionen Euro will der Konzern für Firmenkäufe ausgeben, kündigt Kohlpaintner an. Noch sei der milliardenschwere globale Markt der Chemikalien-Händler arg zersplittert. Das müsse und werde sich ändern, sagt der Brenntag-Chef voraus.

Ob auf die organisatorische Neuaufstellung auch eine formale Aufspaltung des Brenntag-Konzerns folgt, bleibt eine spannende Frage. Und was wären die Konsequenzen? Bleibt ein zweigeteilter Brenntag-Konzern noch im Leitindex Dax der 40 wichtigsten deutschen Konzerne notiert? „Mit der Frage habe ich mich noch gar nicht beschäftigt“, sagt Kohlpaintner zur Dax-Frage. Das sei „sekundär“, fügt der Brenntag-Chef hinzu. Der Aufstieg in die erste Börsenliga bringe zwar Anerkennung, und zeige, „was die Mitarbeiter geleistet haben“. Zum Dax zu gehören, sei für Brenntag aber „kein Selbstzweck“.

podcast-image