Dortmund. Bei Thyssenkrupp Nucera versprüht Firmenchef Ponikwar Optimismus: Die Auftragsbücher sind voll, der Börsenwert steigt, die Belegschaft wächst.

Die Dortmunder Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera befindet sich auf Wachstumskurs. Bei seiner ersten Zwischenbilanz nach dem Börsengang des Unternehmens zeigte sich Nucera-Chef Werner Ponikwar jedenfalls überaus optimistisch. Es gebe eine „hohe Nachfrage“ nach Elektrolyseuren von Nucera für die aufstrebende Wasserstoff-Wirtschaft, berichtet der Manager. Als Beispiel nannte er das Projekt „H2 Green Steel“ im Norden Schwedens, wo das erste großtechnische „grüne Stahlwerk“ Europas entstehen soll. Nucera werde für das Vorhaben eine der größten europäischen Wasserelektrolyse-Anlagen mit einer Leistung von mehr als 700 Megawatt liefern.

Module für Elektrolyseure habe Nucera mittlerweile auch an Kunden in den USA und Saudi-Arabien ausgeliefert. „Es geht jetzt also endlich los“, sagt Ponikwar mit Blick auf den Aufbau und den anstehenden Betriebsstart der ersten Elektrolyseure für die Produktion von Wasserstoff in industriellem Maßstab. „Scalum“ nennt Nucera die Technologie, auf der große Hoffnungen im Unternehmen ruhen. Der Trend in der Wasserstoff-Wirtschaft gehe „Richtung Großanlagen“, so Ponikwar. Davon will die Thyssenkrupp-Tochter profitieren.

Börsenwert von Nucera aktuell bei rund 2,8 Milliarden Euro

Die hohen Erwartungen lassen sich auch am Börsenwert des Unternehmens ablesen. Die Marktkapitalisierung von Nucera liegt bei rund 2,8 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Essener Konzernmutter Thyssenkrupp erreicht derzeit rund 4,3 Milliarden Euro – also nicht einmal den doppelten Wert der jungen Dortmunder Firma. Dabei hat Nucera gerade einmal etwas mehr als 600 Beschäftigte. Zur Thyssenkrupp-Belegschaft gehören weltweit immer noch fast 100.000 Menschen.

Anfang Juli ist Nucera mit einer Marktkapitalisierung von 2,53 Milliarden Euro an der Börse gestartet. Danach hat die Nucera-Aktie spürbar an Wert gewonnen. Thyssenkrupp hält weiterhin die Aktienmehrheit

Werner Ponikwar, der Chef von Thyssenkrupp Nucera, beim Start an der Börse am 7. Juli: Seit dem Gang an den Kapitalmarkt ist der Wert der Wasserstoff-Tochter gestiegen.
Werner Ponikwar, der Chef von Thyssenkrupp Nucera, beim Start an der Börse am 7. Juli: Seit dem Gang an den Kapitalmarkt ist der Wert der Wasserstoff-Tochter gestiegen. © AFP | DANIEL ROLAND

beim Dortmunder Elektrolyse-Spezialisten. Ebenfalls als Ankeraktionär an Bord bleibt der italienische Thyssenkrupp-Partner De Nora mit einem guten Viertel. De Nora stellt in der Nähe von Frankfurt am Main Zellen für die Nucera-Elektrolyseure her.

Beim Börsengang hatten der saudi-arabische Staatsfonds PIF und ein Fonds der französischen Bank BNP Paribas große Aktienpakete von Nucera gekauft. Dividendenzahlungen an die Aktionäre seien zunächst nicht geplant, erklärte Nucera-Finanzchef Arno Pfannschmidt. Das Geld im Unternehmen solle der Wachstumsstrategie dienen.

Duisburger Wasserstoff-Projekt von Iqony im Blick

Die Vorzeige-Projekte von Nucera befinden sich derzeit noch im Ausland – neben Schweden auch in Saudi-Arabien und den USA. Auf Nachfrage betont Nucera-Chef Ponikwar bei einer Telefonkonferenz zur Quartalsbilanz des Unternehmens, der grüne Wasserstoff sei auch in Deutschland „auf dem Vormarsch“, wenngleich es derzeit eher „pilothafte“, kleine Projekte gebe, die realisiert würden. Als „Paradebeispiel“ für die absehbare Entwicklung bezeichnet Ponikwar den geplanten Bau eines Elektrolyseurs für den Stahlstandort Duisburg – ein Projekt des Essener Unternehmens Iqony.

Der Energieversorger, der aus dem Essener Steag-Konzern entstanden ist, will in der Nachbarschaft von Thyssenkrupp im großen Stil Wasserstoff herstellen, um die grüne Stahlproduktion in Gang zu bringen. „Hydroxy Hub Walsum“ nennt sich das Vorhaben. Ende 2027 soll der Betrieb starten. Neben Nucera kommt als Elektrolyseur-Hersteller auch Siemens Energy mit seinem Werk in Mülheim infrage, Technologie-Lieferanten aus dem Ausland wären ebenfalls möglich. Ende des Jahres will Iqony erste Angebote auf dem Tisch haben. Nucera sei mit den handelnden Akteuren in „engem Austausch“, sagt Ponikwar. Schließlich geht es um ein Projekt, das für den Nucera-Mutterkonzern Thyssenkrupp von großer Bedeutung ist.

Neue Firmenzentrale in Dortmund soll 600 Beschäftigten Platz bieten

In Dortmund baut Nucera gerade eine neue Unternehmenszentrale mit Platz für rund 600 Beschäftigte. Der Einzug in das Bürogebäude sei für den kommenden August oder September geplant, berichtet Ponikwar. Knapp 400 Nucera-Mitarbeiter gebe es bereits am Standort der Firmenzentrale. Er rechne mit einem „starken Personalwachstum“. Neben Verwaltungstätigkeiten gebe es in Dortmund auch Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Wegen des hohen Wachstumstempos von Nucera ist die Belegschaft vom September vergangenen Jahres bis zum Juni 2023 Unternehmensangaben zufolge von knapp 500 auf mehr als 600 Beschäftigte gestiegen.

Der Auftragseingang von Nucera hat sich im dritten Quartal des aktuellen Geschäftsjahres im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum um 13 Prozent auf 242 Millionen Euro erhöht, wie das Unternehmen mitteilt. Hochgerechnet auf die ersten neun Monate des Bilanzjahres 2022/2023 liegt der Auftragsbestand bei rund 535 Millionen Euro. Das sei „erwartungsgemäß unter dem Rekordniveau“ der Vergleichsperiode 2021/2022 mit mehr als 1,2 Milliarden Euro geblieben, die durch ein riesiges Wasserstoff-Projekt in Saudi-Arabien geprägt gewesen sei.