Duisburg/Essen. Mit einer riesigen Wasserstoff-Fabrik will die Steag-Neugründung Iqony den Stahlkonzern Thyssenkrupp versorgen. Doch das Projekt verzögert sich.

Es ist eines der größten industriellen Neubauprojekte im Ruhrgebiet: Der Energieversorger Iqony, der aus dem Essener Steag-Konzern entstanden ist, will den Stahlstandort Duisburg im großen Stil mit Wasserstoff versorgen, um die grüne Produktion in Gang zu bringen. „Hydroxy Hub Walsum“ nennt sich das Vorhaben. „Wir spüren Aufbruchstimmung“, sagt Iqony-Projektleiterin Tanja Braun. Seit einigen Tagen ist klar, dass es eine millionenschwere Förderung der Europäischen Union für das Großprojekt geben wird. Allerdings zeichnet sich auch ab, dass der neue Industriekomplex erst mit erheblicher Verzögerung starten kann.

Ursprünglich hatte die Steag den Beginn der Wasserstoff-Lieferungen schon für das Jahr 2025 geplant. Davon ist nun keine Rede mehr. „Ende 2027 möchten wir mit rund 150 Megawatt starten und danach im Zwei-Jahres-Rhythmus draufsatteln“, berichtet Tanja Braun, die seit April für das Essener Energieunternehmen Iqony arbeitet. „Am Ende wollen wir eine Leistung von rund 500 Megawatt erreichen.“ Damit wäre die Fabrik zur Wasserstoff-Produktion eine der bundesweit größten ihrer Art.

Nucera und Siemens Energy wären mögliche Anlagenbauer

Für den Bau der neuen millionenschweren Wasserstoff-Anlage in Duisburg-Walsum galt zunächst eine Thyssenkrupp-Tochterfirma, die heutige Nucera, als gesetzt. Im Frühjahr vergangenen Jahres wurde dann

Iqony-Projektleiterin Tanja Braun: „Dass wir den Elektrolyseur auf einem ehemaligen Zechengelände bauen, hat auch eine symbolische Dimension. Auf die Kohle folgt Wasserstoff.“
Iqony-Projektleiterin Tanja Braun: „Dass wir den Elektrolyseur auf einem ehemaligen Zechengelände bauen, hat auch eine symbolische Dimension. Auf die Kohle folgt Wasserstoff.“ © HO | Iqony

bekannt, dass Thyssenkrupp zwar der Hauptabnehmer des Wasserstoffs aus Walsum bleiben wolle, sich aber nicht an der Projektentwicklung beteiligen werde. Damit kommen als Anlagenlieferanten für das Prestigeprojekt verschiedene Unternehmen in Frage – neben der Dortmunder Thyssenkrupp-Tochter Nucera auch der Großkonzern Siemens Energy mit seinem Werk in Mülheim, auch Lieferanten aus dem Ausland wären möglich. Von einem geschätzten Projektvolumen in Höhe von rund 650 Millionen Euro war zuletzt die Rede.

„Derzeit sind wir damit beschäftigt, die Ausschreibungsunterlagen für potenzielle Anlagenbauer fertigzustellen“, berichtet Iqony-Projektchefin Tanja Braun. „Unser Zeitplan sieht vor, dass wir Ende des Jahres Angebote auf dem Tisch haben werden.“ Dass die erste Ausbaustufe der Wasserstoff-Anlage dann Ende 2027 in Betrieb gehe, sei „ein ehrgeiziges, aber machbares Ziel“. „Für uns ist klar: Die Anlage kommt. Wir arbeiten mit Hochdruck an der Realisierung“, betont die Managerin. „Wir sind bei dem Projekt auf einem guten Weg.“

Thyssenkrupp hat riesigen Wasserstoff-Bedarf

Deutschlands größter Stahlkonzern Thyssenkrupp benötigt Wasserstoff im großen Stil, um klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) in der Produktion zu vermeiden. Mit dem Bau einer sogenannten Direktreduktionsanlage (DRI-Anlage) will der Stahlkonzern einen Hochofen ersetzen. Ende 2026 soll die neue DRI-Anlage in Betrieb gehen – zunächst ohne Wasserstoff, aber mit Erdgas. Ab dem Jahr 2029 will Thyssenkrupp dann eigenen Angaben zufolge rund 143.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr verbrauchen. Das entspreche alle zwei Stunden und 365 Tage im Jahr der Füllmenge des Gasometers Oberhausen. Einen beträchtlichen Teil des Bedarfs könnte die neue Anlage von Iqony decken. „Es geht um eines der größten Elektrolyseur-Projekte in ganz Deutschland“, sagt Iqony-Managerin Tanja Braun. „Unser Projekt kann zu einer Initialzündung für die Wasserstoff-Wirtschaft im Ruhrgebiet werden.“

Die Verzögerungen bei dem prestigeträchtigen Vorhaben begründet Iqony unter anderem mit „Planungsverzug beim designierten Hauptabnehmer“, auch die Entscheidungen zu den Förderzusagen der EU seien später als erwartet gekommen.

Der Essener Energiekonzern, der noch sechs Stadtwerken aus dem Ruhrgebiet gehört, befindet sich selbst im Umbruch. Möglichst noch in diesem Jahr wollen die am Unternehmen beteiligten Kommunalbetriebe aus Essen, Bochum, Duisburg, Dortmund, Oberhausen und Dinslaken ihren Ausstieg bei Iqony und der Steag besiegelt haben. Neben dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský mit seinem Konzern EPH gilt auch die spanische Fondsgesellschaft Asterion Industrial Partners als möglicher Käufer.

Wasser aus dem Rhein für die Wasserstoff-Produktion

Den Baubeginn für die Wasserstoff-Fabrik in Duisburg plant Iqony eigenen Angaben zufolge für Anfang 2025. Das Unternehmen will dabei eine Brachfläche nutzen, die seit einigen Jahren leer steht: das Gelände des Bergwerks Walsum. „Dass wir den Elektrolyseur auf einem ehemaligen Zechengelände bauen, hat auch eine symbolische Dimension“, sagt Projektleiterin Braun. „Auf die Kohle folgt Wasserstoff.“

Ein Großteil des Wassers für den Betrieb des Elektrolyseurs soll aus dem Rhein kommen. Der Bedarf, der bei der Wasserstoff-Erzeugung entstehe, sei aber „deutlich niedriger als für die Kühlung von Kohlekraftwerken, die derzeit Rhein-Wasser einsetzen“, erklärt die Projektleiterin.

Iqony rechnet mit einer großen Wasserstoff-Nachfrage. „Es ist klar, dass es einen großen Bedarf an Wasserstoff gerade in Duisburg und im Ruhrgebiet geben wird“, sagt Tanja Braun. „Wir bauen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Stahlstandort Thyssenkrupp. Dass wir hier unseren größten Abnehmer sehen, liegt auf der Hand.“ Der große Vorteil der Anlage sei, dass sie dort gebaut werde, wo der Bedarf entstehe.

„Die Wasserstoff-Produktion ist energieintensiv“

Von Duisburg-Walsum bis zum Stahlstandort Bruckhausen sind es nur rund zwei Kilometer Luftlinie. Der Wasserstoff muss also nicht erst durch ein langes Pipeline-Netz vom Produzenten zum Verbraucher geschickt werden. „Bei allen Herausforderungen in Sachen Ausbau des Stromnetzes ist es am Ende immer noch einfacher, den Grünstrom zur Wasserstoff-Erzeugung hierher zu bekommen, als den Wasserstoff in den von der Industrie benötigten Mengen zu transportieren“, erklärt Tanja Braun. „Zur angestrebten Dekarbonisierung der Industrie im Ruhrgebiet kann unser Projekt einen großen Beitrag leisten.“

Für den Betrieb des Elektrolyseurs benötigt Iqony allerdings jede Menge grünen Strom aus erneuerbarer Energie. „Die Wasserstoff-Produktion ist energieintensiv. Das wirft mit Blick auf hohe Strompreise Fragen auf“, sagt Iqony-Projektleiterin Braun. „Das Stichwort lautet Regulatorik. Es ist wichtig, dass sich die Politik mit dieser Thematik befasst und Lösungen entwickelt, damit sich der Betrieb der Anlagen, die einer Dekarbonisierung dienen, auch rechnet.“ Eine wichtige Frage sei etwa, wie der künftige Markt für grünen Wasserstoff organisiert sein wird: „Wie sieht es zum Beispiel beim Thema Netzentgelte auf den eingesetzten Grünstrom aus? Welche Fördermöglichkeiten stehen investitionswilligen Unternehmen zur Verfügung? Hier sind noch eine Reihe von Fragen zu beantworten, damit es aus Sicht der Unternehmen Investitionssicherheit gibt.“

Ministerin Neubaur: „Die Transformation der Industrie ist hochkomplex“

Wie NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) vor wenigen Tagen mitteilte, ist das Iqony-Vorhaben eines von vier Projekten an Rhein und Ruhr, die von der Europäischen Union mit einem dreistelligen Millionenbetrag unterstützt werden. Insgesamt seien im EU-Innovationsfonds 41 Projekte aus 15 EU-Ländern mit einem Fördervolumen von rund 3,6 Milliarden Euro von einem Expertengremium ausgewählt worden. „Die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität ist hochkomplex, aber notwendig“, sagte Neubaur in diesem Zusammenhang.

Dass Iqony fest mit einer Förderung durch die EU rechnen könne, gebe dem Projekt Rückenwind, betont Tanja Braun. 90 Prozent des Fördergeldes sollen für den Bau der Wasserstoff-Anlage fließen. „Etwa zehn Prozent der jetzt grundsätzlich zugesprochenen EU-Förderung machen eine Betriebskostenförderung aus“, so die Projektleiterin. Erst wenn die genaue Höhe der Investitionen feststehe, lasse sich die Fördersumme im Detail beziffern. Die Förderung soll für die erste Ausbaustufe des Projekts erfolgen.

Neben dem Elektrolyseur plant Iqony in Duisburg-Walsum auch den Bau einer Großbatterie. „Die Anlage kann dazu dienen, Strom zu speichern, wenn die Windkraftanlagen auf Hochtouren laufen und mehr Energie produzieren, als in diesem Moment verbraucht wird“, erklärt Iqony-Managerin Braun. Ein ähnliches Elektrolyseur-Projekt wie in Duisburg-Walsum verfolgt Iqony auch im Saarland, am Standort Völklingen-Fenne. Dort ist das Vorhaben aber mit 53 Megawatt deutlich kleiner.

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