Oberhausen. Eine neue Wasserstoff-Pipeline für den Duisburger Stahlstandort von Thyssenkrupp soll auch durch Oberhausen führen. Einige Anwohner sind besorgt.

Es ist still „Im Fort“. Gelegentlich bringt der Wind ein ein wenig Bewegung in die Blätter der alten Eichen, die eine stattliche Allee in dem Oberhausener Naturschutzgebiet bilden. Am Wegesrand wachsen Brombeersträucher. So weit das Auge reicht: Felder, Wald und Wiesen. Tobias Szczepanski, der Vorsitzende des Heimatvereins Oberhausen-Schmachtendorf, ist gekommen, um zu zeigen, wie schön die Landschaft an der Stadtgrenze zu Dinslaken ist. Er berichtet von Rehen, Hirschen, Wölfen, Wildschweinen und Waldohreulen, die „Im Fort“ leben. Auch ein Dachsbau befinde sich ganz in der Nähe. Doch bald könnte es vorbei sein mit der Ruhe – zumindest für einige Monate.

Denn ausgerechnet in Oberhausen-Schmachtendorf soll ein Teilstück der Wasserstoff-Pipeline entstehen, die zur Versorgung des Thyssenkrupp-Stahlstandorts in Duisburg geplant ist. „DoHa“ nennt sich das industrielle Großprojekt – ein Kürzel für den Trassenverlauf von Dorsten nach Duisburg-Hamborn. Federführend bei dem Vorhaben ist der Essener Ruhrgas-Nachfolgekonzern Open Grid Europe (OGE), auch Thyssengas aus Dortmund ist beteiligt.

„Wir hatten große Bedenken, als wir von dem Pipeline-Projekt erfahren haben“, erzählt Szczepanski. „Für uns war klar: Das Naturschutzgebiet ,Im Fort‘ muss geschützt werden.“ Mit Sorgen habe er insbesondere

Das Naturschutzgebiet „Im Fort“ an der Stadtgrenze von Oberhausen und Dinslaken: Hier wird voraussichtlich die unterirdische Wasserstoff-Pipeline gebaut, die den Stahlstandort Duisburg von Thyssenkrupp versorgen soll.
Das Naturschutzgebiet „Im Fort“ an der Stadtgrenze von Oberhausen und Dinslaken: Hier wird voraussichtlich die unterirdische Wasserstoff-Pipeline gebaut, die den Stahlstandort Duisburg von Thyssenkrupp versorgen soll. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

auf bevorstehenden Bauarbeiten geblickt, die für ein Pipeline-Projekt dieser Größenordnung erforderlich seien. „Die Landschaft muss aufgerissen werden, es rollen Bagger, und die Renaturierung braucht ihre Zeit.“

Der Bau der Doha-Pipeline, die wenige Meter unter der Erde liegen soll, wird Unternehmensangaben zufolge im Frühjahr 2026 beginnen. Schon für Ende desselben Jahres plant Open Grid Europe mit dem Start des Betriebs. „Wir liegen im Zeitplan“, erklärt das Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion. Unter anderem stehen noch Gespräche mit Landwirten an, denen in Dinslaken Flächen gehören, auf die OGE angewiesen ist. Es seien Entschädigungszahlungen geplant, so der Pipeline-Betreiber, auch für Ernteausfälle.

„2021 haben wir von den Pipeline-Plänen gehört“, erinnert sich Tobias Szczepanski. Kurze Zeit später – im Juli 2022 – schreibt er unter dem Briefkopf des Heimatvereins an den zuständigen Regionalverband Ruhr (RVR). Formal nennt sich das: Einwendungen im Zuge des Raumordnungsverfahrens. Auch den Pipelinebetreiber hat Szczepanski informiert. „Wir sind keine Gegner der Pipeline“, sagt er zu seiner Motivation, „aber wir möchten, dass die Eingriffe in die Natur möglichst wenig Schaden anrichten. Und wir möchten, dass die Bedenken der Anwohner berücksichtigt werden.“

Pipeline weniger durch Naturschutzgebiet und mehr über Felder

Und tatsächlich: Es tut sich etwas. Ende Juni hat es eine Ortsbegehung mit Verantwortlichen von Open Grid Europe gegeben. „Das Unternehmen konnte mittlerweile viele Bedenken ausräumen“, erzählt Szczepanski. „Den Durchbruch hat der Ortstermin im Juni gebraucht.“ Die Pipeline-Planer habe er unter anderem zu der Allee mit einem seit Jahren gewachsenen Baumbestand geführt. „Ich hatte den Eindruck, da haben die Projektleiter erstmals auch selbst gesehen, wie schön das Naturschutzgebiet ist.“

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Von Open Grid Europe gebe es die Zusage, dass die Planung verändert werde, um die Natur zu schonen, berichtet Szczepanski. „Die Trasse soll nun weniger durch das Naturschutzgebiet ,Im Fort‘ und mehr über landwirtschaftliche Flächen führen. Es sind jetzt nur noch zwei, drei Birken, die fallen müssen, nicht

Tobias Szczepanski, der Vorsitzende des Heimatvereins Oberhausen-Schmachtendorf: „Wir haben gekämpft – und damit viel erreicht. Das Schlimmste haben wir hoffentlich verhindern können.“
Tobias Szczepanski, der Vorsitzende des Heimatvereins Oberhausen-Schmachtendorf: „Wir haben gekämpft – und damit viel erreicht. Das Schlimmste haben wir hoffentlich verhindern können.“ © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

mehr jahrzehntealte Eichen und Buchen.“ Auch ein Grünstreifen an der Allee, der Wildbienen und Faltern einen Lebensraum biete und durch die ursprünglichen Pipeline-Pläne beschädigt worden wäre, bleibe erhalten, sagt Szczepanski. „Wir haben gekämpft – und damit viel erreicht. Das Schlimmste haben wir hoffentlich verhindern können.“

„Was ist, wenn es einen terroristischen Anschlag gibt?“

Alles gut also in Oberhausen-Schmachtendorf? Nicht ganz. „Gesprächsbedarf“ im Zusammenhang mit der Wasserstoff-Leitung gebe es noch mit Blick auf ein Wohngebiet, das sich in der Nähe der geplanten Trasse befindet: die Dellerheide. „Die Menschen haben teilweise Angst davor, dass eine Pipeline mit einem explosiven Gas so nah an ihre Häuser heranrückt“, erzählt Szczepanski. „Noch sind nicht alle Bedenken ausgeräumt. Wir fühlen uns als Heimatverein verpflichtet, diese Bedenken zu artikulieren.“

Die Anwohner hätten Sicherheitsbedenken und fragen: „Was ist, wenn es einen terroristischen Anschlag gibt? Dass Angriffe auf Gasleitungen möglich sind, haben wir ja bei der Nordstream-Pipeline gesehen“, sagt Szczepanski. Bei der Dellerheide solle die Pipeline auch eine Bahnstrecke unterqueren. „Das bereitet den Anwohnern ebenfalls Bauchschmerzen. Wir wollen uns als Heimatverein dafür einsetzen, dass auch diese Bedenken noch ausgeräumt werden.“

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